Es war eine Nachricht, die für viel Trauer in Fußball-Deutschland sorgte - und auch viel Beklemmung: Rolf Rüssmann starb vor 15 Jahren, die Bundesliga verlor am 2. Oktober 2009 eines ihrer bekanntesten Gesichter.
Das tragische Ende einer Liga-Legende
„Die meisten Fans werden sich an die Zeit ohne Rolf Rüssmann kaum mehr erinnern können“, notierte Martin Volkmar, der damalige Fußballchef von SPORT1.de in einem persönlichen Nachruf: „Irgendwie war er immer schon da.“
Ex-Nationalspieler Rüssmann, der nur 58 Jahre alt wurde, war ein gefürchteter Vorstopper bei Schalke und Dortmund, später ein sportlich und menschlich geachteter Manager bei Borussia Mönchengladbach und dem VfB Stuttgart. Zugleich haftete ihm in beiden Karriere-Abschnitten auch ein Ruf als Unvollendeter an.
„Mit etwas mehr Glück hätte Rüssmann ähnliche Erfolge auf dem Platz wie ein Katsche Schwarzenbeck und später als Manager wie ein Uli Hoeneß feiern können“, meinte Volkmar - doch neben einigen Meilensteinen hatte die Karriere der Liga-Legende auch Schatten.
Bundesliga-Skandal war früher Karriere-Knick für Rüssmann
Rüssmann, geboren am 13. Oktober 1950 in Schwelm im Ruhrgebiet, feierte ab Ende der sechziger Jahre bei S04 den Durchbruch als kopfballstarke Abwehrmacht.
Im Jahr 1972 wurde Rüssmann mit Schalke Pokalsieger und verdiente sich auch seine erste Nominierung durch Bundestrainer Helmut Schön. Er war dicht dran, Teil der goldenen Generation um Franz Beckenbauer zu werden, die schließlich mit dem Gewinn der Heim-WM 1974 eine Ära krönte. Stattdessen kostete ein folgenschwerer Skandal dem jungen Rüssmann nicht nur seinen Platz in der Nationalmannschaft, sondern auch seinen Job in der Bundesliga.
Rüssmann war - wie diverse andere Stars seiner Zeit – verstrickt in die große Manipulationsaffäre um durch Bestechungsgelder an Spieler verschobene Partien im Abstiegskampf der Saison 1970/71.
Die Schalker nahmen damals für einen Geldkoffer mit 40.000 D-Mark Inhalt an, um dafür 0:1 gegen das später in die Regionalliga zwangsversetzte Arminia Bielefeld zu verlieren. Was den Knappen zum Verhängnis wurde: Anders als die Vertreter anderer Klubs leugneten sie in den DFB-Ermittlungen alles und machten sich damit umso mehr zur Zielscheibe des legendären Chefanklägers Horst Kindermann und der Justiz.
Für einen persönlichen Gewinn von je knapp 2300 Mark nahmen Rüssmann und prominente Kollegen wie Rüssmanns guter Freund Klaus Fischer, Klaus Fichtel und Reinhard „Stan“ Libuda einen jahrelangen Rechtsstreit in Kauf. Er endete erst Ende 1975 mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe. „Das war das mieseste Geschäft meines Lebens“, sagte Rüssmann später.
Beim DFB-Team die goldene Ära verpasst
Rüssmann war nicht nur beim DFB jahrelang unten durch, er wurde zwischenzeitlich auch für die Bundesliga gesperrt und wechselte nach Belgien zum FC Brügge. Im Januar 1974 - nachdem rechtliche Bedenken aufkamen - wurde die Sperre aufgehoben, Rüssmann kehrte zu Schalke zurück.
Im Jahr 1977 war Gras über das Thema gewachsen, Rüssmann feierte nach fünf Jahren doch noch sein Länderspiel-Debüt. Er wurde zum Stammspieler bei der WM 1978 in Argentinien, bei der das DFB-Team nicht an den Ruhm der EM- und WM-Siege 1972 und 74 anknüpfen konnten.
Die berühmte, von Hans Krankl herbeigeführte „Schande von Cordoba“ gegen Österreich beendete für Rüssmann die WM und letztlich auch die Nationalmannschaftskarriere. Nach Helmut Schöns Rücktritt berücksichtigte Nachfolger Jupp Derwall Rüssmann nicht mehr.
In der Bundesliga spielte Rüssmann trotzdem noch lange eine tragende Rolle, ab 1980 bei Schalkes Revier-Rivale Borussia Dortmund. Am Ende seiner 1985 nach 16 Jahren und 453 Ligaspielen beendeten Laufbahn war Rüssmann auch BVB-Kapitän.
Gladbacher Meilenstein mit Königstransfer Effenberg
Die zweite Karriere als Manager begann wieder in Gelsenkirchen: Im Februar 1987 beerbte Rüssmann Rudi Assauer nach dessen erster Amtszeit als Schalke-Manager. Nach weniger als sechs Monaten aber warf er nach einem Streit mit Präsident Günter Siebert hin.
Besser lief es ab 1990 bei Borussia Mönchengladbach, wo er nach schwierigem Start (1992 wurde er entlassen, dann aber vom neuen Präsidenten Karl-Heinz Drygalsky zurückgeholt) seine Handschrift anbringen konnte.
Er baute mit den Verpflichtungen von Martin Dahlin, Heiko Herrlich, dem späteren Bayern-Schreck Patrik Andersson und schließlich dem Königstransfer Stefan Effenberg (nach dessen Stinkefinger-Eklat bei der WM 1994) ein schlagkräftiges Team auf. 1995 gelang unter Trainer Bernd Krauss mit dem Gewinn des DFB-Pokals der erste (und bis heute letzte) Gladbacher Titel seit den Triumphen der Siebziger mit Günter Netzer, Berti Vogts und Co.
Der Erfolg verflüchtigte sich jedoch wieder, ein erneuter sportlicher Absturz der Fohlen folgte, gipfelnd in dem Abstieg 1999 - Rüssmann hatte zuvor schon wenige Monate nach Saisonbeginn gehen müssen.
Beim VfB Magath und den „Jungen Wilden“ den Weg geebnet
Im Februar 2001 wurde Rüssmann Manager des damals ebenfalls kriselnden und abstiegsbedrohten VfB Stuttgart - und stellte dabei einige wichtige Weichen: Er bewegte den damals glücklosen Coach Ralf Rangnick zum Rücktritt und installierte Felix Magath als Nachfolger.
Sportlich ging es mit „Quälix“ und den ersten Ausläufern der „Jungen Wilden“ (Timo Hildebrand im Tor, Kevin Kuranyi im Sturm) ab da aufwärts, hinter den Kulissen aber rieb sich Rüssmann in Konflikten mit der Klubführung auf - verschärft durch die noch größer werdenden Sparzwänge durch wegfallende TV-Gelder nach dem Zusammenbruch des Imperiums von Medienunternehmer Leo Kirch.
Rüssmann stritt sich schließlich öffentlich mit dem damaligen Präsidenten Manfred Haas und anderen Klubgranden, sah „alte Seilschaften am Werk, die an allen Ecken und Enden versuchen, mich rauszudrücken“. Ende 2002 wurde Rüssmann gefeuert.
Der zweifache Familienvater Rüssmann blieb dem Fußball durch ehrenamtliche Nachwuchsförderungsarbeit bei DFL verbunden, ehe er an Prostatakrebs erkrankte und sich aus dem öffentlichen Leben schrittweise zurückzog.
Rolf Rüssmann liegt begraben auf dem evangelischen Altstadtfriedhof von Gelsenkirchen.