Es waren überraschende Worte, die Joshua Kimmich sowohl nach dem Heimspiel des FC Bayern gegen den SC Freiburg (2:0) als auch im Anschluss an den Auswärtssieg bei Holstein Kiel (6:1) fand.
Das neue Zauberwort der Bayern
Angesprochen auf seine neue, „schwimmende“ Position zwischen zentralem Mittelfeld und rechter Außenverteidigung, bekannte der 29-Jährige, dass es darum gegangen sei, „gegnerspezifisch“ ins Spiel zu gehen.
Im Klartext: Bayern-Trainer Vincent Kompany richtet seine taktische Marschroute auch deutlich nach dem Gegner aus. Mehr als früher will man sich am Gegenüber orientieren. Anpassung ist das neue Zauberwort. Seit Jahrzehnten grundsätzlich nichts Ungewöhnliches im Fußball, doch für den Rekordmeister in fast allen Bundesliga-Spielen eigentlich die Ausnahme.
Bayerische Zielsetzung war es stattdessen immer gewesen, das eigene Spiel „durchzudrücken“ und dominant zu sein. Nur gegen andere Top-Teams oder in der Champions League, in der es zum Auftakt nun gegen Dinamo Zagreb gilt (ab 21 Uhr im Liveticker), richtete man sich gut sichtbar auf die taktischen Pläne des Gegners ein. Dazu passte, dass der damalige Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge immer wieder betonte, der FC Bayern wolle nicht nur gewinnen, sondern auch dominanten und attraktiven Fußball bieten.
Kompany will auch Dominanz – aber anders
Dieser Klub-DNA ist sich Kompany bewusst. „Für den FC Bayern ist es wichtig, selbst dominant zu sein, das ist klar“, sagte der Belgier am Montag vor dem anstehenden Duell in der reformierten Königsklasse auf Frage von SPORT1. Er will aber auch immer ein genaues Auge auf den Gegner haben – egal ob der aus Freiburg, Kiel, Zagreb, Leverkusen oder Madrid kommt.
„Es ist nichts Neues, dass wir uns immer auch über den Gegner Gedanken machen. Wir wollen die Schwächen immer ausnutzen und müssen gleichzeitig mit den Stärken rechnen. Ich habe bereits als Spieler oft erlebt, dass man so erfolgreich sein kann“, erklärte Kompany weiter.
Entwarnung also für alle Dominanz-Fans: Beim FC Bayern kommt es nicht zum Paradigmenwechsel. Die Leitlinien werden lediglich angepasst – und zwar mit Erfolg. Das hohe Anlaufen führte gerade in Kiel schnell zu Fehlern der Gastgeber und die Partie war bereits nach 13 Minuten entschieden.
Entsprechend früh konnten die Münchner den Schongang einlegen und mussten sich nicht in eine unnötige Schlacht werfen, die nur Kraft kostet. Das war bekanntlich ein Punkt, der in der vergangenen Saison dazu führte, dass der Rekordmeister am Ende ohne Titel dastand.
Interessanterweise war der FCB in der Zeit von Thomas Tuchel genau dann besonders erfolgreich, wenn er seine Dominanz aufgab und den Gegner den Ball überließ. Im Hinspiel gegen den VfB Stuttgart, auswärts beim BVB oder in den Partien gegen den FC Arsenal war es für den damaligen Bayern-Trainer ein probates Mittel, den Ballbesitz dem Gegner zu überlassen und eben nicht „Bayern-like“ aufzutreten.
Auch Neuer kennt seine Rolle
„Es war ein sehr pragmatischer Ansatz in diesen Spielen. Es wurden attraktive und erfolgreiche Spiele. Es gab natürlich auch die jeweilige Konstellation her. Wir haben gegen Mannschaften gespielt, die ihrerseits den Anspruch haben, dominant zu spielen“, erklärte Tuchel damals auf SPORT1-Frage.
Kompany will die Dominanz nicht abgeben, aber er will sie anders interpretieren. Er betonte vor dem Duell mit Dinamo Zagreb, dass er jedes Spiel wie ein Finale angehe. Er bereite sich immer gleich vor. Es klingt wie die extreme Form des Leitsatzes „Von Spiel zu Spiel denken“.
Eine andere Änderung, die Kompany jetzt unternommen hat, fordert Routinier Manuel Neuer auf neue Weise. Sportvorstand Max Eberl hatte im STAHLWERK Doppelpass berichtet, dass die Bayern in der Defensive mehr „Mann-gegen-Mann“ verteidigen wollen – was in den bisherigen Spielen unter dem neuen Trainer auch deutlich zu beobachten war.
Bedeutet für Neuer: Der Keeper muss noch wachsamer bei möglichen weiten Bällen des Gegners sein.
„Oft haben wir es so, dass wir hinten Eins-gegen-Eins spielen. Dann ist es abhängig davon, wie die Laufwege des Gegners sind. Ich muss dann abschätzen, ob ich die Bälle ablaufen und den ‚Sweeper Keeper‘ machen kann“, sagt Neuer zu SPORT1. Und weiter: „Es ist natürlich auch mit Ball ein anderes Spiel geworden“. Er müsse seine Position immer neu anpassen.
Anpassung ist also das neue Zauberwort beim FC Bayern.