Liebe Fußball-Freunde,
Ein beeindruckendes Lebenszeichen
was war das für ein wichtiger Erfolg für Borussia Dortmund! Mit dem 2:1-Sieg gegen RB Leipzig haben die Schwarz-Gelben ihren Negativlauf vorerst stoppen können und nach zwei trostlosen Auftritten in Augsburg und Wolfsburg ein Lebenszeichen gesendet.
Mir hat der Auftritt des BVB gefallen und vor allem eine Sache verdeutlicht: Die Mannschaft ist intakt. Dortmund hat gegen bis dahin ungeschlagene Leipziger einen couragierten Auftritt hingelegt und hätte auch mehrfach in Führung gehen können. Jedoch erzielte Leipzig in der 27. Minute das 1:0, aber der BVB ist nicht auseinandergefallen und hat nur drei Minuten später prompt geantwortet.
Ich war tief beeindruckt, wie jeder Spieler für den anderen gekämpft hat - und genau darum geht es im Fußball. Herausheben will ich vor allem eine Aktion von Serhou Guirassy, der mit letzten Kräften über 60 Meter nach hinten sprintete und sich in einen Defensivzweikampf warf, um den Ball zurückzuerobern. Das war sinnbildlich für die Mentalität, die der BVB an den Tag gelegt hat. Das sind die Zeichen an die Mannschaft und auch an das Publikum, dass man eine Einheit ist, die funktioniert.
Der Sieg kann die Wende bringen
Neben Guirassy will ich beim BVB noch zwei weitere Akteure hervorheben, die mir gegen Leipzig sehr gut gefallen haben. Maximilian Beier hatte mit seinem Tor und seiner Vorlage einen extrem großen Anteil am BVB-Sieg, beide Aktionen waren auch sehr wichtig für ihn und seine Entwicklung. Bislang hatte er noch nicht das glücklichste Händchen in Dortmund, er ist ein hervorragender Spieler mit großem Potenzial.
Auch Emre Can hat gegen die Sachsen ein unglaubliches gutes Spiel gezeigt. Das, was der 30-Jährige abgeliefert hat, war eine Eins mit Sternchen. In seiner schwierigen Situation, in der er Tag für Tag auf die Ohren bekommen hat, hat er die Kapitänsbinde an sich gerissen und ist auf dem Platz vorangegangen. Das verdient großen Respekt, das war herausragend.
Natürlich muss man sich auch eingestehen, dass Leipzig nicht sein bestes Spiel gezeigt hat. Es war vermutlich sogar die schwächste Saisonleistung der Sachsen. Trotzdem musst du sie als Mannschaft auch erst einmal dort hinbringen, dass sie ihre Stärken nicht ausspielen können. Das hat Dortmund geschafft. Der Sieg gegen Leipzig kann die Wende bringen, um bis zum Winter eine Serie zu starten.
Kompany wird sein System anpassen müssen
Neben Borussia Dortmund hat auch der FC Bayern einen Sieg einfahren können. Das Team um Cheftrainer Vincent Kompany hat mit einem 3:0-Sieg gegen Union Berlin klar aufgezeigt, welche Mannschaft in dieser Saison der große Favorit auf die Deutsche Meisterschaft ist.
Nach neun Spieltagen hat Bayern schon 32 Tore erzielt, das sind im Schnitt über drei Tore pro Spiel. 1971/72 trafen die Bayern 101 Mal ins Schwarze, das ist bis heute Bundesliga-Rekord. Wenn die Bayern so weiter machen, liegen sie deutlich auf Kurs, eine neue Bestmarke aufzustellen. Ich bin mir aber sicher, dass das die Spieler gar nicht im Kopf haben, weil es auch keine Rolle spielt. Über allem steht die Deutsche Meisterschaft, die alle Beteiligten zurück nach München holen wollen.
Gegen Union glänzte vor allem mal wieder Harry Kane. Der Engländer traf doppelt und bereitete das Tor durch Kingsley Coman sogar noch direkt vor. Er ist nicht nur ein Vollstrecker wie es einst Gerd Müller war, sondern er macht seine Mitspieler besser, in dem er sie perfekt in Szene setzt. Dass er sich auch oftmals ins Mittelfeld fallen lässt, ist ein ganz wichtiger Faktor seines Spiels. Seine Form ist außergewöhnlich.
Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass die Meisterschaft meist nicht in der Offensive gewonnen wird. Entscheidend ist deine Defensive und wie du als Verbund nach hinten arbeitest. So wurde auch Leverkusen mit nur 24 Gegentoren in der vergangenen Saison Meister, das ist der Schlüssel zum großen Erfolg. Ohne diesen Schlüssel bringt dir eine gute Offensive nichts.
Und genau darauf wird es beim FC Bayern ankommen - gerade in den großen Spielen. In Barcelona sind sie mit vier Gegentoren unter die Räder gekommen und auch in Frankfurt gab es nach drei Gegentoren keinen Sieg. Wenn die Qualität in der Champions League ab März oder April höher wird, muss Kompany sein System anpassen. Dann wird das hohe Pressing auch öfter bestraft als in der Bundesliga wie gegen Teams wie Bochum, Mainz oder Union Berlin, das ist klar.
Wenig Hoffnung für Bochum
Viele Gegentore kassierte am Wochenende vor allem der VfL Bochum, der nach einem 2:7-Debakel in Frankfurt am Tabellenende verharrt. Nach neun Spieltagen hat der VfL lediglich einen Punkt sammeln können, Bochums Rückstand auf den Relegationsrang beträgt bereits sieben Punkte. Dazu kommt noch ein katastrophales Torverhältnis von 9:29, so wird es schwer, unten wieder rauszukommen.
Im Vergleich zum VfL sehe ich bei Vereinen wie Kiel oder St. Pauli eine Mannschaft, die lebt. In Bochum habe ich überhaupt nicht das Gefühl, etwas sehen zu können, das mir Hoffnung gibt. In diesem Jahr wird es für den Klub sehr eng, ich rechne mit einem direkten Abstieg in die 2. Liga.
Mit Frankfurt hatte Bochum auch einen super starken Gegner, der nach neun Spieltagen auf Platz drei in der Tabelle steht. Sie haben mich mal wieder beeindruckt, haben hervorragend gespielt und stehen zurecht auf so weit oben in der Tabelle. Ich bin gespannt, ob sie dieses Niveau halten können oder ob irgendwann auch ein Knick kommen wird.
Bis bald
Euer Stefan Effenberg
Stefan Effenberg hat 2001 mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen. Mit den Bayern und Borussia Mönchengladbach wurde er zudem mehrmals Deutscher Meister und Pokalsieger. Seit Sommer 2018 gehört der 56-Jährige zum festen Experten-Team des STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1.