Es ist mit 418 Spielen schon eine stolze Anzahl, auf die Dieter Hecking als Trainer in der Bundesliga zurückblicken kann. Zum Vergleich: Von den aktuellen Bundesligatrainern kommt mit RB Leipzigs Marco Rose (171 Spiele) nur einer auf einen Wert über 150 Partien. Ganze neun Trainer und dabei die Hälfte aller Übungsleiter haben weniger als 50 Spiele in der Bundesliga gecoacht. Ein Trend, der Hecking überhaupt nicht gefällt, wie er bei SPORT1 im STAHLWERK Doppelpass verrät.
Hecking denkt an Trainer-Revolution
„Heutzutage geht es sehr, sehr schnell, nicht nur bei Nuri Sahin: Man traut es jungen Leuten zu, in der Bundesliga zu arbeiten, gibt ihnen eine Chance. Dann läuft es nicht und es ist Druck auf dem Kessel. Diese jungen Trainer werden dann schnell ausgewechselt, weil man ihnen doch nicht die Zeit gibt und keine Geduld hat“, analysiert der neue Trainer des VfL Bochum die aktuelle Trainer-Problematik.
Kaum noch gestandene Trainer in der Bundesliga
Dabei sieht der 60-Jährige weniger das Problem bei den Trainern selbst, sondern dass es im Profifußball kaum noch gestandene langjährige Übungsleiter gibt, von denen sich unerfahrenere Coaches etwas abschauen können.
„Als ich als junger Trainer in die Bundesliga kam, hattest du Ikonen, um mit Ottmar Hitzfeld und Thomas Schaaf nur mal zwei Namen zu nennen. Und bei der Trainer-Tagung hast du dich ganz hinten angestellt und von unten hochgearbeitet, wenn du mal das Wort ergreifen wolltest“, blickt Hecking auf seine Zeit als Trainerneuling Anfang des Jahrhunderts bei Alemannia Aachen zurück.
Hecking: „Ich durfte Fehler machen“
Dass es solche langjährigen Kultfiguren mittlerweile kaum noch gebe - Frank Schmidt in Heidenheim bildet unter anderem eine Ausnahme - habe laut Hecking damit zu tun, dass viele junge Kollegen nach einem schnellen Rausschmiss in der Branche erst einmal als verbrannt gelten. „Das Problem ist dann, dass diese jungen Trainer oft nicht schnell die Anschlussstelle bekommen, weil man über sie sagt: ‚Ob es überhaupt reicht für die Bundesliga?‘ Das war bei mir anders: Ich durfte Fehler machen. Diese Zeit gibt es nun aber nicht mehr“, so der VfL-Trainer.
Doch Hecking wäre natürlich nicht er selbst, wenn er nicht schon längst über eine Lösung für dieses Problem nachgedacht hätte: „Die Frage ist, wie man diese Leute trotzdem einbinden kann, wenn sie auch nicht mehr in der Bundesliga trainieren. In der Schweiz gibt es das Modell, dass junge Trainer einen Mentor zur Seite gestellt bekommen - erfahrene Trainer, die sie begleiten. Da gibt es positive Ansätze im Ausland.“
Wäre ein Mentorenprogramm die Lösung?
Als Beispiel gibt es das Programm mymentor.zh aus Zürich. Dort können Trainer eine Mentorin oder einen Mentor direkt zu sich ins Training holen. Egal ob es um den Aufbau einer Bewegungsaufgabe, um Unklarheiten bei der Taktik oder um didaktische Aspekte geht – die Trainerperson bestimmt den Fokus des Mentorings nach ihren persönlichen Bedürfnissen und profitiert von einer individuellen Betreuung durch eine kompetente Fachperson.
Sehen wir also zukünftig viele frühere Bundesligatrainer als Mentoren? So weit möchte der 60-Jährige noch nicht gehen, der außerdem betont, dass Erfahrung nicht gleich Erfolg bedeutet. Dafür gibt es auch auf dem deutschen Trainermarkt aktuell zu viele Beispiele, die bereits im jungen Alter sehr gute Arbeit leisten.
„Erfahrung ist auch nicht alles“
„Du musst begreifen, dass junge Trainer diesen Erfahrungsschatz noch nicht haben. Aber Erfahrung ist auch nicht alles. Du siehst ja an Julian Nagelsmann oder Fabian Hürzeler, wie diese jungen Leute durchstarten. Es gibt also auch viele Beispiele, wo du siehst, das junge Leute in der Lage sind, große Vereine zu führen“, stellte Hecking klar.
Mit der Idee eines Mentorenprogramms für junge Bundesligatrainer könnte Hecking dennoch als eine Art Vorreiter dienen. Mit dieser Rolle kennt er sich aus. Es hat ja schließlich sonst aktuell keiner 418 Bundesligaspiele als Trainer auf dem Buckel.