Es sind harte Einschätzungen eines früheren Klub-Lenkers: Oliver Kahn, Ex-Boss des FC Bayern, hält den deutschen Fußball-Rekordmeister nur für schwer reformierbar. In einer Welt wie in München sei es „sehr schwierig, notwendige Veränderungen anzustoßen und auch mal neue Wege zu gehen“, sagte der 55-Jährige im Interview mit Sports Illustrated.
Kahn mit hartem Urteil über Bayern
Er sei "auch heute noch davon überzeugt, dass die Stellschrauben, an denen wir gedreht haben, absolut die richtigen für den FC Bayern waren", führte Kahn weiter aus, "aber der FC Bayern ist sehr politisch, und die Kräfte wirken aus unterschiedlichen Richtungen. Das in den Griff zu bekommen ist die größte Herausforderung."
Der frühere Weltklassekeeper war bei seinem Ex-Klub 2021 zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen. Im Mai 2023 entließen ihn die Münchner nach internen Differenzen jedoch schon wieder - wie auch den damaligen Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Auf die Frage, ob er am Ende nach seinem Abschied als CEO der Bayern gar erleichtert gewesen sei, antwortete Kahn: „Erleichterung? Nein. Ich wollte diese Verantwortung übernehmen und habe das sehr gerne gemacht. Die wirtschaftlichen, die sportlichen und die sportpolitischen Aspekte eines Weltklubs zusammenzubringen war genau das, was ich machen wollte. Für mich war es eine innere Verpflichtung gewesen, jenem Klub etwas zurückzugeben, für den ich 14 Jahre lang gespielt habe.“
Kahn-Kritik auch an deutschem Fußball insgesamt
Überhaupt tue sich der Fußball, „speziell in Deutschland, mit Veränderungen sehr schwer“, betonte Kahn: „Die Verantwortlichen, wie auch der gescheiterte Investoren-Einstieg bei der DFL wieder gezeigt hat, sehen sich schnell großer Fankritik ausgesetzt – durch Gruppen, die zwar in der Minderheit, aber sehr laut sind. Die Verantwortlichen würden vielleicht gerne im Sinne des Vereins das eine oder andere ändern, zögern aber, weil die Gefahr besteht, dass sie sich auf der nächsten Jahreshauptversammlung massiver Kritik ausgesetzt sehen und befürchten müssen, als Präsident nicht mehr gewählt zu werden.“
Der Fußball müsse aber aufpassen, so Kahn. Es habe sich „auch aufgrund der äußerst erfolgreichen Vergangenheit eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt. Man denkt: Es geht immer so weiter, ich mache das Fenster auf, und die Einnahmen regnen herein. Das wird in Zukunft nicht mehr so einfach sein. Der Fußball wird sich gegen immer stärkere Konkurrenz durchsetzen müssen. Bei der Connection zum Fan ist zum Beispiel noch sehr viel Luft nach oben.“
FC Bayern? „Das war mir natürlich bewusst“
Auch der perspektivische Titelkampf in der Bundesliga bewegt Kahn: „Der Wettbewerb darf nicht noch berechenbarer werden. Wird der Wettkampf über einen längeren Zeitraum von einigen wenigen Vereinen dominiert, dann wird der Erfolg inflationär und damit entwertet. Wie ehrlich ist denn ein Wettbewerb in einer Liga noch, wenn zwischen den Teams zig Millionen an Kaderbudget liegen und Überraschungen immer seltener werden? Wenn jemand viel Geld für die Rechte an einer Liga ausgeben soll, dann braucht dieser Wettbewerb Stars, Spektakel – und sollte vor allem bis zum Schluss spannend sein. Das macht den Sport in seinem Kern aus.“
Der Routinier fügt an: „Als ich beim FC Bayern München in der Verantwortung stand, war mir das natürlich bewusst, und trotzdem wollte und musste ich Meister werden. Aber wenn ein Verein zum zehnten, elften Mal in Folge Meister wird, dann ist das zwar eine unglaubliche Leistung, trotzdem wird der Wettbewerb ad absurdum geführt. Das schadet auf Dauer der ganzen Liga, was man dem FC Bayern aber nicht vorwerfen kann.“
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)