Home>Fußball>Bundesliga>

Anton? "Da haben manche Menschen jedes Maß verloren!"

Bundesliga>

Anton? "Da haben manche Menschen jedes Maß verloren!"

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

VfB-Boss mit Klartext zu Anton

Diverse Leistungsträger sind weg, der VfB Stuttgart steht im Hinblick auf die kommende Saison vor einer Herausforderung. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Sportvorstand Fabian Wohlgemuth über die kommende Spielzeit, die Abgänge von Guirassy, Ito und Anton und den Deal von Demirovic.
Waldemar Anton wechselt vom VfB Stuttgart zu Liga-Konkurrent Borussia Dortmund. Ist der Wechsel fragwürdig oder verständlich?
Reinhard Franke
Reinhard Franke
Diverse Leistungsträger sind weg, der VfB Stuttgart steht im Hinblick auf die kommende Saison vor einer Herausforderung. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Sportvorstand Fabian Wohlgemuth über die kommende Spielzeit, die Abgänge von Guirassy, Ito und Anton und den Deal von Demirovic.

Fabian Wohlgemuth hätte sicher nichts dagegen, wenn es wieder so läuft. Im Sommer 2023 verließen mit dem damaligen Kapitän Wataru Endo (zum FC Liverpool), Borna Sosa (Ajax Amsterdam) und Innenverteidiger Konstantinos Mavropanos (West Ham United) drei Leistungsträger den VfB Stuttgart. Doch das Ende ist bekannt: Der VfB wurde Vizemeister und schaffte so die Qualifikation zur Champions League.

{ "placeholderType": "MREC" }

Auch in diesem Sommer haben wichtige Säulen im Team den Klub verlassen. Kapitän Waldemar Anton wechselte zu Borussia Dortmund, Ito zum FC Bayern, und Topstürmer Serhou Guirassy verlässt den VfB ebenfalls. Ein Wechsel zum BVB steht weiterhin im Raum.

Wohlgemuth, seit dem 1. Juli Sportvorstand, sieht in dem personellen Umbruch allerdings mehr Chancen als Risiken. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 45-Jährige über die aktuelle Situation.

SPORT1: Herr Wohlgemuth, seit 1. Juli sind Sie Sportvorstand. Was ist jetzt anders als im Job des Sportdirektors?

{ "placeholderType": "MREC" }

Fabian Wohlgemuth: Formal sind über Nacht neue Verantwortungsgebiete hinzugekommen. Ab jetzt bin ich auch für die Nachwuchsarbeit und den Frauenfußball in letzter Instanz zuständig, beides versehen mit Ambitionen. Und dennoch ändert sich mein Arbeitsalltag weder zeitlich noch inhaltlich radikal. Wir haben ein hervorragendes Team, in dem es gelingt, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar abzugrenzen und trotzdem gemeinsam zu agieren. Anders wäre eine derartige Veränderung in einer laufenden Transferperiode nur mit vielen Kompromissen leistbar. Hinsichtlich der Lizenzspielermannschaft ändert sich weniger.

VfB-Boss über Rekordeinkauf Demirovic

SPORT1: Der VfB hat Ermedin Demirovic vom FC Augsburg verpflichtet und für den Stürmer so viel Ablöse bezahlt wie noch nie zuvor für einen Spieler. Wie groß ist der Druck, der dadurch auf Demirovic und auch auf Ihnen als Sportvorstand lastet?

Wohlgemuth: Ermedin Demirovic hat jetzt über mehrere Jahre seine besondere Qualität nachgewiesen. Er zählt zu den Topstürmern der Bundesliga. Seine Erfahrung und Mentalität machen ihn zu einem absoluten Gewinn für unsere Mannschaft. Natürlich wissen wir, dass mit einer solchen Verpflichtung für alle Beteiligten ein gewisser Druck einhergeht. Das gehört zum Profifußball dazu, damit müssen und können wir umgehen.

SPORT1: War der Deal mit Alexander Nübel (Leihe vom FC Bayern verlängert) ein Hauptargument für Ihre Beförderung? Das war schon ein guter Move von allen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Wohlgemuth: Eben, von allen. Ein einzelner Transfer hat da vermutlich nicht den Ausschlag gegeben. Und auch wenn es abgedroschen klingt; bei uns geht niemand alleine durchs Ziel. In den allermeisten Fällen ist das Zustandekommen einer solchen Unterschrift ein Gemeinschaftswerk. So auch in diesem Fall.

Wohlgemuth: Einen „Umbruch sehe ich nicht“

SPORT1: Wie schwierig ist der Umbruch beim VfB Stuttgart?

Wohlgemuth: Einen Umbruch sehe ich tatsächlich nicht, eher eine lange Reise. Im Dezember 2022 war uns allen klar, wieviel Geduld und Teamgeist aufzubringen war, um das Ruder herumzureißen. Wenn wir unsere sportlich-wirtschaftlichen Probleme in einer Saison hätten überwinden können, wären es keine echten Probleme gewesen. Das Stadionprojekt, Corona und die andauernde sportliche Talfahrt haben uns in den Grenzbereich gebracht.

SPORT1: Was ist für Sie als sportlich Hauptverantwortlicher die größte Herausforderung in dieser heißen Phase?

Wohlgemuth: Die eigentliche Herausforderung ist, dass die Mannschaft mit der letzten Saison weit vorgelegt hat und dem eigentlichen Plan enteilt ist. Den wollen und können wir nicht verlassen, weil einige Rahmenbedingungen erst folgen und wir vernünftig bleiben. Wenn unsere Ansprüche aber unserer Leistungsfähigkeit zu sehr vorauseilen, ist das problematisch. Wir wollen auf das Gleis, dass uns dauerhaft in das erste Drittel der Liga zurückbringt. Dafür ist aber noch nicht die letzte Weiche gestellt. Das muss uns allen klar sein.

SPORT1: Was kann man vom neuen VfB erwarten?

Wohlgemuth: In jedem Fall eine Mannschaft, die mit Können und Leidenschaft versuchen wird, an das letzte Jahr anzuknüpfen. Wir haben Spieler mit toller Mentalität und hoher individueller Qualität. Auch im vergangenen Jahr mussten wir sportliche Substanz veräußern und uns in vielen zentralen Positionen neu aufstellen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Union? „Quervergleiche nicht besonders sinnvoll“

SPORT1: Keine Sorge, dass es ähnlich böse werden könnte wie bei Union Berlin?

Wohlgemuth: Union ist Union und wir sind der VfB. Hier Quervergleiche zu ziehen, ist nicht besonders sinnvoll. Wir haben unsere Entwicklung und Erfolgserlebnisse im letzten Jahr von Beginn an und über die gesamte Saison immer richtig einsortiert. Auch dafür hat der Trainer gesorgt. Wir haben nicht vor, in der neuen Spielzeit daran etwas zu ändern. Insofern gehen wir nicht von falschen Verhältnissen aus. Auch die Spieler wissen, dass zwischen Relegation und Champions League gerade zwölf Monate liegen.

SPORT1: Sebastian Hoeneß sagte, er sei sauer gewesen, als er von den Abgängen der drei Leistungsträger hörte. Konnten Sie ihn beruhigen?

{ "placeholderType": "MREC" }

Wohlgemuth: Sebastian hat sich im Angesicht einiger attraktiver Angebote sehr früh zum VfB bekannt. Sein Statement hat mich beeindruckt. Natürlich möchte der Trainer, aber längst nicht nur er, die Qualität in Stuttgart halten. Viele Spieler haben hier unter ihm eine unglaubliche Entwicklung gemacht. Sebastian ist Profi und hat bei uns nie die Schwierigkeit der Situation beklagt, sondern mit großer Überzeugungskraft Lösungen gefunden.

SPORT1: War zumindest Ito wirklich nicht zu halten?

Wohlgemuth: Seien Sie ganz sicher, seinem Wechsel nach München haben wir nicht tatenlos zugeschaut.

SPORT1: Sie hatten schon früh Nägel mit Köpfen gemacht. Nick Woltemade (Werder Bremen), Yannik Keitel (SC Freiburg), Justin Diehl (1. FC Köln), Torwart Stefan Drljaca (Dynamo Dresden) und Jeff Chabot (1. FC Köln) wechseln zum VfB. Anthony Rouault (FC Toulouse) und Jamie Leweling (Union Berlin) wurden nach einer Saison Leihe fest verpflichtet. Wie zufrieden sind sie mit der bisherigen Kaderplanung?

Wohlgemuth: Die Kaderplanung vor dem Ende der Transferzeit zu bewerten, ist, wie die Rechnung ohne den Wirt zu machen. Ob es passt und was wir richtig oder falsch gemacht haben, sehen wir im Laufe der Saison.

SPORT1: Sind Sie enttäuscht von Waldemar Anton?

Wohlgemuth: Natürlich waren seine Aussagen nachträglich gesehen unglücklich. Und ich hätte Waldi weiter gerne in unserer Mannschaft gesehen.

Anton zum BVB? „Kann verstehen, wenn es die Leute in Rage bringt...“

SPORT1: In den sozialen Medien wird Anton hart kritisiert. Können Sie die Anhänger verstehen?

Wohlgemuth: Ich kann verstehen, dass es die Leute in Rage bringt, wenn Wort und Tat getrennte Wege gehen. Aus der Perspektive derjenigen, die ihr Geld, ihre starke Identifikation mit dem VfB und ihre Leidenschaft Wochenende für Wochenende ins Stadion tragen, ist das schwer zu verkraften. All das rechtfertigt jedoch die vielen Treffer unter der Gürtellinie in keinem Fall. Da haben manche Menschen inzwischen jedes Maß verloren.

SPORT1: Julian Nagelsmann hat zuletzt eine beeindruckende Pressekonferenz gegeben. Dabei ging es auch um Werte. Hat Anton diese Werte, von denen Nagelsmann spricht, mit Füßen getreten?

Wohlgemuth: Die Spieler und der Profifußball von heute sind Projektionsfläche für fast alles. Ich bin froh, in einer Zeit jung gewesen zu sein, in der ich nicht jedem Ideal entsprechen musste und nicht jeder meiner Kommentare in Ewigkeit im Internet rumgeistern konnte.

SPORT1: Zuletzt drohte der Guirassy-Wechsel zu Borussia Dortmund zu platzen, jetzt gab es nach einer zweiten medizinischen Untersuchung offenbar grünes Licht für den Wechsel. Wie traurig sind Sie darüber?

Wohlgemuth: Serhou hat uns nach der Saison in aller Klarheit seinen Wechselwunsch mitgeteilt. Natürlich ist sein Abgang ein großer Verlust. Die Fußspuren, die er hinterlässt, haben Übergröße. Dennoch haben wir mit diesem Szenario gerechnet und sind dabei, uns neu aufstellen.

SPORT1: Hatten Sie eigentlich je die Hoffnung, dass Guirassy doch bleibt?

Wohlgemuth: Es ist immer eine, wenn auch nicht die wahrscheinlichste Option gewesen.

VfB geht von Führich-Verbleib aus

SPORT1: Chris Führich hat bei der EM keine große Rolle gespielt. Glauben Sie an einen Verbleib in Stuttgart?

Wohlgemuth: Wir gehen fest davon aus, dass wir mit Chris in die kommende Saison gehen. Er hat bei uns bisher eine sensationelle Entwicklung genommen, die ihn bis in die Nationalelf gebracht hat. Darauf sind beide Seiten sehr stolz.

SPORT1: War der Preis für die Verlängerung bei Anton und Führich (mehr Gehalt, Ausstiegsklausel) zu hoch?

Wohlgemuth: Das kann ja nur eine rhetorische Frage sein. Vielleicht so viel; wir haben bei keinem dieser Verträge aus der Position der Stärke verhandeln können, wie wir sie heute haben.

SPORT1: Wann wird es sich der VfB leisten können, Verträge ohne Ausstiegsklauseln abzuschließen?

Wohlgemuth: Je mehr wir uns der dauerhaften Zugehörigkeit zur Spitzengruppe der Bundesliga nähern, desto weniger werden wir in der Situation sein, solche Kompromisse eingehen zu müssen. Genau das führt uns vor Augen, wie weit der Weg ist. Ausstiegsklauseln sind weit weniger dramatisch, wenn wir im gleichen Gehaltsorchester wie die Konkurrenz spielen. Der herausragende Erfolg der letzten Saison führt natürlich in besonderem Maße dazu, dass diese Klauseln jetzt gezogen werden. Wir haben deutlich Boden gut gemacht. Darauf sollten wir stolz sein und mit den Kollateraleffekten unserer Aufwärtsentwicklung konstruktiv und professionell umgehen. Und als Chance für die nachhaltige Entwicklung sehen.

SPORT1: Ergibt es Sinn, bei deutschen Vereinen eine Ausstiegsklausel niedriger anzusetzen? Das ist doch direkte Konkurrenz.

Wohlgemuth: Am besten kommt man ganz ohne Ausstiegsklauseln aus. Allerdings sitzen wir bei den Verhandlungen nicht alleine am Tisch. Die Kompromisse, zu denen wir heute noch gezwungen sind, haben einen etwas längeren Bart. Aber wir schauen nicht zurück. Der Riese ist aufgewacht und wir sind alle wild entschlossen, ihn ins Laufen zu bringen.