Gut gelaunt erscheint Giovane Elber zum exklusiven Termin mit SPORT1. Direkt vom Münchner Flughafen kam der 52-Jährige pünktlich im Timehouse-Hotel in Schwabing an, um über ein ganz besonderes Duell zu sprechen.
„Erinnert mich ans magische Dreieck“
Von 1994 bis 1997 spielte er für den VfB Stuttgart, anschließend stürmte der Brasilianer, der auf einer Farm in seiner Heimat lebt, sechs Jahre lang für den FC Bayern. Mit dem Rekordmeister gewann er 2001 die Champions League und wurde zudem viermal Deutscher Meister sowie viermal Pokalsieger. Am Samstag treffen seine Ex-Klubs im Topspiel der Bundesliga aufeinander (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER).
Bei SPORT1 spricht der Markenbotschafter des FC Bayern über den Kracher, die Entwicklung des VfB unter Sebastian Hoeneß, Kritik an der Taktik von Vincent Kompany und verrät, welchem Bayern-Star er den legendären Teppich-Jubel zutraut.
SPORT1: Giovane, am Samstagabend steigt der Südgipfel zwischen Bayern und dem VfB. Ein besonderes Spiel für Sie?
Elber: Na klar. Ich habe für beide Vereine gespielt und kenne beide Seiten. Für die VfB-Fans ist es das Spiel des Jahres. Früher hieß es immer: „Ihr könnt alle anderen Spiele verlieren, aber die Bayern müsst ihr schlagen.“ Leider haben wir das nicht oft geschafft, obwohl wir eine starke Mannschaft hatten. Der VfB spielt seit zwei, drei Jahren richtig guten Fußball. Das erinnert mich an das magische Dreieck mit mir, Fredi Bobic und Krassimir Balakov. Aber es geht nicht nur um drei Spieler, sondern um die gesamte Mannschaft. Das hat Sebastian Hoeneß hervorragend hinbekommen.
Wem Elber beim FC Bayern den Teppich-Jubel zutraut
SPORT1: Wo hatten Sie die schönere Zeit?
Elber: Die schönste Zeit hatte ich beim FC Bayern, weil ich länger in München war und dort viele Titel gewonnen habe. Wir haben die Champions League gewonnen, aber auch einmal im letzten Moment gegen Manchester United verloren. Trotzdem waren auch die drei Jahre beim VfB Stuttgart sehr schön, weil es dort familiärer war. Unter Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder fühlten wir uns wie eine Familie. Dieses familiäre Gefühl ist für uns Brasilianer oder Südländer wichtig, um gut Fußball zu spielen. Beim FC Bayern kam das erst später, als Ottmar Hitzfeld Trainer wurde.
SPORT1: Als Sie sich im Dezember 1998 nach Ihrem Tor gegen den VfL Wolfsburg (Endstand 5:0) im Teppich eingerollt haben, sorgten sie für einen der legendärsten Momente der Bundesliga. War das damals spontan?
Elber: Das war völlig spontan. Für mich war es immer das Wichtigste, das Tor zu schießen - das war schon schwer genug. Der Jubel kam dann ganz von selbst.
SPORT1: Wem würden Sie so etwas heute bei Bayern zutrauen?
Elber: Gnabry macht immer seinen Kochlöffel-Jubel, aber ich traue ihm das mit dem Teppich zu, auch, dass er sich nach einem Tor mal etwas ganz Neues und Besonderes einfallen lässt. Ich liebe Serge Gnabry.
Elber: „Das macht Kompany hervorragend“
SPORT1: Neu bei den Bayern ist seit dieser Saison Vincent Kompany. Wie sehen Sie den Rekordmeister unter ihm?
Elber: Als er kam, dachte ich: „Oh!“ Er hat noch nie ein so großes Team mit so bekannten Spielern trainiert. Aber er hat das super hinbekommen. Schon im Trainingslager und in Korea hat man gesehen, dass er fokussiert ist und Spaß an der Arbeit hat. Wichtig ist bei Bayern, dass die Kommunikation mit den Spielern stimmt - und das macht er hervorragend. Die Ergebnisse passen. Natürlich werden schwierige Zeiten kommen, etwa in der Champions League mit dem Auswärtsspiel in Barcelona. Wir haben ja schon auswärts gegen Aston Villa verloren. Da muss mindestens ein Punkt her. Aber wie die Mannschaft bisher spielt, macht wirklich Spaß.
SPORT1: Er hat unter Pep Guardiola bei Manchester City gespielt, und Guardiola hat ihn sehr gelobt. Glauben Sie, dass er dieses Wissen in seine Trainerarbeit einfließen lassen kann?
Elber: Ja, ganz klar. Er hat viel von Guardiola gelernt. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass er als Trainer erfolgreich wird - nicht jeder gute Spieler wird ein guter Trainer. Jetzt ist er bei uns und muss sich beweisen. Beim FC Bayern geht es jeden Tag um etwas, jedes Spiel muss gewonnen werden. Ich drücke ihm die Daumen, dass er lange bei uns bleibt. In den letzten Jahren haben die Trainer nach ein bis zwei Jahren den Verein verlassen, das kenne ich so nicht vom FC Bayern. In meiner Zeit war Ottmar Hitzfeld mein Trainer, nur ein Jahr Giovanni Trapattoni. Es gab bei Bayern in den vergangenen Jahren zu viele Turbulenzen. Jetzt brauchen wir wieder Ruhe, und ich hoffe, dass diese anhält, damit er in Ruhe arbeiten kann. Man sieht ja, dass er es kann.
SPORT1: Kompany hat sich gegen die Kritik an seinem offensiven Spielstil verteidigt und gesagt, ihn wegen zwei schlechter Ergebnisse zu ändern, wäre blöd. Wie sehen Sie das?
Elber: Er hat absolut recht. Die Mannschaft spielt hervorragenden Fußball. Gegen Aston Villa waren wir nicht schlecht, aber wir haben am Ende ein Tor kassiert und verloren. Wichtig ist, daraus zu lernen.
SPORT1: Also empfinden sie seinen Stil nicht als zu offensiv?
Elber: Nein, Ich finde es nicht zu offensiv. Die Zuschauer wollen Tore sehen, nicht nur verhindern. Kompany hat das gesamte Spielsystem angepasst, und das hat bisher gut funktioniert. Aber wenn es Rückschläge gibt, kommen natürlich sofort die Experten und reden viel zu viel.
Musiala? „Schade, dass du keinen brasilianischen Pass hast“
SPORT1: Jamal Musiala ist am Samstag nicht dabei. Wie schwer wiegt das?
Elber: Schon schwer. Er ist ein herausragender Spieler. Ich habe ihm sogar gesagt: ‘Schade, dass du keinen brasilianischen Pass hast, du würdest perfekt in unsere Nationalmannschaft passen.‘ Er erinnert an die Spieler von früher - voller Fantasie. Er geht in mutige Eins-gegen-Drei-Situationen und oft klappt es. Es ist schade, dass er gegen den VfB fehlt, aber in der Champions League wird er wieder topfit sein.
SPORT1: Sebastian Hoeneß hat mit dem VfB überrascht - wie sehen Sie seine Arbeit?
Elber: Sebastian hat schon bei uns in der U23 gezeigt, was er kann. Als dann der Platz beim VfB frei wurde, hat er übernommen, und die Mannschaft ist fast abgestiegen. Ein Jahr später spielen sie traumhaften Fußball und standen sogar schon an der Tabellenspitze. Mit der Belastung durch Champions League, Meisterschaft und Pokal ist es jetzt nicht einfach, aber er meistert das gut. Er betont immer, dass es vor allem darauf ankommt, dass die Mannschaft funktioniert. Man gewinnt keine Meisterschaft allein oder nur mit einem guten Spieler. Die ganze Mannschaft, von hinten bis vorne, muss harmonieren.
Hoeneß Bayern-Trainer? „Mit Sicherheit“
SPORT1: Glauben Sie, dass Hoeneß irgendwann Trainer beim FC Bayern sein könnte?
Elber: Mit Sicherheit. Er kennt den FC Bayern sehr gut. Aber er hat in Stuttgart noch Zeit, und ich hoffe, dass er dort noch lange bleibt und erfolgreich ist.
SPORT1: Die Nationalmannschaft hatte in der Nations League vier Spieler vom VfB im Kader. Das zeigt die Stärke der Stuttgarter, oder?
Elber: Absolut. Das hätte man nicht gedacht. Aber im Fußball läuft es, wenn alle in Ruhe arbeiten können. Der VfB hat das zuletzt wieder geschafft. Vor ein paar Jahren gab es ständig Stress - Vorstand und Präsidium waren uneins. Dann haben sie gemerkt, dass es nur gemeinsam funktioniert. Jetzt sieht man die Erfolge.
Elber teilt gegen Leverkusen aus
SPORT1: Am Samstag stehen mit Hoeneß und Kompany zwei junge Trainer an der Seitenlinie. Beide haben noch keinen Titel gewonnen. Sehen Sie sie als prägende Trainer für die nächsten Jahre?
Elber: Beide lassen Systeme spielen, die nicht auf reine Defensivarbeit setzen, wie Leverkusen gegen uns, wo alle nur hinten standen und es am Ende 1:1 ausging. Für Bayer war das ein gutes Ergebnis, aber der VfB ist für Offensivfußball bekannt. Ich denke, das Spiel wird in der Offensive entschieden. Wer das besser umsetzt, gewinnt.
SPORT1: Wie wird das Spiel am Samstagabend ausgehen?
Elber: Ich erwarte ein spannendes Spiel. Ich hoffe, es wird nicht so eintönig wie das Bayern-Spiel gegen Leverkusen. Beide Mannschaften werden offensiv spielen, und ich tippe auf ein 3:3 oder 3:2. Für wen, das kann ich nicht sagen, aber Tore werden auf jeden Fall fallen. Der VfB kann definitiv gewinnen. Ihre Leistungen gegen Borussia Dortmund und Real Madrid zeigen, dass sie am Samstagabend erfolgreich sein können.