Kaua Morais Vieira dos Santos, kurz: Kaua Santos - dieser Name war bis zum vergangenen Wochenende wohl nur den wenigsten Zuschauern der Bundesliga ein Begriff. Die etatmäßige Nummer eins im Tor von Eintracht Frankfurt hört schließlich auf den Namen Kevin Trapp.
Trapp-Ersatz mit tragischer Geschichte
Weil der SGE-Kapitän während der Partie gegen Wolfsburg allerdings aufgrund einer Oberschenkelverletzung vom Platz musste, kam der 21 Jahre alte Ersatzkeeper aus Brasilien zu seinem Debüt in der Bundesliga - und überzeugte auf ganzer Linie.
„Das ist brasilianisches Selbstbewusstsein“, sagte Eintrachts Sportdirektor Timmo Hardung nach dem 2:1-Sieg seiner Hessen in Wolfsburg, angesprochen auf das Debüt von Santos. Schließlich hatte man dem Brasilianer nach seiner Einwechslung in der Halbzeit zu keiner Sekunde anmerken können, dass er gerade das erste Mal in der höchsten deutschen Spielklasse zwischen den Pfosten steht.
„Das war für ihn ein sehr besonderer Moment“
Voller Selbstvertrauen hatte Santos am Spielaufbau der Hessen teilgenommen, seinen Mitspielern Anweisungen erteilt und reihenweise Flanken der Wolfsburger aus der Luft gepflückt. Glanzparaden blieben zwar aus, allerdings nur, weil die Hausherren zu keinen nennenswerten Abschlüssen kamen. Beim Gegentreffer von Ridle Baku zum zwischenzeitlichen 1:1 hatte er keine Chance.
„Das war für ihn ein sehr besonderer Moment. Er hat Ruhe ausgestrahlt, war bei Flanken früh draußen. Für das erste Spiel war das eine sehr gute Leistung“, lobte Krösche den Debütanten, auf den sich die SGE in den kommenden Wochen wohl noch häufiger verlassen muss. Schließlich ist mittlerweile klar, dass Trapp durch seine Oberschenkelverletzung mehrere Wochen fehlen wird.
Natürlich ist der Ausfall des Kapitäns ein herber Verlust, in Santos haben die Verantwortlichen aber großes Vertrauen. „Kaua hat das gemacht, was wir von ihm in den vergangenen Monaten im Training gesehen haben. Er ist ein Torwart, der sehr mutig agiert“, lobte Trainer Dino Toppmöller den etatmäßigen Trapp-Backup, von dem Torwarttrainer Jan Zimmermann intern schon länger schwärmt.
Santos war Ende August 2023 für 1,6 Millionen Euro vom brasilianischen Traditionsverein Flamengo Rio de Janeiro an den Riederwald gewechselt, die Eintracht stattete ihn mit einem Vertrag bis 2028 aus. Dass er als Keeper Kapitän von Flamengos U20 war, sage „viel über die Persönlichkeit aus“, sagte Zimmermann bei der Vorstellung vor über einem Jahr.
Geprägt wurde Santos in seiner Jugend von einem Schicksalsschlag. Im Alter von neun Jahren verstarb seine Mutter. „Natürlich ist das eine schlimme Sache, aber meine Großmutter und meine Tante waren immer da für mich, auch als meine Mutter noch lebte. Ich habe immer gesagt: ‚Ich habe drei Mütter‘“, erklärte der Keeper während seiner Zeit bei Flamengo.
Santos ließ sich nicht aufhalten, entwickelte sich zu einem Toptalent.
Neben seiner Kernkompetenz, die gegnerischen Bälle abzuwehren, hat der Youngster auch mit der Kugel am Fuß einiges zu bieten. Im Alter von sieben Jahre begann Santos mit dem in Brasilien weit verbreiteten Futsal und eignete sich dadurch eine beachtliche technische Sicherheit an. Fußballerisch sei er „auf engstem Raum außergewöhnlich sicher“, lobte Zimmermann seinen Schützling.
Torwarttrainer lobt den Freiburger Weg
Verschwiegen werden sollte jedoch nicht, dass der Keeper in der vergangenen Saison in Frankfurts Regionalligateam einige Leichtsinnsfehler unterliefen. Zimmermann verdeutlichte im Kicker bereits vor der neuen Saison, was es damit auf sich hat - und wie er diese abstellen will.
„Wir haben im letzten Jahr extrem daran gearbeitet, die brasilianische Mentalität auf Bundesliga-Seriosität zu bringen“, schildert der Torwart-Coach. „Die Konsequenz von Fehlern wird im Ausland ganz anders bewertet. In der Bundesliga musst du eine Lösung finden, die zehn von zehnmal funktioniert. Von mir aus auch 98 von 100 Mal. Die nötigen Fähigkeiten hat Kaua. Jetzt geht es um die Entscheidungsfindung, dass er die jeweilige Technik und Taktik so wählt, dass er da hinkommt.“
Dass es erfolgreich sein kann, einem jungen Torwart auch dann der Rücken zu stärken, wenn er einen Fehler macht, beweist aktuell der SC Freiburg. Die Breisgauer ließen sich von einigen anfänglichen Patzern ihres jungen Keepers Noah Atubolu nicht abschrecken und setzten weiter auf ihn - mit Erfolg.
„Ich finde es gut, wie sie Noah Atubolu aufgebaut, ihm das Vertrauen geschenkt haben und nicht beim ersten Gegenwind umgekippt sind. Das ist für mich ganz, ganz wichtig in der Entwicklung des Torwarts“, lobte Zimmermann.
Eine ähnliche Entwicklung wird auch Kaua Santos in Frankfurt zugetraut - auch wenn der junge SGE-Keeper nach Trapps Genesung wohl erstmal wieder ins zweite Glied rücken wird. Unstrittig ist aber jetzt schon, dass ihm mittelfristig die Nachfolge des deutschen Nationalkeepers in Frankfurt zugetraut wird.