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Bundesliga: Das späte Glück eines einst umjubelten Jungstars

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Bundesliga: Das späte Glück eines einst umjubelten Jungstars

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Das späte Glück des Lewis Holtby

Lewis Holtby führt Holstein Kiel als Kapitän in die erste Bundesliga-Saison der Norddeutschen. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 33-Jährige über das Erfolgsgeheimnis der Kieler, die Herausforderung Bundesliga und ein besonderes Duell im DFB-Pokal.
Aufsteiger und Bundesliga-Neuling Holstein Kiel startet die Saison-Vorbereitung. Die Störche haben für ihre erste Spielzeit im Bundesliga-Oberhaus nur ein klares Ziel: Den Klassenerhalt.
Lewis Holtby führt Holstein Kiel als Kapitän in die erste Bundesliga-Saison der Norddeutschen. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 33-Jährige über das Erfolgsgeheimnis der Kieler, die Herausforderung Bundesliga und ein besonderes Duell im DFB-Pokal.

Einst war Lewis Holtby Teil der umschwärmten „Bruchweg Boys“ von Thomas Tuchel bei Mainz 05. Später spielte er für die großen Traditionsvereine Hamburger SV und den FC Schalke 04, war außerdem in der Premier League für Tottenham Hotspur und den FC Fulham aktiv.

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Im Sommer 2021 wechselte er in das beschauliche Kiel und feierte nun im Mai mit Holstein Kiel den Aufstieg in die Bundesliga - und hat dort so auch persönlich ein spätes Glück gefunden.

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 33 Jahre alte Kapitän über das Erfolgsgeheimnis von Holstein Kiel, die Herausforderung Bundesliga, seine Rolle als Führungsspieler und ein für ihn ganz besonderes Spiel im DFB-Pokal.

SPORT1: Herr Holtby, können Sie nachvollziehen, dass Holstein Kiel vielfach als Abstiegskandidat Nummer 1 genannt wird?

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Lewis Holtby: Diese Rolle hatten wir bereits in der letzten Saison, als alle dachten, wir wären ein Abstiegskandidat in der 2. Bundesliga und würden zwischen Platz 13 und 18 landen. Und jetzt, ein Jahr später, sprechen wir über die Bundesliga. Natürlich gibt es in der Bundesliga viele große Vereine, weshalb wir vielfach unten einsortiert werden. Aber wir haben 34 Spieltage Zeit, um den Kritikern zu zeigen, dass wir nicht absteigen. Wir gehen mit Demut in die Saison, werden aber keine Angst haben und uns nicht verstecken. Wir sehen die Bundesliga nicht als Abenteuer, sondern wollen eine sehr gute Saison spielen und alles raushauen.

Klassenerhalt? „Das wird eine enorme Herausforderung“

SPORT1: Was schätzen Sie schwieriger ein? In die Bundesliga aufzusteigen oder in der Bundesliga zu bleiben?

Holtby: Statistisch ist der Aufstieg schwieriger, weil man 15 oder 16 Mannschaften hinter sich lassen muss - für einen Nicht-Abstieg in der Bundesliga genügen zwei oder besser drei Mannschaften. Aber in der Bundesliga spielen nun einmal die besten Vereine. Das wird eine enorme Herausforderung. Aber man hat in der Vergangenheit gesehen, wie viele vermeintliche „Underdogs“ sich in der Bundesliga etablieren konnten: Freiburg, Mainz, Augsburg, jetzt auch Heidenheim. Auch diese Vereine haben klein angefangen und sich weiterentwickelt.

SPORT1: Was sagt es über den Fußball aus, wenn Vereine wie Holstein Kiel oder der 1. FC Heidenheim in der Bundesliga spielen und große Traditionsvereine wie Ihre Ex-Klubs FC Schalke 04 oder der Hamburger SV in der 2. Liga festhängen?

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Holtby: Das sagt aus, dass am Ende alles auf dem Platz entschieden wird und Kontinuität wichtig ist. Ich bin grundsätzlich auch ein Fan von Traditionsvereinen. Ich würde mir wünschen, dass diese Vereine bald wieder ihre Glanzzeiten erleben, weil sie eine große Ausstrahlungskraft für den deutschen Fußball haben. Wir als Holstein Kiel oder auch ein Verein wie beispielsweise Heidenheim haben kontinuierlich gut gearbeitet, sind sich treu geblieben und haben Vollgas gegeben. Dann ist es verdient, dass solche Vereine unter den besten 18 in Deutschland spielen dürfen.

SPORT1: Beim Hamburger SV oder dem FC Schalke 04 erlebten Sie ein hektisches Umfeld. Ist es einfacher, in einem Verein wie Kiel befreit aufzuspielen?

Holtby: Ja natürlich, das lässt sich nicht vergleichen, weil bei solchen Vereinen, die eben sehr viele Mitglieder haben, hohe Erwartungen herrschen. Nichtsdestotrotz gibt es auch kleinere Vereine, bei denen schnell Panik geschoben wird, wenn es mal nicht läuft. Das war hier in Kiel anders. Ich bin nun drei Jahre hier und durfte erleben, dass man auch in schwierigen Phasen ruhig bleibt und sich auf die Arbeit fokussiert. Es ging immer darum, wie man sich verbessern und weiterentwickeln kann. Das sind wichtige Faktoren, um kontinuierlich Erfolg zu haben. Ich glaube, egal wie groß ein Verein ist: Das Wichtigste ist der Zusammenhalt und dass man an das Projekt glaubt.

Duelle mit Top-Klubs: „Das Wichtigste sind die Basics“

SPORT1: Holstein Kiel war in der 2. Bundesliga eine dominante und spielstarke Mannschaft. Lässt sich das in der Bundesliga fortsetzen oder muss die Spielphilosophie angepasst werden?

Holtby: Ich glaube, wenn wir unser Gesicht verändern oder einen anderen Spielstil auf den Platz bringen, werden wir keinen Erfolg haben. Das hat uns letzte Saison erfolgreich gemacht: die Variabilität im Spiel, die Intensität mit und gegen den Ball. Das sind aber auch die Dinge, die wir natürlich noch verfeinern und verbessern möchten.

SPORT1: Lässt sich Ihr Spielstil auch gegen Mannschaften wie Bayern München oder Bayer Leverkusen durchsetzen, die bereits innerhalb der ersten sechs Spieltage der Gegner sind? Ihre Mannschaft dürfte in diesen Partien eher wenig Ballbesitz haben…

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Holtby: Das Wichtigste sind die Basics: laufen, kämpfen, taktische Disziplin, das eigene Tor verteidigen, alle Mann gut hinter den Ball bekommen, sich helfen, eine gute Kommunikation haben. Das hat erst einmal Priorität. Wenn wir das auf den Platz bekommen, bin ich optimistisch, dass wir eine gute Saison spielen können. Das Ziel ist, dass wir uns in den ersten Spieltagen verbessern, sodass man merkt, dass wir uns weiterentwickeln. Auch letzte Saison lief nicht von Anfang an alles gut, wir hatten einen großen Umbruch im Kader. Aber wir haben uns verbessert und im Verlauf wichtige Siegesserien hingelegt.

SPORT1: Das erste Pflichtspiel der Saison steht im DFB-Pokal beim Drittliga-Aufsteiger Alemannia Aachen an. Wie groß ist in solch einem Spiel die Stolpergefahr?

Holtby: Bei Alemannia Aachen herrscht durch den Aufstieg große Euphorie, sie sind mit einem Sieg und einem Unentschieden in die Saison gestartet und außerdem schon im Spielrhythmus. Das wird ein harter Kampf. Ich weiß, wie es ist, in Aachen vor voller Kulisse zu spielen. Ich habe schon einmal mit Mainz im Pokal in Aachen gespielt. Wir sind damals als Tabellenführer der Bundesliga dort hingereist und haben im neuen Stadion direkt verloren. Daher bin ich gewarnt vor dem, was auf uns zukommt. Für mich ist das ohnehin ein besonderes Spiel. Ich habe dort in der Jugend gespielt, stand im alten Tivoli als Fan im Block und bin später dort Profi geworden. Aachen ist ein besonderer Ort für mich.

Holtby lobt Trainer Marcel Rapp

SPORT1: Zurück zu Ihrer Mannschaft: Kiel hat mit Tom Rothe und Philipp Sander zwei absolute Schlüsselspieler verloren. Die Neuzugänge kommen vorwiegend aus dem Ausland oder aus unteren Ligen und kennen die Bundesliga noch nicht. Glauben Sie dennoch, dass die Mannschaft qualitativ besser ist als in der Aufstiegssaison?

Holtby: Natürlich sind mit Rothe und Sander zwei wichtige Stammspieler gegangen. Das müssen wir erst einmal kompensieren. Nichtsdestotrotz haben wir gute, entwicklungsfähige Spieler geholt, die schon in der Vorbereitung ihre Qualitäten gezeigt haben. Die Position des Linksverteidigers haben wir zum Beispiel mit Tymoteusz Puchacz gefüllt, der in der 2. Bundesliga (er war von Union Berlin nach Kaiserslautern ausgeliehen, Anm. d. Red.) eine Top-Saison gespielt hat. Letztendlich sind wir eine Mannschaft, die über den Zusammenhalt kommen wird.

SPORT1: Trainer Marcel Rapp übernahm Holstein Kiel im Jahr 2021, als die Mannschaft sich nach einer gescheiterten Bundesliga-Relegation plötzlich im Abstiegskampf befand. Seitdem ging es steil bergauf. Was zeichnet ihn als Trainer aus?

Holtby: Ich schätze am meisten seine Gradlinigkeit und seine Menschlichkeit. Er hält sich an das, was er sagt, ist ehrlich und offen und sehr gut in der Kommunikation – und zwar mit jedem, ob nun einem jungen oder einem erfahrenen Spieler. Er hat einen sehr akribischen Ansatz, Fußball zu spielen. Deswegen bin ich sehr überzeugt von ihm als Trainer und hoffe, dass er den Weg noch lange mit uns weitergehen wird.

SPORT1: War der Aufstieg für Sie der größte Erfolg Ihrer Karriere?

Holtby: Der Aufstieg hat für mich auf jeden Fall einen extrem hohen Stellenwert. Aber ich bin jetzt schon 16, 17 Jahre im Profifußball dabei und habe viele tolle Momente und Höhepunkte erlebt. Ich durfte für Deutschland spielen, habe in der Champions League gespielt, dann kam jetzt mit dem Aufstieg ein extrem toller Moment hinzu. Und wer weiß, vielleicht kommen ja noch ein paar schöne Momente dazu ....

Kiel: „Landeshauptstadt mit großem Potenzial“

SPORT1: Ist die einstige Handball-Stadt Kiel nun eine Fußball-Stadt?

Holtby: Ja, auf jeden Fall. In den letzten Jahren ist mit diesem Verein viel passiert. Man stand im DFB-Pokalhalbfinale und zweimal in der Relegation zur Bundesliga, dadurch gelangte Kiel immer mehr auf die Karte. Bei der Aufstiegsfeier hat man gesehen, wie viele Menschen hinter Holstein Kiel stehen - die komplette Stadt. Durch die Bundesliga wird das Interesse noch größer werden. Der THW Kiel hat das im Handball natürlich auch bereits über viele Jahre geschafft. Kiel ist eben eine Landeshauptstadt mit großem Potenzial.

SPORT1: Sie haben gerade erwähnt, wie lange Sie schon im Profifußball aktiv sind. Sie wurden in Deutschland bekannt, als Sie in Mainz gemeinsam mit Adam Szalai und André Schürrle als die „Bruchweg-Boys“ die Bundesliga aufmischten. Haben Sie heute als Kapitän und Familienvater einen anderen Blick auf den Fußball als damals?

Holtby: Ja, seitdem sind einige Jahre vergangen. Ich habe seit Mainz einige Orte, Umzüge, andere Ligen und verschiedenste Szenarien erlebt. Klar, damals war man noch unbekümmerter. Jetzt ist man eine Ecke reifer, hat andere Aufgaben, die sich auch abseits des Platzes abspielen. Es geht auch darum, die Mannschaft zusammenzuhalten, Gespräche zu führen, in gewissen Situationen zu helfen und als Ansprechpartner da zu sein. Ich freue mich immer, wenn gerade jüngere Spieler auch einmal bei mir nachfragen und sich einen Rat holen.

SPORT1: War Kiel also der richtige Verein zum richtigen Zeitpunkt?

Holtby: Absolut. Ich wollte 2021 unbedingt hierherkommen, weil ich das Gefühl hatte, dass dies genau der richtige Verein für mich ist. Einfach wegen der Art und Weise, wie hier Fußball gespielt und gearbeitet wird. Jetzt bin ich drei Jahre in Kiel, der Verein hat sich weiterentwickelt und spielt nun in der Bundesliga. Man sieht, dass vieles immer professioneller geworden ist und zum Beispiel auch mehr Mitarbeitende dazugekommen sind. Aber die Entwicklung ist sicherlich noch nicht zu Ende.