Es ist nicht allzu lange her, da war Waldemar Anton gefeierter Kapitän einer furios aufspielenden, kaum wieder zu erkennenden Mannschaft des VfB Stuttgart. Im Januar hatte der Innenverteidiger seinen Vertrag beim VfB noch verlängert, bekannte sich zudem klar zu den Schwaben. „Warum sollte ich ständig wechseln, wenn ich mich in einer Stadt oder bei einem Verein wohlfühle?“, erklärte er damals.
Auf ihn wartet die Hölle
Dieser Satz fiel dem 28-Jährigen im Sommer auf die Füße. Anstatt mit dem Vizemeister Stuttgart eine starke Vorsaison zu bestätigen, entschied sich Anton für einen Wechsel zu Liga-Konkurrent Borussia Dortmund. Eine Entscheidung, die bei den Fans des VfB Stuttgart große Wut und großes Unverständnis auslöste.
Anton erwartet ein gellendes Pfeifkonzert
Sogar bei der Heim-EM bekam der Ex-VfB-Kapitän zu spüren, was die Fans in Stuttgart von seinem Wechsel nach Dortmund hielten. EM-Viertelfinale. Deutschland gegen Spanien. In Stuttgart war gerade die Verlängerung angebrochen, als Anton für Kai Havertz eingewechselt wurde und dem Nationalspieler der Unmut der Fans mit voller Wucht entgegenschlug.
Mehr als zwei Monate sind seitdem vergangen. Doch es ist kaum damit zu rechnen, dass die Reaktionen des heißblütigen VfB-Anhangs am Sonntag andere sein werden. Von Verrat und Wortbruch ist in Stuttgart noch immer die Rede, wenn das Gespräch auf Anton kommt.
Am Sonntag, wenn der BVB um 17.30 Uhr beim VfB Stuttgart gastiert, dürfte ein gellendes Pfeifkonzert auf den Verteidiger warten. „Auf der einen Seite kann ich es aus unserer Fansicht natürlich auch verstehen“, erklärte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß am Freitag auf der Pressekonferenz. „Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass wir angefeuert werden und die Energie dafür genutzt wird, dass wir Unterstützung bekommen. Trotzdem wird es wahrscheinlich so sein, dass der Waldi ein bisschen etwas aushalten muss.“
Dem ist sich auch Anton bewusst. „Ich bin realistisch und habe die ganze Wut und Enttäuschung vieler Fans mitbekommen. Aber ich denke, wenn man darauf eingestellt ist, kann man auch damit umgehen“, gab er in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung zu. „Dennoch wäre es schön, wenn sich das ganze Thema vielleicht irgendwann beruhigt, vor allem meiner Familie wegen. Denn es gab in den sozialen Medien eben auch viel, was unter die Gürtellinie ging - nicht nur gegen mich, auch gegen meine Familie.“
Anton: „Das Geld stand nie im Zentrum meiner Entscheidungen“
Im Gespräch beteuerte der 28-Jährige nochmals, dass er sich in Stuttgart extrem wohlgefühlt habe und sogar einen Wechsel lange Zeit überhaupt nicht im Kopf hatte. „Es gab immer wieder lukrative Angebote. (...) Aber auch hier kann ich sagen: So bin ich nicht. Das Geld stand nie im Zentrum meiner Entscheidungen“, führte er fort.
Vielmehr hatten ihn im Sommer die Ambitionen von Borussia Dortmund überzeugt. „Schauen Sie auf die vergangenen zehn, zwölf Jahre. (...) Der VfB hat phasenweise in der zweiten Liga gespielt. Das ist nicht negativ gemeint. Es ist doch normal, dass der BVB deshalb in manchen Bereichen in der Entwicklung etwas weiter ist.“
Neben Anton zog der BVB im Sommer auch die Ausstiegsklausel von Torjäger Serhou Guirassy, dessen Abgang ohnehin absehbar war und deshalb auch die VfB-Fans nicht im Ansatz so stark verärgerte als im Fall Waldemar Anton.
Sahin sicher: „Die Jungs sind alt genug“
BVB-Trainer Nuri Sahin ist sich sicher, dass beide Ex-VfB-Schützlinge mit den Umständen am Sonntag keine Probleme haben werden. „Sie sind keine 18-Jährigen, bei denen das was auslösen könnte. Die Jungs sind alt genug. Ich habe nicht das Gefühl, dass da ein Arm um die Schulter gebraucht wird oder ein Gespräch nötig ist“, so Sahin auf der Pressekonferenz am Freitag.
VfB-Coach Hoeneß freut sich indes auf das Wiedersehen mit seinen beiden ehemaligen Leistungsträgern. „Er (Anton, Anm. d. Red.) hat sich als Kapitän bei uns wirklich tadellos verhalten“, stellte er klar. Von ihm gebe es „kein böses Blut, keine Kampfansage“. Auch wenn er wisse, „dass es in der Kommunikation hätte anders laufen können“.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)