Die Aufgabe könnte nicht schwieriger sein. Kein Sieg. Nur ein Punkt. Tabellenletzter - und jetzt auch noch dieses knüppelharte Programm: Am Sonntag geht es gegen den FC Bayern München (ab 15:30 Uhr im LIVETICKER), danach folgen die Duelle mit Frankfurt, Leverkusen und Stuttgart. Wenn den Interimslösungen Markus Feldhoff und Murat Ural nichts Außergewöhnliches einfällt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der ohnehin schon angeschlagene VfL Bochum nach dem 11. Spieltag in einer dramatischen Position befindet.
Wird er wieder zum Bayern-Schreck?
Trainerlegende Peter Neururer sprach im SPORT1-Interview bereits Klartext und nannte die Situation „mehr als beschissen“, weil der kommende Übungsleiter seiner Meinung nach „keine Chance“ habe, mit dem Team erfolgreich zu sein, das werde „eine lustige Angelegenheit“. Auch die Worte, die Neururer über die Interimstrainer Feldhoff und Ural wählte, machten nicht unbedingt Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung der Bochumer. Das Duo, sagte der 69-Jährige, hätte bisher keine großartigen Nachweise erbracht, sei aber schlichtweg das einzige, was derzeit zur Verfügung stehe.
Zweifellos geht es in den nächsten Wochen um Schadensbegrenzung. Doch während das Monster-Programm auf einen neuen Trainer wohl hemmend wirken würde, ist es für die Interimscoaches auch die Chance auf einen unbeschwerten Start. Allen voran für Feldhoff, der am Sonntag - so ist es abgesprochen - das Kommando übernehmen wird und mit dem ersten Gegner eine ganz besondere Geschichte verbindet. Immerhin zeigte er als aktiver Spieler vor rund 27 Jahren, wie man die Bayern richtig ärgert.
Feldhoffs Sternstunde gegen die Bayern
Das war am 9. März 1997, als sich sein damaliger Verein Bayer Leverkusen beim 5:2-Sieg gegen die Münchner in einen Rausch spielte. Feldhoff machte die Partie seines Lebens und schoss drei Tore. „Ich war stolz wie Oscar“, erinnerte er sich einmal. „Normalerweise wäre ich gar nicht erst aufgelaufen, Ulf Kirsten und Erik Meijer waren im Sturm gesetzt. Unser Trainer Christoph Daum entschied sich trotzdem anders. Ein taktischer Kniff, denn die Bayern waren überrascht, dass wir mit nur einem Stürmer antraten, der auch noch Markus Feldhoff hieß.“
Schon in der ersten Halbzeit demontierte Leverkusen den schier übermächtigen Gegner, der mit zahlreichen Topstars wie Oliver Kahn, Lothar Matthäus, Mehmet Scholl, Mario Basler oder Jürgen Klinsmann angetreten war, nach allen Regeln der Kunst. Zur Pause stand es 3:0, in der 42. Minute traf auch Feldhoff zum ersten Mal. „Plötzlich machst du Dinge, die niemand von dir erwartet hätte. Plötzlich platzt da ein Knoten. In dem Moment, in dem er platzt, weißt du gar nicht, wie das passiert ist. Nach unseren drei Toren in der ersten Hälfte waren die Bayern richtig gelähmt“, sagte er.
„Doch dann kamen sie noch einmal heran. Und ich war bereits so viel gelaufen - ich war im Grunde schon kaputt, als das 3:2 für die Bayern fiel“, führte der damals 22-Jährige aus. Er wisse noch, dass er schon das Signal zur Auswechslung gegeben hatte, „aber Christoph Daum hat mich weiterspielen lassen und dann habe ich noch zwei Tore gemacht“. Zehn Minuten vor Schluss das zweite. „Kurz darauf erkämpfte sich Zé Elias den Ball und schlug einen langen Pass nach vorne. Thomas Helmer wollte auf Abseits spielen, doch er kam zu spät raus. Und plötzlich stand ich ganz alleine vor Oliver Kahn. Ich ging links vorbei und schob den Ball mit der linken Innenseite ins Tor.“
Schwere Verletzung bremste Bayern-Schreck aus
Dabei traf Feldhoff die Kugel gar nicht wie gewünscht, „denn Helmer hatte wieder Boden gut gemacht und attackierte mich von hinten. Aber der Ball trudelte bereits ins Tor – wie in Zeitlupe“, erzählte der ehemalige Stürmer, der dann endlich Feierabend hatte. „Den Moment, als ich in der 90. Minute ausgewechselt werde, 20.000 Fans aufstehen und applaudieren“, hat der gebürtige Oberhausener noch genau vor Augen. „Ich verließ das Spielfeld wie im Traum, wurde förmlich hinaus getragen.“ Eine Initialzündung für seine Karriere war dieser verrückte Abend auf tragische Weise aber nicht.
Der Grund: Nur zwei Wochen später riss sich Feldhoff das Kreuzband und fiel monatelang aus. „Vorher ging es immer voran. Immer weiter nach oben. In Leverkusen war ich damals auf dem Sprung, war kurz davor mich durchzusetzen, hatte zudem Kontakt zum damaligen Bundestrainer Berti Vogts. Und dann folgte auf den Höhepunkt gegen die Bayern sofort der Knick, von dem ich mich auch nie wieder richtig erholt habe“, blickte er vor vielen Jahren in einem Interview mit 11Freunde auf die schwere Zeit zurück.
Weil ohne die Verletzung weitaus mehr drin gewesen wäre, verspürte Feldhoff lange Wehmut: „Ich hatte damals schon 127 Erst- und Zweitligaeinsätze und habe danach in acht Jahren nur noch 65 Spiele gemacht, da ich immer wieder mit Folgeverletzungen zu kämpfen hatte und nie mehr über einen längeren Zeitraum beschwerdefrei trainieren konnte. Deshalb habe ich meine Karriere auch in der Regionalliga beendet.“ Im Anschluss ging er ins Trainergeschäft und war vor seinem Engagement in Bochum bereits Assistent bei Hertha BSC, Werder Bremen oder dem SC Paderborn.
„Das einfachste Spiel des Jahres“
Nun also das Wiedersehen mit den Bayern, gegen die er - passend zur Historie - sein Debüt als Chef an der Seitenlinie gibt. Die leise Hoffnung auf eine ähnliche Überraschung wie vor 27 Jahren schwebt ihm natürlich im Hinterkopf, auch wenn Feldhoff eher mit dem Mute der Verzweiflung an die Aufgabe herangeht. „Es ist das einfachste Spiel des Jahres, alle freuen sich, auch losgelöst vom Tabellenplatz“, gab der Interimscoach auf der Pressekonferenz zu verstehen - und dürfte damit auf die beiden denkbaren Szenarien anspielen: totale Euphorie oder heftige Klatsche.
Feldhoff aber glaubt an einen befreiten Auftritt seiner Mannschaft. Das Spiel sei „abgekoppelt von Tabellenplätzen. Jeder wird sich freimachen können vom Drumherum“, beteuerte er und will mit einem mutigen Auftritt gegen den Rekordmeister die Gunst der zuletzt oft gefrusteten Fans zurückgewinnen. Für den neuen starken Mann beim VfL scheint es kein knüppelhartes Programm zum Start, sondern wirklich eine gute Chance für einen Neuanfang zu sein.