Keine zwei Wochen ist Dieter Hecking jetzt der neue Trainer des VfL Bochum, schon wird er von Fans und Medien als möglicher Retter verehrt und gefeiert. Dafür benötigte er „nur“ einen starken Auftritt mit seiner Mannschaft beim überraschenden 1:1-Unentschieden gegen den amtierenden deutschen Meister Bayer 04 Leverkusen und einige kernige, sowie lustige Sätze auf der anschließenden Pressekonferenz.
Wie Hecking Bochum wiederbeleben will
„Im Training ging es dann viel ums Gewinnen“
Im Rekord-Tempo veränderte sich die Leistung der Mannschaft auf dem Platz. Dabei war es laut Hecking selbst wichtig, über kleine Schritte an die Mannschaft zu gelangen. Im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1 beschreibt der Trainer seine ersten Maßnahmen: „Das erste, was ich gemacht habe, war, dass ich zur Mannschaft gesagt habe, dass sie lernen müssen auch mal wieder das Wort ‚Gewinnen‘ auszusprechen. Im Training ging es dann viel ums Gewinnen. So kam die Spielfreude und die Überzeugung wieder etwas zurück.“
Dabei sah die Situation beim Ruhrpott-Verein alles andere als rosig aus, denn auch in der Führungsetage gab es zuletzt viele Personalwechsel. „Man kommt in eine Situation hinein, in der alle eigentlich die Kapuze aufhaben und nicht gesehen werden wollen, weil es einfach überhaupt nicht läuft. Das geht von der Mannschaft bis zur Führungsetage. Weil alle gesehen haben, dass es nicht einfach wird. Das habe ich gespürt und habe dann versucht, in kleinen Schritten in die Köpfe zu kommen“, erklärt Hecking seine Arbeit in den ersten Tagen.
Eine Arbeit, die zumindest im Spiel gegen Leverkusen sofort Früchte getragen hat, wie SPORT1-Experte Mario Basler findet, der zudem in dem erfahrenen Bundesliga-Trainer den richtigen Mann in Bochum sieht. „Ich glaube, dass man mit Dieter den richtigen Schritt in Bochum gemacht hat. Er war zwar ein paar Jahre raus, aber er kennt ja die Bundesliga in- und auswendig“, sagte der frühere Bayern-Star.
Mit Hecking soll endlich wieder Führung beim VfL einkehren
Für den Fernsehmoderator und Journalisten Christian Düren ist es dabei vor allem entscheidend, dass mit Hecking endlich wieder jemand in Bochum am Werk ist, der eine Führungsrolle übernimmt: „Das Problem beim VfL ist ja mittlerweile eher, dass man ihn als Großbaustelle betrachten muss. Die Mannschaft ist ja jetzt schon fast verliebt in Dieter Hecking, weil endlich mal jemand da ist, der Führung in diesem ganzen Laden übernimmt.“
Doch wie genau sieht denn diese Führungsrolle von Hecking aus? „Es geht erstmal darum, dass man eine Einheit werden muss. Dazu muss man mit einer klaren Struktur spielen, wie wir es gegen Leverkusen gemacht haben, wo es uns sehr gut gelungen ist“, sagte der 60 Jahre alte Trainer.
„Dann hast du keine Chance in dieser Liga“
Dabei beschwört der Pokalsieger von 2015 mit dem VfL Wolfsburg erstmal die klassischen Tugenden, die es im Kampf um den Klassenerhalt braucht: „Es geht aber jetzt auch erst mal um die Basics im Abstiegskampf, dass die Mannschaft nicht auseinanderfällt nach dem ersten Gegentor. Ich erfinde das Rad ja nun nicht komplett neu. Aber wenn da nicht alle mitmachen, dann hast du keine Chance in dieser Liga – gegen die Großen sowieso nicht.“
Bekanntlich werden solche Tugenden zuerst im Training vorgelebt, weshalb Hecking dort auch auf eine besondere Disziplin setzt. Das musste zuletzt auch schon Youngster Aliou Baldé feststellen, der aus dem Spieltagskader gegen Leverkusen gestrichen wurde. „Er ist ein junger Spieler, da geht es auch nicht um das Zuspätkommen, sondern die Ausrede war einfach schlecht. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Ausrede nicht gut ist, dann ist es für mich sehr naiv und dann muss das ein Spieler auch einmal spüren“, sagte Hecking zu der Entscheidung.
Nur mit eiserner Hand möchte der 60-Jährige dennoch nicht in Bochum die Zügel anziehen, er betonte: „Aber natürlich gibt es eine zweite Chance, er hat einen Tag später schon wieder mit trainiert. Es ist einfach ein Zeichen auch an die anderen Spieler, dass sie einen gewissen Spielraum haben, aber sie diesen auch nicht zu lange verlassen sollten.“
Hecking erzählt lustige Anekdote aus der Schiedsrichter-Kabine
Seinen eigenen Spielraum an der Seitenlinie musste der Coach, der zuletzt vor fünf Jahren als Bundesliga-Trainer von Borussia Mönchengladbach aktiv war, auch erst einmal wieder herausfinden: „Ich war vor dem Spiel gegen Leverkusen erstmal in der Schiedsrichter-Kabine, um zu erfahren, was ich jetzt noch darf und was nicht mehr, um keine Gelbe Karte zu riskieren“, merkte Hecking scherzhaft an.
Der Mann, der gebürtig aus Castrop-Rauxel stammt, hat mittlerweile über 660 Partien als Trainer in der ersten und zweiten Bundesliga erlebt. Auf seine Erfahrung allein möchte er sich bei dieser Rettungsmission dennoch nicht ausruhen, ganz im Gegenteil: „Ich glaube, ich muss mich der jungen Generation anpassen und nicht sie muss sich mir anpassen. Es ist schon wichtig, mitzubekommen, was die heutige Generation beschäftigt.“
„Die Hoffnung ist wieder da“
Hecking selbst beschäftigt dabei, dass der Hype um seine Person viel zu schnell aufgekommen ist: „Das geht jetzt alles wieder viel zu schnell, wir haben erstmal nur ein gutes Spiel gemacht. Es geht jetzt darum, dass wir diesen Schwung mitnehmen in die letzten fünf Spiele bis zur Winterpause. Damit wir bis dahin den Abstand in der Tabelle nicht zu groß werden lassen. Und das wird eine wahnsinnig schwere Aufgabe werden.“
Aktuell belegt der VfL Bochum nach zehn Spielen mit gerade einmal zwei Zählen den letzten Tabellenplatz. Bereits sechs Punkte hat das Team Rückstand auf den Relegationsplatz. Auf Tabellenplatz 15 sind es sogar bereits neun Zähler. Eine schwere Aufgabe, die aber „auch jedem in Bochum bewusst ist“, merkt Hecking an und ergänzt: „Aber zumindest ist seit dem Leverkusen-Spiel die Hoffnung wieder da.“