Highlights in Hülle und Fülle brachte Leverkusen am Samstag wahrlich nicht zustande. Nach der Demütigung in Liverpool und bloß einem Sieg aus den vorangegangenen fünf Bundesliga-Spielen war die in Bochum überraschend harmlos agierende Werkself kaum mehr stabil und musste einen späten Ausgleich zum 1:1-Endstand schlucken. Neun Punkte beträgt der Rückstand auf die Bayern inzwischen. Logisch, dass es im Team von Xabi Alonso fast nur Verlierer gab - abgesehen von zwei Ausnahmen.
Das Mysterium Patrik Schick
Zum einen war da wie so häufig Florian Wirtz, der ehrgeizige und unermüdliche Kreativkopf, der auch beim Tabellenletzten fast jeden gefährlichen Angriff einleitete und mit seinen scharfen Pässen immer wieder freie Räume schuf. Und zum anderen Patrik Schick, der im Schatten des bis dahin gesetzten Victor Boniface eine Saison zum Vergessen erlebte, nun aber wieder ein gutes Signal an seinen Trainer senden konnte. Eines, das seinen unbedingten Willen nach mehr Spielzeit deutlich machte , absolvierte der Stürmer doch seine wohl beste Partie der vergangenen Wochen.
Nachdem Schick zuvor nur mit seinem Doppelpack im Pokal gegen Elversberg überzeugt hatte, bildete er diesmal mit Wirtz ein auffälliges Gespann. Das frühe 1:0 leitete der 28-Jährige mit einem klugen Laufweg quasi selbst ein, später bereitete er auch die beiden Großchancen von Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo vor.
Schick heizt Konkurrenzkampf an
Dass er im Konkurrenzkampf mit Boniface, der zuletzt in seinen Leistungen nachgelassen und nicht immer die beste Körpersprache gezeigt hatte, wichtige Pluspunkte sammeln konnte, steht außer Frage. Nur das Endergebnis trübte seinen Arbeitstag.
„Es war wieder nicht unsere beste Partie. Wir haben nicht so viele Chancen herausgespielt. Es ist offensichtlich, dass wir viel besser spielen können. Mit einem Punkt sind wir natürlich nicht zufrieden. Es stimmt zwar, dass ich gegen Bochum ein paar Mal getroffen habe“, sagte der tschechische Nationalspieler, der in den vergangenen drei Duellen gegen den VfL insgesamt fünf Tore erzielte, „aber ich würde heute gerne drei Punkte gegen mein Tor eintauschen“. Eine im Fußball nicht unübliche Aussage, die Bescheidenheit ausdrückt, die aber nicht vermittelt, wie sehr Schick der Ehrgeiz eigentlich gepackt hat.
Zumal klar ist, dass der Linksfuß gerade mit aller Macht versucht, seinen Stammplatz zurückzuerobern. Etwas mehr als 500 Minuten durfte Schick in der bisherigen Saison auf dem Rasen stehen, wobei er vor allem in den Topspielen außen vor war. Gegen die AC Mailand und den FC Bayern saß er jeweils über 90 Minuten auf der Bank, in Liverpool wechselte ihn Alonso erst ein, als alles schon zu spät war. Für einen Spieler, der vor nicht allzu langer Zeit als eine der heißesten Aktien der Bundesliga galt und in der Spielzeit 2021/22 insgesamt 24 Tore in 27 Einschätzen schoss, kann das nicht der Anspruch sein. Nun lässt Schick nichts unversucht, um das zu ändern - und riskiert dabei sogar Ärger in seiner Heimat.
Hat Schick keine Lust mehr auf die Nationalmannschaft?
Denn wie bereits im Oktober steht Schick auch im November nicht in Tschechiens Kader für die anstehenden Länderspiele. Als Grund für sein Fehlen wurden in beiden Fällen kleinere „Wehwehchen“ angegeben, Sinn ergibt diese Erklärung allerdings kaum. Schließlich verpasste der Torjäger noch kein einziges Match des Double-Siegers und war seit Wochen weder krank noch verletzt. Dass zwischen ihm und der Nationalmannschaft etwas nicht stimmt, liegt also auf der Hand - was Ivan Haseks Reaktion befeuerte, der in einer Medienrunde sichtlich genervt wirkte, als Nachfragen zu Schick kamen.
„Wir stehen immer in Kontakt mit Patrik. Wenn er zu 100 Prozent fit fühlt, kann er gerne hierher kommen und spielen“, bekräftigte Tschechiens Nationaltrainer, der sich auf Nachhaken der anwesenden Journalisten nicht präziser zu den Gründen und dem Ablauf der Nichtnominierung Schicks äußern wollte. „Ich sage es noch einmal - wir kommunizieren miteinander“, wiederholte Hasek lediglich. „Wenn er das Gefühl hat, dass er der Mannschaft zu 100 Prozent helfen kann, wird er auf jeden Fall dabei sein, er ist einer unserer besten Spieler“. Verbergen lässt sich der Widerspruch zwischen Realität und gebrachter Argumentation dennoch nicht.
Auch die tschechischen Medien äußern sich skeptisch, so fragte die Tageszeitung Mladá fronta Dnes: „Der Fall Schick. Warum ist er nicht für die Nationalmannschaft fit, kann aber in der Bundesliga spielen?“ Eine Antwort glaubt das Online-Portal iSport.cz zu kennen. Ihren Informationen zufolge fühle sich der Leverkusener Stürmer unter Hasek einfach nicht wohl. Dessen Spielweise bringe seine Stärken nicht wie gewohnt zur Geltung, Selbstvertrauen habe Schick deshalb zuletzt in der tschechischen Auswahl nicht getankt. Eine Vermutung, die vor allem in seiner Heimat für reichlich Zündstoff sorgt.
„Das war sehr amateurhaft“
Wenn der Topstar nicht kommt, ist das nun mal ein brisantes Thema - und wirft ein schlechtes Licht auf beide Seiten. „Um Patrik Schick und die Nationalmannschaft ist ein unnötiges Hickhack entstanden, das sowohl dem Spieler als auch dem Team schadet“, schrieb iSport.cz weiter. Pavel Štastný, Chefredakteur der Website, beklagte dazu die fragwürdige Art und Weise, wie die Gemengelage kommuniziert wurde. „Das war sehr amateurhaft. Man kann nicht sagen, dass er verletzt ist, wenn er in Deutschland spielt“, stellte er klar.
Der Fall Schick ist in Tschechien zweifellos ein sehr komplizierter. Dass eine Reise zum Nationalteam für ihn derzeit nicht die höchste Priorität hat, scheint klar zu sein. Vielmehr möchte er sich in Leverkusen im Training bei Xabi Alonso empfehlen, um seine Einsatzchancen im Verein weiter zu erhöhen. Ob ihm das gelingt und er an seine guten Leistungen in Bochum anknüpfen kann, bleibt abzuwarten. Der Rummel um seine Person dürfte in jedem Fall anhalten.