Sechs Jahre vor seinem Tod wurde Heinz Höher nochmal ein besonderes Denkmal gesetzt. Im Jahr 2013 schrieb der Autor Ronald Reng ein furioses Buch zu der Historie der Fußball-Bundesliga, die damals 40 Jahre alt geworden war – und rückte dabei in einem auf den ersten Blick gewagten Kunstgriff Höher ins Zentrum.
Das Drama eines Rekordcoachs
Höher – der heute vor fünf Jahren gestorben ist - war gewiss nicht das berühmteste Kind der Liga. Aber die bewegte Vita Höhers und das dramatisch-tragische Ende seiner langen Trainer-Karriere war dennoch ein exemplarisches und unerwartet mitreißendes Kapitel deutscher Fußballgeschichte.
Heinz Höher: Ein Pionier der Bundesliga
Höher wurde am 11. August in Leverkusen geboren und war in den Jahren vor der Bundesliga-Gründung Torjäger bei der Bayer-Werkself, die damals knapp die Qualifikation für die 1963 gegründete Eliteklasse verpasste.
Höher - der 1959 wegen eines fehlenden Reisepasses eine Länderspiel-Nominierung von Bundestrainer Sepp Herberger nicht wahrnehmen konnte - war beim Startschuss für die Bundesliga dann doch dabei: Nach einem Wechsel zum Meidericher SV (später: MSV Duisburg) stand er am ersten Spieltag in der Startelf von Trainer Rudi Gutendorf, zusammen mit Helmut Rahn, dem Held des Wunders von Bern bei der WM 1954.
Seinen Stammplatz in Duisburg verlor Höher recht bald, nach einer Zwischenstation beim FC Twente Enschede ging Höher zum VfL Bochum. Höhepunkt seiner Zeit dort: der sensationelle Einzug ins DFB-Pokalfinale 1968 nach einem 2:1-Halbfinalsieg gegen den FC Bayern mit Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller.
Das Finale gewann der 1. FC Köln mit 4:1, zwei Jahre später endete Höhers aktive Laufbahn. Erfolgreicher wirkte er danach als Coach.
Rekord-Coach beim VfL Bochum
Nachdem er in einem Lehrgang von Ikone Hennes Weisweiler zum Trainer ausgebildet wurde, war Höher zunächst Assistent in Bochum und nach zwei Jahren bei Schwarz-Weiß Essen schließlich auch Chef beim VfL.
Höher prägte zwischen 1972 und 1979 eine kleine Bochumer Ära und etablierte den VfL mit der Achse Michael Lameck, Hermann Gerland und Franz-Josef Tenhagen im Oberhaus. Bis heute ist er der am längsten amtierende Bundesliga-Trainer der Vereinsgeschichte.
Die Verdienste Höhers haben in den Klubannalen einen zentralen Platz: „Ihm ist es praktisch mit Amateurspielern gelungen, dem VfL die Bundesliga zu erhalten“, urteilte Ex-Mitspieler Gustav Eversberg in der Vereinschronik „Die Jungs von der Castroper Straße“. Höher sei einer der „qualifiziertesten“ Trainer im damaligen Fußball-Deutschland gewesen.
Höher hatte den Ruf eines ausgewiesenen und fußballbesessenen Fachmanns, aber auch den eines Kauzes: In Bochum verteilte er vorgefertigte Antwortkärtchen an Journalisten, um nicht immer wieder einander gleiche Fragen beantworten zu müssen. Auch schrieb er öfters unter falschem Namen Leserbriefe an die Lokalpresse, um auf kritische Berichterstattung über seine Person zu antworten.
Höher machte Nürnberg zur Talentschmiede des FC Bayern
In den Achtzigern coachte Höher den MSV Duisburg, Fortuna Düsseldorf (als Nachfolger von Otto Rehhagel) und mehrere Klubs in Griechenland, ehe er nochmals größere Spuren bei einem Traditionsklub hinterließ.
Als Nachfolger des entlassenen Fritz Popp übernahm Höher am 1. Januar 1984 den damaligen Bundesliga-Tabellenletzten 1. FC Nürnberg. Den Abstieg des Club konnte er nicht verhindern, baute aber in der Zweiten Liga ein neues Team um den jungen Hans Dorfner auf.
Nach einer turbulenten Saison mit einer Teamrevolte gegen Höher und sechs Spieler-Rauswürfen gelang am Ende doch der Wiederaufstieg.
Höher formte in Nürnberg ein junges und schlagkräftiges Kollektiv: Mit Andreas Köpke im Tor, den jungen Stefan Reuter und Manni Schwabl im Mittelfeld und den Torjägern Dieter Eckstein und Jörn Andersen gelang 1988 sogar der Einzug in den UEFA-Cup.
Dann jedoch zerbrach das vielversprechende Team an den Begehrlichkeiten der Konkurrenz: Reuter zog es 1988 ebenso zum FC Bayern wie Verteidiger Roland Grahammer - Dorfner war denselben Schritt schon zwei Jahre zuvor gegangen. Infolge der unter anderem damit verbundenen Unruhe trat Höher 1988 als Trainer zurück (Gerland übernahm) und wechselte auf den Managerposten. 1989 gab Höher (auch in Nürnberg bis heute am längsten amtierender Bundesliga-Coach) den Job für ein kurzlebiges Engagement bei Al-Ittihad in Saudi-Arabien auf.
Comeback in der 2. Bundesliga endete mit Alkohol-Drama
Nach dem unglücklichen Ende in Nürnberg bekam Höher kein Bundesliga-Engagement mehr, der berufliche Abstieg ging mit persönlichen Turbulenzen einher: Höher geriet in Finanznot, nachdem er sich in der Nachwendezeit mit Immobiliengeschäften im Osten verspekulierte, er musste 1990 den Unfalltod seines ältesten Sohns Markus verkraften, litt jahrelang an Spielsucht und Alkoholproblemen.
Aufgrund seiner dadurch angeschlagenen Gesundheit scheiterte 1996 ein Trainer-Comeback unter Aufsehen erregenden Umständen: Am ersten Arbeitstag beim Zweitligisten VfB Lübeck brach Höher entkräftet zusammen - sein Alkoholproblem wurde infolgedessen öffentlich und beschädigte seinen Ruf unumkehrbar.
„Ich wehre mich dagegen, in die Säuferkiste gesteckt zu werden“, reagierte Höher damals in einem öffentlichen Schreiben, das alles eher nur schlimmer machte: „Fest steht, dass ich alkoholgefährdet bin. Aber ich kann zwischen Freizeit und Beruf unterscheiden.“
Er sei „am Wochenende vor der Verpflichtung in Lübeck versackt. Um aus dem Kreis auszubrechen, habe ich eine Gewaltkur angewendet. Ich habe an dem Morgen nicht gefrühstückt und war stattdessen im Fitnessraum. Anschließend habe ich auf nüchternen Magen acht Kapseln eingeworfen, die das Bedürfnis nach Alkohol beseitigen sollten.“
„Spieltage“ als literarisches Denkmal
Höher wurde entlassen und bekam nie wieder einen Trainerjob, arbeitete dafür später als Nachwuchsbetreuer bei der SpVgg Greuther Fürth. 2010 überwand er die Alkoholprobleme aus eigener Kraft.
Durch die Offenheit und Erzählfreude, mit der Höher Autor Reng dann aus seinem Leben berichtete, half er mit dabei, sich selbst und der von ihm geprägten Bundesliga-Ära ein literarisches Denkmal zu setzen.
Er habe „auch in schweren Zeiten auf die Sonnenseite gesehen“, sagte Höher einmal dem Regionalportal Nordbayern: Gewiss habe er sich immer mal wieder „bei dem Gedanken ertappt, was vielleicht möglich gewesen wäre, wäre manches etwas anders gekommen. Der Gedanke verfliegt schnell wieder.“
Heinz Höher starb am 7. November 2019 nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren.