Francisco Copado, der in der Bundesliga für den Hamburger SV, die TSG Hoffenheim und Eintracht Frankfurt spielte, hat sich in den vergangenen Jahren aus privaten Gründen etwas vom Fußball zurückgezogen. Den Blick auf das Geschehen beim FC Bayern, wo sein Sohn Lucas in der Jugend und in der zweiten Mannschaft spielte, hat der heute 50-Jährige jedoch nie verloren.
„Es hat Brazzo schon sehr wehgetan“
In München war Jamal Musiala – heute eine der herausragenden Spieler im deutschen Fußball – der Teamkollege von Copado junior. Exklusiv bei SPORT1 spricht Francisco Copado unter anderem über die Jugendarbeit beim Rekordmeister, Musiala und seinen Schwager Hasan Salihamidzic.
SPORT1: Herr Copado, lange nichts mehr von Ihnen gehört. Wie geht es Ihnen?
Francisco Copado: Es geht mir gut. Das ist das erste Interview seit langem. Mein Sohn wohnt seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr bei mir zu Hause, und ich versuche, wieder im Fußball Fuß zu fassen. Ich hatte die Fußballszene jahrelang verlassen. 2017 habe ich meinen Fußballlehrer gemacht und wollte Trainer werden. Doch Lucas bat mich damals, nicht gleich wieder einen Job anzunehmen. Ich habe also alles zurückgestellt, um ihn in seiner Entwicklung zu begleiten. Jetzt würde ich gerne wieder als Co-Trainer arbeiten, könnte mir aber auch vorstellen, in der Agentur (feel soccer GmbH, Anm. d. Red.) tätig zu sein, die meinen Sohn betreut.
„Wird für meinen Jungen nicht leicht“
SPORT1: Ihr Sohn Lucas spielt seit kurzem bei Energie Cottbus. Zuvor war er unterem beim FC Bayern in der Jugend und in der zweiten Mannschaft aktiv. Was sagt der Papa zu seiner Entwicklung?
Copado: Jeder Vater will das Beste für seinen Sohn. Und auch das Höchste. Lucas hatte eine gute Jugendzeit bei Bayern und war schon in jungen Jahren bei den Profis dabei. Kurz vor seinem 18. Geburtstag hat er unter Julian Nagelsmann debütiert. Aber mir war wichtig, dass er sein Abitur zu Ende macht. Deshalb hat er die eine oder andere Trainingseinheit bei den Profis verpasst, und der Fußball hat darunter gelitten. Im vergangenen Winter wechselte Lucas nach Linz, aber dort lief es nicht wie erhofft. Jetzt ist er in Cottbus, und dort steht der Trainer (Claus-Dieter Wollitz, d. Red.) voll hinter ihm. Ich habe Lucas erzählt, wie es ist, in der 3. Liga und bei einem Ost-Klub zu spielen – ich war ja damals bei Tennis Borussia Berlin. Trotzdem wird es für meinen Jungen nicht leicht. Ich bin aber von seinen Qualitäten und seinem Talent voll überzeugt und glaube, dass er sich im Profifußball durchsetzen kann und wird. Ich liebe meinen Sohn.
SPORT1: Wie bewerten Sie die Bayern-Zeit Ihres Sohnes?
Copado: Ich habe viele Jahre am Bayern-Campus erlebt und weiß, was dort abläuft. Ich verfolge das immer noch sehr intensiv. Wir reden hier über den FC Bayern. Dort spielen fast nur Weltklasse-Spieler, und es ist für Talente unglaublich schwer, sich durchzusetzen. Trotzdem bekommen sie die Möglichkeit, oben mitzutrainieren und sich zu zeigen. Da muss man auch viel Glück haben. Ohne das nötige Glück geht es sowieso nicht – und bei Bayern noch weniger. In der Jugendabteilung von Bayern gibt es so viele Talente, aber nicht jeder Profitrainer kann zehn davon fördern. Woanders würden fast alle in der ersten Mannschaft spielen, bei Bayern ist es schwieriger.
Copado: Bayern-Talente haben Mentalitätsproblem
SPORT1: Wie gut ist die Jugendarbeit beim FC Bayern noch?
Copado: Viele Jugendspieler bei Bayern haben Defizite, weil sie denken, sie müssten in der ersten Mannschaft spielen. Aber sie bekommen oft auch in anderen Klubs Probleme, weil sie es nicht gewohnt sind, zu akzeptieren, dass sie um ihren Platz kämpfen müssen. Am Ball sind sie hervorragend ausgebildet, aber sie haben Defizite in der Mentalität und im Zweikampfverhalten. Sie können es überall schaffen, aber der finale Schritt ist der schwierigste.
SPORT1: Ist Ihr Sohn bei Bayern gescheitert?
Copado: Das klingt zu hart. Die Jugendspieler sollen alle die Schule zu Ende machen. Da bekommen die Jungs auch jede Unterstützung vom FC Bayern. Mein Sohn ist nicht gescheitert, aber er hat es nicht ganz nach oben geschafft, weil es im Offensivbereich seit Jahren sehr viel Qualität gibt. Es lag sicher auch an ihm selbst, weil er nicht die paar Prozent extra gegeben hat, die man braucht, um es ganz nach oben zu schaffen. Bayern stattet immer mehr junge Spieler mit Profiverträgen aus. Der eine oder andere schafft es nach einer Leihe, aber viele fallen durch.
„Bayern musste Musiala fördern“
SPORT1: Jamal Musiala hat es geschafft. Er spielte mit Ihrem Sohn bei Bayerns U17 unter Trainer Miro Klose zusammen.
Copado: Jamal ist ein außergewöhnlicher Spieler, was man gegen Dinamo Zagreb erneut an jedem seiner Geniestreiche gesehen hat. Er bringt eine Qualität am Ball mit, die nur ganz wenige Spieler auf der Welt haben. Das hat er schon ansatzweise in der U17 gezeigt, da konnte man seine Fähigkeiten sehen, wie das Spiel mit dem Ball, die Tempodribblings, die raumübergreifenden Schritte. Damals hat Bayern ihn für eine hohe Ablöse aus England geholt, deshalb musste Bayern Musiala fördern. Er hat dann auch in der U19 ganz ordentlich gespielt, aber auch da war noch nicht abzusehen, dass er einmal ein Weltstar wird. Bayern hat Musiala vom ersten Tag an massiv unterstützt, und man hat gesehen, dass er etwas mitbringt, was andere nicht haben. Der Junge hat sich in den vergangenen Jahren extrem weiterentwickelt. Und jetzt steht Musiala auf den Listen aller Topvereine. Ich freue mich sehr für ihn. Er wird ein Weltklasse-Kicker. Ich liebe Musiala, weil er diese besondere Begabung am Ball hat.
SPORT1: Konnte man damals schon sehen, als er mit Ihrem Sohn zusammenspielte, dass Musiala ein außergewöhnlicher Spieler wird?
Copado: Nein. Man konnte sehen, dass er gegenüber anderen Spielern Vorteile hatte, aber in der U17 hat er nur rund fünf Tore gemacht. Man sah, dass er auffällt, aber noch nicht so, dass man sagen musste: „Er wird ein zukünftiger Weltstar.“
SPORT1: Die Bayern wollen unbedingt mit Musiala verlängern, sagte Sportvorstand Max Eberl im STAHLWERK Doppelpass. Muss Bayern über die berühmte Schmerzgrenze hinausgehen?
Copado: Mit Sicherheit. Da gibt es doch gar keinen anderen Gedanken. Nur so kann der FC Bayern Musiala halten. Er ist bei allen internationalen Topvereinen hoch im Kurs, und da gibt es den einen oder anderen Klub, der etwas größer ist als die Bayern. Aber Eberl wird alles tun, um Jamal zu halten. Der Spieler fühlt sich ja auch unheimlich wohl in München. Bei Bayern kann er sich so entwickeln, dass er irgendwann zu den Top-Top-Top-Spielern der Welt gehört.
SPORT1: Was würden Sie Musiala raten?
Copado: Das ist schwierig. Musiala wird es überall schaffen – mit seinem Potenzial auf jeden Fall. Er ist so klar im Kopf, dass er sagen muss: „Ich brauche noch ein, zwei Jahre.“ Der Junge hat in seinem Alter schon so viel gezeigt und erreicht. Darauf kommt es bei ihm nicht mehr an. Ein Vorteil für Bayern könnte bei Musiala sein, dass sie wissen, wie wohl er sich hier fühlt. Zu einem ganz großen Verein wie Real Madrid kann er später immer noch wechseln.
SPORT1: Kann man Musiala mit dem jungen Messi vergleichen?
Copado: Das würde ich nicht sagen. Messi hat in seiner Karriere fast 700 Pflichtspieltore geschossen – das muss man erst einmal hinbekommen. Aber Musiala kann definitiv in diese Kategorie vorstoßen. Wir haben in Deutschland ja nicht nur Musiala, sondern auch Flo Wirtz.
„Wirtz ist einen Tick besser als Musiala“
SPORT1: Was sagen Sie zu ihm?
Copado: Er ist ein ähnlicher Spielertyp wie Musiala. Aber, wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen: Wirtz ist einen Tick besser als Musiala, weil er der etwas komplettere Spieler ist. Wir reden hier von zwei Mega-Talenten. Der deutsche Fußball kann so froh sein, diese beiden Jungs zu haben.
SPORT1: Dietmar Hamann wird als Experte oft kritisiert. Er sagte vergangene Woche, dass er Musiala sofort gegen Wirtz eintauschen würde. War das zu hart?
Copado: Wir kennen alle Didi. Diese Aussage war mutig. Er legt sich gerne mit der großen Fußballwelt an. (lacht) Ich spiele jede Woche mit ihm in der Halle und weiß, wie er über Fußball denkt. Ich schätze ihn sehr. Didi war ein großartiger Fußballer. Trotzdem muss ich sagen, dass diese Aussage etwas zu hart war. Ich teile seine Meinung oft, aber in diesem Punkt hat er nicht recht. Musiala ist kein absoluter Ego-Shooter. Wenn man sieht, wie viele Tore er vorbereitet und selbst erzielt hat, wie er für das Team arbeitet und ins Dribbling geht, freut sich jeder Trainer. Musiala bringt viel Egoismus mit – das weiß jeder Trainer. Aber das musst du auch haben, um ganz nach oben zu kommen. Ich würde Musiala nicht gegen Wirtz eintauschen. Wenn es Eberl 2025 gelingt, Wirtz zu Bayern zu holen und vorher schon mit Musiala zu verlängern, bekommt er seinen eigenen Friedensengel (eines der Wahrzeichen von München, Anm. d. Red.) in München. (lacht) Er wird alles daran setzen, beide in München zu haben. Ein Flo Wirtz kann bei Bayern funktionieren. Er ist, neben Musiala, das größte Juwel im deutschen Fußball.
Copado macht Klose Mut
SPORT1: Miroslav Klose war der Trainer von Musiala und Ihrem Sohn bei Bayerns U17. Jetzt ist Klose Trainer beim 1. FC Nürnberg. Er war ein Weltklasse-Spieler. Wird er es auch als Trainer schaffen?
Copado: Es gibt ehemalige Weltklasse-Spieler, die auch als Trainer Erfolg haben, wie Xabi Alonso. Und andere, wie Nagelsmann, Tuchel oder Klopp, waren nicht die besten Kicker. Miro war ein überragender Fußballer und ist ein sehr guter Typ. Er hat seine eigenen Ideen und Ansprüche, wie er Fußball spielen möchte. Miro kann jetzt beweisen, dass er ein guter Trainer werden kann. Bis jetzt hat er es noch nicht so richtig hinbekommen. Die Aufgabe beim Club ist sehr schwierig. Da brodelt es schnell. Ich schätze Miro sehr, er hat viel Ahnung vom Fußball. Ich wünsche ihm ganz viel Erfolg, damit er weitere Schritte als Trainer gehen kann. Miro gehört in den Fußball und kann ein guter Trainer werden.
SPORT1: War Klose für Ihren Sohn ein guter Trainer?
Copado: Zu dem Zeitpunkt war er sehr gut für meinen Jungen, weil er selbst Stürmer war. Miro konnte Lucas viele Dinge beibringen und ihn weiterentwickeln.
SPORT1: Ein anderes Toptalent ist Paul Wanner. Mit ihm hat Ihr Sohn bei der Bayern-Jugend und bei Bayern II zusammen gespielt. Die PSV Eindhoven und der VfB Stuttgart wollten ihn fest verpflichten. Nur Heidenheim durfte Wanner ausleihen, weil sie akzeptiert haben, dass es keine Kaufoption gibt. Wie beurteilen Sie ihn?
Copado: Mein Sohn und Wanner feierten gemeinsam ihr Debüt bei den Profis. Auch bei ihm hat man schon früh gesehen, dass er ein großes Talent ist. Wanner ist mir in der Bayern-Jugend gar nicht so aufgefallen. Auch für die zweite Mannschaft hat er wenige überzeugende Spiele gezeigt. Aber der Junge hat Qualität. Nagelsmann hat bei Bayern früh an Wanner festgehalten. Und der Junge hat dann auch früh bei den Profis trainiert und viele Einsätze bekommen. Die Leihe nach Elversberg war genau der richtige Schritt, und jetzt in Heidenheim ist es perfekt für ihn. In dieser Mannschaft mit viel Mentalität und unter diesem Trainer (Frank Schmidt, Anm. d. Red.) kann Wanner viel lernen. Dennoch ist er noch weit davon entfernt, dass man sagen könnte, er werde bei Bayern als nächster großer Spieler einschlagen.
„Brazzo ist bereit für eine neue Aufgabe“
SPORT1: Sie sind der Schwager von Hasan Salihamidzic. Wie geht es ihm?
Copado: Es geht ihm sehr gut. Wir waren jetzt wieder mit unseren Familien zusammen essen und haben regelmäßig Kontakt. Im Frühjahr waren wir zusammen auf Mauritius zum Golfurlaub. Im Juni musste sich Brazzo leider einer Hüft-OP unterziehen. Die hat er jetzt gut überstanden, und zum Glück kann er sich wieder besser bewegen. Wir verbringen oft Zeit miteinander und haben viel Spaß. Wir lieben uns. Mal sehen, wohin sein Weg führt. Brazzo ist bereit für eine neue Aufgabe. Wenn man bei Bayern Sportvorstand war, ist es nur nicht so einfach, dass sich viele ähnliche Möglichkeiten ergeben. Er hat aber eine spannende Vita und ist ein toller Typ. Brazzo passt überall hin, und ich würde mich freuen, wenn er bald wieder einen spannenden Job hätte.
SPORT1: Ist man beim FC Bayern fair mit ihm umgegangen?
Copado: Fairness gibt es in diesem Job nicht. Deshalb sollte man auch nicht darüber nachdenken, ob es fair war oder nicht. Brazzo hat unglaublich viel für den FC Bayern geleistet und liebt den Verein. Natürlich hat er hier und da polarisiert, aber er hat sich für Bayern aufgeopfert, weil es sein Herzensverein ist. Und Brazzo hat viele Titel gewonnen. In allem, was er gemacht hat, war er erfolgreich. Natürlich hat nicht jeder Transfer von ihm gepasst, aber er hat Davies geholt, Musiala gefördert und war auch bei Kane der Initiator. Man hätte anders mit Brazzo umgehen können, aber wir haben nie groß darüber gesprochen. Auf beiden Seiten wurden sicherlich Fehler gemacht. Brazzo hat sich nach der Trennung korrekt verhalten. Er wird immer eng mit dem FC Bayern verbunden sein.
SPORT1: Hat er unter der Trennung gelitten?
Copado: Ja. Es hat Brazzo schon sehr wehgetan. Er hat so lange für diesen Verein gespielt und trug lange Verantwortung - es war eine ganz besondere Liebe. Da schmerzt so eine Trennung natürlich. Aber so ist das Fußballgeschäft.