Jeanuël Belocian geht in Leverkusen bereits voran - jedenfalls, was das fleißige Schreiben von Autogrammen und Posieren für Selfies angeht. Als nach dem Training am Mittwoch hunderte Fans auf ihre Stars warteten, erfüllte er als Erster die unzähligen Wünsche und nahm sich wie seine Kollegen lange Zeit. Trikots, T-Shirts, Bilder, Fahnen - alles wurde dem jungen Mann entgegen gereicht. Wobei einige der Anhänger wahrscheinlich noch gar nicht wussten, mit wem genau sie es da eigentlich zu tun haben.
Wie gemacht für Leverkusen
Schließlich ist der Franzose ein neues Gesicht beim Double-Sieger. Anfang Juni, inmitten der heißen EM-Vorbereitung, ging fast ein bisschen unter, dass Bayer den 19 Jahre alten Verteidiger für rund 15 Millionen Euro von seinem Jugendklub Stade Rennes verpflichtet hatte. Belocian gilt als Hochveranlagter, dem von vielen eine große Zukunft vorausgesagt wird. Aber eben auch als jemand, über den hierzulande bisher kaum etwas bekannt ist. Was also zeichnet den Neuzugang aus? SPORT1 sprach mit dem französischen Journalisten Alexis Menuge, der ihn schon länger beobachtet.
Belocian? „Ein kompletter Verteidiger“
Zuerst einmal: den Status des reinen Talents hatte Belocian in Frankreich bereits nicht mehr, er sicherte sich in der abgelaufenen Spielzeit bei Rennes einen Stammplatz. Dass der zweimalige U21-Nationalspieler „ein sehr ehrgeiziger Typ ist und sich immer hohe Ziele setzt“, zeige allein das, wie Menuge sagte. „Manchmal verhält er sich noch ein wenig schüchtern, aber es wird ihm helfen, dass es einige französischsprachige Spieler in Leverkusen gibt.“ Jungs wie Odilon Kossounou, Edmond Tapsoba oder Amine Adli, die ebenfalls zurück im Training sind und oft an dessen Seite zu sehen waren.
Menuge betonte dazu Belocians riesiges Potenzial, welches trotz seiner erst 39 absolvierten Profispiele offensichtlich sei: „Jeanuël ist ein sehr guter und aggressiver Zweikämpfer. Auch seine Kopfballstärke spricht für ihn, gefühlt ist er in der Luft kaum zu überwinden. Er ist eigentlich beidfüßig, wobei er es mit seinem linken Fuß vielleicht einen Ticken besser drauf hat. Und er kann ein hervorragender Aufbauspieler sein, der technisch äußerst versiert und so ein kompletter Verteidiger ist.“ Durchaus beachtliche Lobeshymnen.
Belocian bringt viel Flexibilität mit
Natürlich müsse der gebürtig aus Guadeloupe stammende Spieler jenseits davon „noch reifen und an etwas Konstanz gewinnen“, weil er bei Rennes in der Ligue 1 gar nicht so viel Erfahrung gesammelt habe. „Aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass ihn Xabi Alonso fair behandeln und die erforderliche Zeit geben wird“, bekräftigte Menuge. Immerhin, so dürfte es auch Bayers Plan vorsehen, soll sich Belocian erst in aller Ruhe akklimatisieren und von seinen erfahrenen Kollegen lernen, um dann langfristig eine konstante Hilfe zu werden - in gleich doppelter Hinsicht.
Einmal für die linke Seite, wo Alejandro Grimaldo wegen des langen Ausfalls von Arthur in der letzten Saison quasi den Alleinunterhalter gab. Und dann für die Innenverteidigung. Dort haben die Rheinländer in Josip Stanisic bereits einen wichtigen Mann verloren - mit Jonathan Tah, der in enger Verbindung mit dem FC Bayern steht, könnte noch ein weiterer folgen. Belocian wäre insofern jemand wie Piero Hincapie. Jemand, den Alonso bedenkenlos und flexibel bringen kann. Jemand, dem aber auch keine Grenzen nach oben gesetzt sind.
Stammspieler? „Die Qualität dazu hat er“
Seinem 1,82 Meter großen Landsmann traut Menuge ganz schön was zu. Wohl mehr als so mancher seiner französischen Berufskollegen, die Belocian bei seiner ersten Station außerhalb der Heimat noch weniger auf dem Schirm hätten. „Falls sich einer seiner Mitspieler mal verletzt oder gesperrt sein sollte, würde es mich nicht überraschen, wenn Jeanuël seine Chance gleich nutzen kann und vielleicht schon in der Rückrunde Stammspieler ist. Das Zeug und die Qualität dazu hat er auf jeden Fall“, erklärte der Journalist. Doch zu hohe Erwartungen wolle er für den Anfang auch nicht schüren.
So erinnerte Menuge daran, dass es in jüngster Vergangenheit schon den ein oder anderen Franzosen gab, der etwas brauchte, um sich an die höhere Intensität der Bundesliga zu gewöhnen - unter anderem Moussa Diaby oder Amine Adli in Leverkusen. Auch Belocian wird die nötige Zeit bekommen. „Bayer baut langfristig auf Jeanuël. Sollte er es nächste Saison nicht ganz packen, dann spätestens 2025/26″, ist sich Menuge sicher.