Der Ablösepoker um Jonathan Tah ist eine zähe Angelegenheit. Obwohl der FC Bayern mit dem Nationalspieler längst alles klären und eine Einigung erzielen konnte, bewegt sich seit geraumer Zeit wenig. Die Leverkusener wollen ihren Abwehrchef und Leistungsträger nicht unter Wert verkaufen, schon gar nicht an einen direkten Konkurrenten. Und der Rekordmeister seinerseits keinen Cent zu viel bezahlen. Eine Hängepartie, die Bayer so langsam in Zeitnot bringt - das machte Geschäftsführer Fernando Carro deutlich.
Tah-Deal wird Wettlauf gegen die Zeit
„Wir müssen neben den Modalitäten eines Wechsels auch die Zeit im Blick haben. Davon bleibt nicht mehr allzu viel, denn auch wir müssen noch reagieren können“, stellte Carro zum Ende des Trainingslagers in Donaueschingen fest. Bedeutet im Klartext: Einen Abgang erst ganz kurz vor Schluss der Transferperiode wird es nicht geben. Sollten die Bayern Tah wirklich haben wollen, müssten sie möglichst bald aufs Ganze gehen. Je länger sich die Geschichte noch hinzieht, desto unwahrscheinlicher ist ein Deal.
Weshalb Leverkusen unter Zeitdruck steht
Grund für die Eile sind die Regularien der Champions League. Falls der Verteidiger tatsächlich wechselt, wäre es ohnehin schon nicht einfach, adäquaten Ersatz zu erschwinglichen Konditionen zu finden. Zum anderen handelt es sich bei Tah auch noch um einen Spieler, der im Bereich des DFB ausgebildet wurde. Das ist an erster Stelle für die Kadermeldung der Königsklasse wichtig. Auf jener Liste müssen sich vier im Verein selbst sowie vier weitere im Bereich des Verbandes ausgebildete Akteure, also Local Player, befinden.
Was wiederum bedeutet: Bayer müsste im Falle eines Tah-Transfers jemanden verpflichten, der den Status als Local Player erfüllt. Falls nicht, würde einer der 17 bereits fest eingeplanten Profis gestrichen werden - was Sportchef Simon Rolfes und Carro unbedingt vermeiden möchten. Die Auswahl an potenziellen Nachfolgern ist also äußerst beschränkt und umfasst hauptsächlich deutsche Kandidaten. Lange bemühte sich der Klub um Waldemar Anton, der aber zu Borussia Dortmund wechselte. Joel Matip, zuletzt für den FC Liverpool am Ball, heißt das aktuelle Ziel.
Bayer bemüht sich um Matip
Doch wie Sky schrieb, sei Leverkusen nicht die einzige Option für Matip. Er noch andere konkrete Möglichkeiten, weswegen es für Leverkusen ein Rennen gegen die Zeit bleibt. „Man muss das jetzt abwarten und professionell damit umgehen. Mein Gefühl ist, dass alle Beteiligten genau das machen“, sagte Carro und ließ indirekt durchblicken, dass Bayer den Münchnern zeitnah eine Frist setzen wird, bis wann sie gesprächsbereit sind. Dafür soll der Doublesieger von den anfangs geforderten 40 Millionen Euro abgerückt sein.
Laut Medienberichten haben die Bayern zuletzt rund 20 Millionen Euro plus fünf Millionen Euro Boni geboten, was für Leverkusen aber nach wie vor zu wenig sei. Der TV-Sender Sky meldete, dass eine Einigung im Bereich von 25 Millionen Euro plus weitere fünf Millionen Euro an möglichen Bonuszahlungen realistisch wäre - sofern der FCB eine andere Baustelle gelöst bekommt: Zunächst müsse geregelt werden, wie es nun bei Matthijs de Ligt weitergeht. Abschreiben werden die Rheinländer Tah also keinesfalls.
Tah? „Er hat ein riesiges Standing bei uns“
Robert Andrich sagte kürzlich im SPORT1-Interview, es sei „ein offenes Geheimnis“, dass die Bayern Tah gerne haben möchten: „Wir haben in der Mannschaft nicht das Gefühl, dass er sich unwohl fühlt und auf Biegen und Brechen weg möchte. Ich denke aber schon, dass er gerne noch einmal eine Erfahrung machen möchte. Am Ende ist es seine Entscheidung. Er hat ein riesiges Standing bei uns in der Mannschaft und egal was er macht, er wird auf jeden Fall die Rückendeckung von uns haben.“
Gleichzeitig ist Andrich der Meinung, dass Bayer den Abgang seines Abwehrchefs sportlich auffangen könnte. „Um den Typen wäre es schade“, antwortete der deutsche Nationalspieler dem kicker auf die Frage, was ein Tah-Wechsel für die Werkself bedeuten würde: „Jona würde uns definitiv fehlen. Als Spieler ist er vor allem vergangene Saison unfassbar gereift, als Persönlichkeit ist er unheimlich wichtig für die Kabine. Ich glaube aber trotzdem, dass wir Spieler haben, die dann in eine neue Rolle schlüpfen könnten.“
Auf eine weitere Nachfrage, an wen er dabei denke, erklärte Andrich: „An Edmond Tapsoba, der mehr Verantwortung übernehmen möchte. Piero Hincapié kann vielleicht auch seine nächsten Schritte machen. Es wäre auch eine Chance für andere auf dieser Position, aber natürlich wissen wir, dass der Typ Jonathan Tah der Mannschaft schon abgehen würde. Doch ich bin guter Dinge, dass wir es ohne ihn auch ganz gut hinkriegen würden. Aber vielleicht bleibt er ja.“
Carro hat die Hoffnung auf einen langfristigen Verbleib Tahs derweil nicht aufgegeben. „Wenn die Bayern ihn am Ende nicht verpflichten, werden wir alles Mögliche tun, damit er bei uns verlängert. Ob das funktionieren würde, kann ich jetzt nicht beurteilen, aber das wäre dann unser großer Wunsch.“ Das Arbeitspapier des Abwehrhünen in Leverkusen läuft nur noch bis Juli 2025.