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Bayer Leverkusen: Der Deutsche Meister im Stimmungswandel

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Bayer Leverkusen: Der Deutsche Meister im Stimmungswandel

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Stimmungswandel in Leverkusen

Sieben Pflichtspiele, sechs Siege - auf dem Papier hätte Bayer Leverkusen kaum besser in die neue Saison starten können. Dennoch hat Xabi Alonso vor dem Spitzenspiel gegen den FC Bayern München reichlich Grund zur Sorge.
Granit Xhaka moniert nach dem 4:3 gegen Wolfsburg die Gegentorflut bei Bayer Leverkusen. Darauf wird auch Trainer Xabi Alonso angesprochen.
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Sieben Pflichtspiele, sechs Siege - auf dem Papier hätte Bayer Leverkusen kaum besser in die neue Saison starten können. Dennoch hat Xabi Alonso vor dem Spitzenspiel gegen den FC Bayern München reichlich Grund zur Sorge.

Ja, das Drehbuch war ein altes. Ein Spiel, das bis in die Nachspielzeit auf Messers Schneide stand, in dem die Leverkusener ihren müde werdenden Gegner immer weiter in die Enge trieben. Gleichzeitig erhoben sich die Zuschauer und wurden lauter - fast so, als ahnten sie, was noch kommen würde: die Erlösung. Diesmal durch Victor Boniface, der in der 93. Minute aus dem Gewühl heraus am schnellsten schaltete und den Ball ins rechte Toreck schob. 4:3 gegen den VfL Wolfsburg. Wieder einmal hatten die Spezialisten für späte Tore gnadenlos zugeschlagen.

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Für einen Moment schien alles wie immer in der BayArena: Oben auf den Rängen ein Mix aus purer Ekstase und Ungläubigkeit, es abermals geschafft zu haben. Unten auf dem Rasen ein feierndes Team von Xabi Alonso mit einem markant jubelnden Boniface, der schnurstracks zur Eckfahne rannte und seine Shorts mit Verweis auf einen nigerianischen TikToker auf halb Acht zog. Der Hosenbund auf Höhe der Oberschenkel - beim Deutschen Meister neuerdings ein Zeichen für Erfolg. Also Ende gut, alles gut?

Ganz und gar nicht. Spätestens nach dem Schlusspfiff merkte man deutlich, dass doch etwas anders war als sonst. Das Lächeln in den Gesichtern der Spieler, die auf dem Weg zu den eigenen Fans auffallend sparsam mit großen Glücksgefühlen umgingen, verschwand rasch und wich einer gewissen Ratlosigkeit. Schließlich hatte die miserable erste Halbzeit mit drei Gegentoren schonungslos offenbart: Der Werkself fehlt es im Vergleich zur Meistersaison die defensive Stabilität und Selbstverständlichkeit, weshalb sie sich das Leben immer wieder selbst schwer macht. Granit Xhaka sprach hinterher Klartext.

Xhaka: „So reicht es nicht“

„Wir müssen hier jetzt nicht über die Nachspielzeit reden. Wir müssen ehrlich miteinander sein, selbstkritisch genug: So reicht es nicht“, begann sich Xhaka in der Mixed Zone in Rage zu reden, ohne dass ihm zuvor eine einzige Frage gestellt worden war. „Das war ein Riesen-Weckruf für uns alle. Wir können mit dem Spiel heute definitiv nicht zufrieden sein. Natürlich zählen am Ende die drei Punkte, aber so können wir nicht weitermachen. So naiv dürfen wir nicht verteidigen.“ Neben der Anfälligkeit in der Abwehr bereiteten ihm die enormen Schwankungen innerhalb eines Spiels große Sorgen.

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Rückstand, Ausgleich, Führung, Ausgleich und vor der Pause wieder der Rückstand. Nach dem Seitenwechsel folgte dann der nächste Ausgleich sowie der späte Siegtreffer - eindeutig zu viel Spektakel, resümierte der Schweizer und erinnerte daran, dass die Defensive in der Meistersaison noch das tragende Fundament des eigenen Erfolgs war. Nur 24 Gegentore hatte Bayer damals kassiert, mit Abstand der beste Wert der Liga. „Jetzt haben wir nach vier Spieltagen schon neun. So viele Gegentore dürfen wir nicht mehr bekommen“, schimpfte Xhaka.

Umgerechnet heißt das: Fing sich der Double-Gewinner in der Saison 2023/2024 im Schnitt 0,71 Gegentore pro Spiel, sind es 2024/2025 aktuell 2,25. Ein alarmierender Wert für ein Team, das wieder ganz oben angreifen will. Xhaka betonte daher knallhart: „Das geht nicht.“ Gleichzeitig verwies er darauf, dass Leverkusen kaum gut herausgespielte Gegentreffer kassiert habe, sondern „ganz einfache Tore“, die „auf diesem Niveau nicht passieren“ dürfen. „Wir sagen, wir sind eine Spitzenmannschaft, aber eine Spitzenmannschaft kassiert keine drei Tore in 45 Minuten.“

Bei Bayer stimmen viele Kleinigkeiten nicht

Woran das liegt? Ohne lange überlegen zu müssen, hatte Xhaka eine Mängelliste parat. „Wir sind nicht genug in den Rückwärtsläufen“, bemängelte der 31-Jährige und fügte an: „Wir sind nicht bissig und lassen dem Gegner zu viele Räume.“ Auffällig ist jedoch, dass sich das Personal im Vergleich zur Vorsaison sowohl im defensiven Mittelfeld als auch in der Abwehr kaum verändert hat. Lediglich Odilon Kossounou verließ den Verein in Richtung Atalanta Bergamo, dazu kehrte Josip Stanisic nach seiner Leihe zu den Bayern zurück. Dafür verstärkte sich Bayer mit Aleix Garcia und Nordi Mukiele. Auch große Rotationen sind unter Alonso nichts Neues.

In der vergangenen Saison gab es kaum ein Spiel, vor dem der Spanier seine Startelf nicht auf sechs oder sieben Positionen veränderte. Belastungssteuerung eben. Dennoch fiel gegen Wolfsburg nicht zum ersten Mal auf, dass Bayer längst nicht mehr alles so leicht und locker von der Hand geht. Viele individuelle Kleinigkeiten stimmen nicht und sorgen für einen schlechten Gesamteindruck: Wie der taktische Lapsus von Jeanuel Belocian oder die Unsicherheit von Mukiele vor dem 0:1, wie die vermisste Konsequenz von Edmond Tapsoba oder der leichte Fauxpas von Lukas Hradecky vor dem 2:3.

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Die neue Verwundbarkeit lasse sich aber nicht nur mit individuellen Fehlern erklären, waren sich Xhaka und Alonso einig, viel früher beginnt die Mängelliste. Zur Erinnerung: In der Vorsaison spielte Bayer bei eigenem Ballbesitz so dominant, dass es bei Ballverlusten stets perfekt positioniert war, um sofort defensiv umzuschalten. Gefährliche Konter des Gegners wurden durch das schnelle Eingreifen von Exequiel Palacios, Robert Andrich oder Xhaka fast vollständig unterbunden. Die Folge: Leverkusen kassierte im Meisterjahr nur ein einziges Gegentor nach einem direkten Konter - kein anderes Team war in dieser Hinsicht auch nur annähernd so stark. Inzwischen ist das anders.

Alonso nennt Ursache für Abwehrprobleme

„Mit dem Ball waren wir nicht stabil genug, hatten kaum Struktur. Deshalb waren wir nach Ballverlusten zu weit weg“, sagte der Baske nach dem Sieg gegen Wolfsburg. „Wir haben zu wenig Pässe gespielt, deshalb waren wir nach Ballverlusten zu weit weg. So hatten wir keine Möglichkeit, nach Ballverlust Druck auszuüben oder in die richtige Position zu kommen. Das war der Schlüssel für das schlechte Spiel in der ersten Halbzeit.“ Zu hektisches Offensivspiel als Ursache für wacklige Defensive? Eine Erkenntnis, die bereits gewonnen wurde.

Doch wie man es vom 42-Jährigen gewohnt ist, nahm er auch sich selbst nicht aus der Verantwortung. „Es waren nicht nur die Spieler, es gab auch Dinge, die ich hätte besser machen können. Ich weiß, was ich nicht gut gemacht habe“, gestand Alonso, ohne genau zu sagen, was er meinte: „Die Frage, was, werde ich nicht beantworten.“ Viel Zeit, etwas zu ändern, bleibt ihm allerdings nicht. Am kommenden Samstag (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) steht das mit Spannung erwartete Spitzenspiel gegen den FC Bayern an.

Damit wartet ausgerechnet der Gegner auf die Rheinländer, gegen den man sich am wenigsten Nachlässigkeiten erlauben darf. Denn die Münchner befinden sich bekanntlich im Torrausch und haben allein in den letzten drei Pflichtspielen 20 Treffer erzielt. Viele Fehler, wie sie Leverkusen immer wieder unterliefen, könnten in der Allianz Arena also bittere Konsequenzen haben. Alonso muss nachdenken und die richtigen Schlüsse ziehen.