Max Eberls Wut war spürbar, als er in den Katakomben der Frankfurter Arena den anwesenden Reportern gegenübertrat. Kein Wunder, denn die Bayern hatten die Eintracht fast das gesamte Spiel über dominiert, hatten alle statistischen Werte auf ihrer Seite und gingen doch nur mit einem Remis vom Platz.
Mit Vollgas ins Verderben?
Zweifel an der Marschroute von Trainer Vincent Kompany sind trotzdem verboten.
„Wir werden nicht für das belohnt, was wir geleistet haben“, sagte der Sportvorstand und erklärte, dass es nicht am Toreschießen gelegen habe, sondern daran, dass man 50:50-Duelle besser verteidigen müsse. Eberl unterstrich zudem all die positiven Dinge im bayerischen Spiel.
Bayern dominiert – und gewinnt doch nicht
Und in der Tat: In den ersten 20 Minuten und auch über weite Strecken des Spiels hatten die Frankfurter am Rande eines Debakels gestanden. So überlegen war der Rekordmeister.
„Wann ist der FC Bayern mal sechs Kilometer mehr gelaufen in Frankfurt? Wann hat Bayern in Frankfurt so dominant gespielt? Noch nie! Das ist der Zweite der Bundesliga gewesen und wir erdrücken sie. Das Einzige, was uns richtig ankotzt, ist das Ergebnis“, schimpfte Eberl und machte deutlich, dass man von der FCB-Identität der Dominanz auch nach drei nicht gewonnenen Spielen in Folge nicht abrücken werde.
„Identität legt man nicht ab“, so der Glaubenssatz des 51-Jährigen.
Vorne hui, hinten pfui?
Fakt ist: Offensiv agieren die Bayern so, wie sie sich selbst am liebsten sehen. Furchtlos, dominant und mit viel Freude am Fußball. Fakt ist aber auch: Drei Tore zu kassieren gehört nicht zur Identität des Rekordmeisters. Und Siege sind eigentlich immer ein Muss.
Umso überraschender, dass Joshua Kimmich die Probleme eher vorne statt in der Defensive verortet. „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir hinten das Problem haben, sondern dass wir das Problem haben, das Spiel früher zu entscheiden“, sagte der Nationalspieler.
Er will – wie das komplette Team – an der taktischen Ausrichtung festhalten. Risiko inbegriffen. „Das ist die Art, wie wir Fußball spielen wollen“, sagt Kimmich. Die Gegentore seien nicht irgendeiner Naivität geschuldet.
Müller von Spielweise begeistert
Es ist eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Analyse nach einem 3:3, aber so denkt die gesamte Mannschaft. Thomas Müller sprach bereits nach dem 9:2-Kantersieg gegen Dinamo Zagreb davon, dass es ein guter Deal sei, hinten ab und zu einen Treffer zu kassieren und dafür vorne viele Tore zu erzielen. Am Sonntagabend äußerte er sich bei DAZN ähnlich.
„Das am Ende (gemeint ist der Ausgleichstreffer; Anm. d. Red.) ist dann nicht clever. Dann hätten wir über einen wunderbaren Sieg diskutiert, der vielleicht 7:3 hätte ausgehen können. Wir haben jetzt dreimal nicht gewonnen. Aber in dieser Krise befinde ich mich sehr gerne“, sagte Müller.
Es wird klar: Die Bayern wollen es nicht anders. Aber angesichts von Gegnern, die noch einmal mehr Qualität als die Frankfurter Eintracht haben, stellt sich durchaus die Frage, ob die Münchner nicht mit Vollgas ins Verderben rennen.
Bayern muss Risiko abwägen
„Der FC Bayern muss sich selbst hinterfragen, inwieweit sie den Ballbesitz hochstehend forcieren, um hinten anfällig zu bleiben. Das hat Eintracht Frankfurt vor allem in der ersten Hälfte eindrucksvoll ausgenutzt und mit minimalem Aufwand höchstmöglichen Ertrag erzielt“, sagte der TV-Experte.
Man müsse sich auch die Frage stellen, ob man auch gegen stärkere Gegner das gleiche Risiko eingehe.
Bayern braucht Balance
Die Saison ist noch jung, die Bayern sind Tabellenführer. Es ist noch genug Zeit, die Balance zu finden. So sieht es auch Kimmich, der den Münchner Spielansatz vehement verteidigt.
„Wir müssen es schaffen, dass wir früher die Spiele entscheiden. Dann sinkt auch die Moral der Gegner. Die Frankfurter waren selbst davon überrascht, wie dominant wir waren“, sagte der 29-Jährige. Und weiter: „Wir sind auf einem sehr guten Weg. Es fühlt sich sehr gut an auf dem Platz. Es macht sehr, sehr viel Spaß.“
Zweifeln ist beim FC Bayern verboten. Der Erfolg gibt ihnen recht – denn noch stehen die Münchner an der Tabellenspitze. Das dürfte selbst Max Eberls Wut ein wenig mildern.