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"Der FC Bayern ist auch ein wirtschaftlicher Gigant": VfB-Boss Wohlgemuth im Interview!

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"Der FC Bayern ist auch ein wirtschaftlicher Gigant": VfB-Boss Wohlgemuth im Interview!

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„Bayern wird seine Gründe gehabt haben“

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht VfB-Boss Fabian Wohlgemuth über den aktuellen Kader, den „VfB Deutschland“ und den Süd-Schlager gegen den FC Bayern.
Der VfB Stuttgart stellt in der Nationalmannschaft inzwischen eine Vielzahl an Spielern. Werden die Schwaben damit sogar dem FC Bayern gefährlich?
Reinhard Franke
Reinhard Franke
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht VfB-Boss Fabian Wohlgemuth über den aktuellen Kader, den „VfB Deutschland“ und den Süd-Schlager gegen den FC Bayern.

Der VfB Stuttgart schwimmt derzeit wieder auf einer Welle der Euphorie. Das war im Sommer so nicht vorhersehbar, nachdem die drei Leistungsträger Hiroki Itō, Waldemar Anton und Serhou Guirassy den Verein verlassen hatten.

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Doch Sportvorstand Fabian Wohlgemuth ist es erneut gelungen, einen schlagkräftigen Kader auf die Beine zu stellen. Und siehe da: Der „VfB-Deutschland“ sorgt für Aufsehen. Beim Länderspiel gegen die Niederlande überzeugten mit den Newcomern Angelo Stiller und Jamie Leweling gleich zwei VfB-Spieler in der deutschen Nationalmannschaft. Der dritte Stuttgarter, Deniz Undav, gehört schon länger zum Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Seine Torquote nach der EM kann sich sehen lassen: Der 28-Jährige erzielte drei Tore in zwei Spielen. Außerdem stand Alexander Nübel in Bosnien erstmals im Tor der Nationalmannschaft. Vor dem Topspiel gegen den FC Bayern am Samstag (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Wohlgemuth im Exklusiv-Interview mit SPORT1.

SPORT1: Herr Wohlgemuth, der VfB reist als Tabellenachter nach München. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?

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Fabian Wohlgemuth: Wir haben viele Herausforderungen. Es gibt eine höhere Belastung durch die größere Wettbewerbsdichte, wir haben mehr Spiele und internationale Gegner. Zudem müssen wir mit einer veränderten Erwartungshaltung umgehen. Vor allem wird häufig der Vergleich zur letzten Saison gezogen. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren ist das aktuelle Ergebnis durchaus in Ordnung. Dass es auch Schwankungen geben würde, damit haben wir gerechnet. Wir müssen uns nicht nur mit gestiegenen körperlichen Anforderungen auseinandersetzen, sondern sind auch in Sachen Einstellung, bei der gedanklichen Vorbereitung und in Willensfragen anders herausgefordert als noch im letzten Jahr. Es war zum Beispiel nicht einfach, sich nach der Niederlage gegen Real Madrid direkt auf das Spiel gegen Borussia Dortmund einzustellen.

SPORT1: Der BVB wurde mit 5:1 deklassiert. Zeigt das nicht die mentale Stärke des VfB?

Wohlgemuth: Schon. Und trotzdem gibt es keinen Grund euphorisch werden. Es sind gerade sechs Spieltage in der Liga absolviert. Wir dürfen uns nicht zu sehr vom Augenblick leiten lassen - weder bei unserer Stimmung noch bei der Bewertung der Gesamtsituation. Dortmund war eine sehr positive Rückmeldung, doch wir müssen uns zwingen, den Bogen weiter zu spannen. Dazu sollten wir mit analytischem Blick auch auf das schauen, was insgesamt noch ausbaufähig ist, beispielsweise unsere Effektivität vor beiden Toren. Wenn wir hier nur eine Partie in den Fokus nehmen, werden wir nicht dir richtigen Schlüsse ziehen. Es geht um Konstanz auf gehobenem Level. Das ist der Entwicklungsschritt, den wir in diesem Jahr brauchen.

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Wohlgemuth schwärmt von Leweling

SPORT1: Nerven Sie eigentlich die Vergleiche mit der vergangenen Saison?

Wohlgemuth: Nein, denn wir wussten, dass sich der Trend der vergangenen Spielzeit nicht beliebig fortsetzen lässt. Viele Vorzeichen sehen heute komplett anders aus. Es hat beispielsweise tiefgreifende Veränderungen in der Zusammensetzung unseres Kaders gegeben. Wir müssen bereit sein, uns vieles neu zu erarbeiten. Insofern braucht auch diese Saison eine faire Chance. Das zurückliegende Jahr kann nicht allein zum Maßstab gemacht werden, zumindest in unserer internen Bewertung. Dass wir uns nicht ganz von der öffentlichen Erwartung freimachen können, ist auch klar.

SPORT1: Lassen Sie uns über Jamie Leweling sprechen. Haben Sie ein solches DFB-Debüt oder eine derartige Entwicklung erwartet?

Wohlgemuth: Das Tempo, mit dem er sich entwickelt hat, ist außergewöhnlich. Dass er ein athletischer und physischer Spieler ist, wussten wir bereits aus seiner Zeit in Fürth. Aber die Art und Weise, wie sich Jamie entwickelt hat, sieht man selten. Er war in der Lage, in extrem kurzer Zeit, sein eigenes Repertoire zu erweitern; besseres Entscheidungsverhalten, mehr Ballsicherheit, Abschlusseffektivität - Jamie zeigt jetzt viel mehr als damals, als er zu uns kam. Auch im Spiel gegen den Ball hat er enorme Fortschritte gemacht. Jamie ist ein Charakter-Spieler, er gibt immer 100 Prozent und ist eine absolute Bereicherung für uns. Alles ist umso erstaunlicher, als er eine durchaus schwierige Startphase bei uns hatte.

SPORT1: Warum?

Wohlgemuth: Jamie saß bei Union häufig auf der Bank und hatte bei uns zunächst Silas als Konkurrenten vor sich. Aber Jamie hat mit unglaublicher Konsequenz an sich gearbeitet. Es ist auch genau das, was das Publikum früh gespürt hat; da ist einer, dem gelingt nicht gleich alles, aber der gibt niemals auf. So hat er eine besondere Dynamik in seine Entwicklung gebracht. Und genau hier muss er weitermachen.

SPORT1: Haben Sie sich nach seinem Siegtor gegen die Niederlande beim Jubeln eine Beule geholt, oder blieb alles unversehrt?

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Wohlgemuth: (lacht) Ich habe mich nicht verletzt, da bin ich ganz gefestigt. Genau so ein Tor traue ich Jamie einfach zu. Man stelle sich vor: Ein Spieler debütiert in der Nationalmannschaft und trifft nach wenigen Sekunden. Aufgrund einer Millimeter-Entscheidung wird dieser unfassbare Augenblick kurze Zeit später wieder durch den Schiedsrichter einkassiert. Aber Jamie hat sich davon nicht runterziehen lassen, sondern eine ausgezeichnete Leistung abgeliefert und dann das persönliche Erfolgserlebnis auch ein Stück erzwungen. Das beschreibt diesen Spieler schon sehr gut.

Stiller? „Hat mich nicht groß überrascht“

SPORT1: Auch Angelo Stiller hatte ein tolles DFB-Debüt, oder? Er musste bei den Medienvertretern lachen, als er sagte, dass er vorher im Bus vor Nervosität etwas stiller war. Wie haben Sie ihn gesehen?

Wohlgemuth: Das, was er bei uns zeigt, hat er in der Nationalmannschaft sofort zeigen können. Angelo war sofort im Spiel, war Stratege und Mittelfeldmotor. Seine Stärken, die bei uns zum Tragen kommen, hat man auch gegen die Niederlande direkt gesehen. Sein Auftritt ohne Anlaufschwierigkeiten hat mich nicht groß überrascht, weil ich ihm das einfach zutraue.

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SPORT1: Stiller spielte einst bei Bayern II. Bereut man dort bis heute, ihn nicht gehalten zu haben? War das ein großer Fehler der Münchner?

Wohlgemuth: Am Ende trifft jeder seine Entscheidungen für sich, und der FC Bayern wird seine Gründe gehabt haben. Es ist der Lauf der Dinge, dass man statistisch jedes Jahr Spieler abgibt, die sich anderswo besser entwickeln. Ich mache den Job auch schon seit einigen Jahren, und solche Themen gibt es im Nachwuchsbereich immer wieder.

Nagelsmann? „Er wird seine Gründe haben“

SPORT1: Deniz Undav kommt super an, aber Julian Nagelsmann sagt, elf Undavs gehen auch nicht.

Wohlgemuth: (lacht) Hat er das gesagt? Er wird seine Gründe haben. Elfmal Deniz wäre sicher nichts für schwache Nerven. Die richtige Mischung ist das Geheimnis einer guten Mannschaft. Und mindestens einmal Deniz scheint der Mischung außerordentlich gutzutun.

SPORT1: Sie müssen sehr froh sein, dass Undav fest verpflichtet werden konnte. Oder?

Wohlgemuth: Natürlich. Wir haben einen Stürmer, der sowohl bei uns als auch in der Nationalmannschaft Tore schießt. Wir sind froh, dass wir Deniz bei uns haben. Er spielt nicht nur auf dem Platz eine wichtige Rolle, sondern auch innerhalb des Mannschaftsgefüges und außerhalb des Platzes.

SPORT1: Nagelsmann nannte Undav einen „echt coolen Fetzen“. Was gefällt Ihnen an ihm?

Wohlgemuth: Deniz fetzt tatsächlich. Er kann schnell umschalten - von totaler Anspannung auf absolute Lockerheit - alles aber zu seiner Zeit. Das Visier ist offen bei ihm. Er verstellt sich nicht und macht sich und niemandem etwas vor. Man würde ihm Unrecht tun, ihn auf die Rolle des Tore schießenden Spaßmachers zu reduzieren. Er hat seine sehr ernsthaften Momente und steuert die Gruppe mit Geschick und Gespür.

„Bayern in Deutschland das Maß aller Dinge“

SPORT1: Warum sollte Alexander Nübel die Nummer 1 sein und nicht Oliver Baumann?

Wohlgemuth: Sehr direkt gestellt, die Frage. Alex war ein Garant für unseren sportlichen Positiv-Trend und den Erfolg in der vergangenen Saison. Er ist auch heute eine der tragenden Größen in unserem Team. Wir freuen uns, wenn er bei der Nationalmannschaft im Tor steht. Das entscheidet am Ende aber Julian Nagelsmann.

SPORT1: Jetzt ist aufgrund der zahlreichen Nationalspieler schon vom „VfB Deutschland“ die Rede - der dem FC Bayern gefährlich werden kann?

Wohlgemuth: Wie gesagt, wir sollten vorsichtig sein und uns nicht jede Jacke anziehen, die man uns hinhält. Wir sind der VfB Stuttgart und verfolgen langfristig unsere Ziele. Es ist ein langer Weg zurück dahin, wo der Anspruch dieses Vereins traditionell immer gelegen hat. Die vielen positiven Rückmeldungen aktuell werden uns den Blick nicht dafür verstellen, dass wir noch eine weite Strecke vor uns haben. Der FC Bayern ist in Deutschland das Maß aller Dinge. Im vergangenen Jahr war für uns dort wenig zu holen, aber wir fühlen uns sehr gut vorbereitet.

„VfB Deutschland“? „Wir sollten auf dem Teppich bleiben“

SPORT1: Die Frage zielt nicht nur auf den Samstag, sondern auch auf die Zukunft…

Wohlgemuth: „VfB Deutschland“? Wir sollten auf dem Teppich bleiben. Demut war nicht nur ein Slogan für die vergangene Saison. Der FC Bayern ist nicht nur ein sportlicher, sondern eben auch wirtschaftlicher Gigant, der über Jahrzehnte zu dem geworden ist, was wir heute sehen. Wir selbst haben vor zwei Jahren noch mehr in Richtung Zweite Liga geschielt als nach oben. Unsere Story der vergangenen Monate ist gut. Wir sind selbstbewusst, werden aber jetzt ganz bestimmt nicht Mut mit Größenwahn verwechseln. Die Favoritenrolle ist eindeutig vergeben.

SPORT1: Wie nehmen Sie Sebastian Hoeneß vor diesem Spiel wahr? Sein Vater wird natürlich auf der Tribüne sitzen.

Wohlgemuth: So, wie ich ihn immer wahrnehme. Er konzentriert sich auf die Aufgabe und geht sehr professionell mit den aufkommenden Emotionen um. Unabhängig von seinem gedanklichen Innenleben will er das auf die Mannschaft übertragen, was sie braucht. Damit beschäftigt er sich ausschließlich.

SPORT1: Ist die Befürchtung da, dass der FC Bayern und der BVB weitere Stars weg kaufen - wie Ito, Guirassy und Anton?

Wohlgemuth: Dass Spieler uns zu Vereinen verlassen, die zum jeweiligen Zeitpunkt eine höhere Wirtschaftskraft haben, gehört dazu. Ob es dann diese beiden Klubs sein werden, ist erstmal unerheblich. Unser Anspruch ist es, mittelfristig wirtschaftlich so zu wachsen, dass wir stetig unabhängiger darüber entscheiden können, ob wir sportliche Substanz veräußern oder nicht. Daran arbeitet der gesamte Klub und hat in den vergangenen Monaten gleich mehrere Meilensteine genommen; Stichwort: Weltmarkenbündnis.