Am Montagmittag veröffentlichte der VfL Bochum eine Meldung über gerade einmal neun Zeilen auf seiner Homepage. Kurz, knackig und präzise. Umso bemerkenswerter war jedoch der Inhalt: Wie der Verein offiziell mitteilte, werde Manuel Riemann dem Kader für die beiden Relegationsspiele gegen Fortuna Düsseldorf nicht mehr angehören - ein krachender Paukenschlag im sportlichen Überlebenskampf.
Eine Eskapade zu viel
„Grund sind unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminhaltlichen Themen. Der VfL stellt klar, dass es sich nicht um eine Suspendierung oder Bestrafung handelt. Der VfL und Manuel Riemann werden diese Situation nach Saisonende aufarbeiten“, hieß es weiterhin. Laut Angaben der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung habe der verbannte Torhüter das Vereinsgelände um 10.20 Uhr verlassen, das Training fand bereits ohne ihn statt. Inzwischen sind die genauen Hintergründe bekannt.
Klar ist: Es geht um Riemanns Verhalten. Bei der jüngsten Bochumer Pleite in Bremen (1:4), welche den bitteren Sturz auf Rang 16 bedeutete, fiel der 35-Jährige zum wiederholten Male als Schreihals auf, schimpfte und wütete gegen seine eigenen Mitspieler. Unter anderem gegen Goncalo Paciencia, der sich neben dem Tor warm machte, zu diesem Zeitpunkt also noch gar nicht auf dem Rasen stand. Später verwickelte er auch Matus Bero in eine heftige Diskussion. Viele VfL-Profis sehen Riemann deswegen extrem kritisch, mit Teilen des Teams soll das Tischtuch längst zerschnitten sein.
Bochum-Teamkollegen von Riemann genervt
Sportboss Patrick Fabian sah sich einem Bild-Bericht zufolge gezwungen, noch am Sonntag ein klärendes Gespräch mit der Mannschaft zu führen. Dabei lautete die zentrale Frage: Wer verschreibt sich zu hundert Prozent dem gemeinsamen Ziel Rettung? Riemann offenbar nicht. Und auch der Torhüter sei schlicht und einfach nicht mehr dazu bereit, sich mit seinen Stärken ins Gesamtgefüge einzubringen, weil er nicht zu seinem Team stehe. Das habe Riemann in einem Gespräch mit den Verantwortlichen signalisiert.
Heißt: Durch die drastische Entscheidung wollten die Bochumer den Rest des Teams stärken, hätten viele Spieler nun mal seit langer Zeit einen Hals auf Riemann und fühlten sich durch dessen Art gehemmt. Das VfL-Urgestein soll demnach mit seinen Mecker-Anfällen auf dem Platz, den häufigen Streitigkeiten in der Kabine und dem aktiven Fordern, bestimmte Spieler auszuwechseln, angeeckt sein. Die ständigen und wüsten Beschimpfungen seien verunsichernd und irritierend gewesen.
Mittlerweile fehle Riemann dem Bericht zufolge innerhalb des Teams jeglicher Rückhalt, so hätten seine Mitspieler die Nachricht, in der Relegation ohne ihren etatmäßigen Torhüter anzutreten, durchweg positiv aufgenommen - wenngleich diese Entscheidung rein aus personeller Sicht natürlich eine Schwächung ist. Im Prinzip gilt er als zuverlässiger Rückhalt, der den VfL mit seiner Erfahrung schon in so manchen Spielen alleine gerettet hat.
Riemann wiederholt auf schwierigem Terrain
Andererseits ist es eben nichts Neues, dass Riemann abseits des sportlichen Geschehens Schlagzeilen schreibt. Unvergessen eine Aktion aus dem August 2019, als der VfL nach einem ohnehin schon verkorksten Saisonstart zur Pause mit 0:3 gegen Wehen Wiesbaden zurücklag. Damals untergrub der polarisierende Torwart kurzerhand die Autorität des Trainers Robin Dutt und stellte, zusammen mit Kapitän Anthony Losilla, die Taktik um. Die Begegnung endete 3:3 - und Dutts folgende Freistellung war besiegelt.
Wieder für viel Aufsehen sorgte der gebürtige Oberbayer Anfang April 2023, als er auf einen Zuschauer losging, der ihn über Wochen hinweg beleidigt und bedroht hatte. Erst kam es zu einem Wortgefecht, dann sogar zu einem kleinen Handgemenge, weshalb die beiden Protagonisten von Sicherheitskräften, anderen Fans und Mitspielern zurückgehalten werden mussten, damit die Situation nicht vollends eskalierte. Schon lange gilt der Keeper als Grenzgänger und Lautsprecher zwischen den Pfosten, entsprechend ist „Radio Riemann“ sein Spitzname.
Mit seiner impulsiven und unverbiegbaren Art schuftete Riemann jahrelang an seinem Kultstatus, weil Typen wie er im heutigen Fußballgeschäft eine echte Rarität geworden sind. Sein unbändiger Ehrgeiz lebte den galligen Bochumer Charakter vor, so verzichtete der Verein bisher auf Sanktionen, sondern stärkte dem Routinier immer wieder den Rücken. Bis zum jetzigen Vorfall, bei dem die rote Linie doch überschritten wurde.
Relegation: Routinier dürfte Riemann ersetzen
Bei den beiden Spielen gegen Fortuna Düsseldorf dürfte nun Andreas Luthe zwischen die Pfosten rücken. Der 37 Jahre alte Routinier verfügt sogar schon über Relegations-Erfahrung, er stand am Ende der Saison 2010/11 zwischen den Pfosten, als die Bochumer knapp an Borussia Mönchengladbach scheiterten. Während es damals um den Aufstieg ging, ist das Ziel diesmal, den neuerlichen Gang in die 2. Bundesliga zu verhindern.
Völlig offen ist dann, wie es dann im Sommer weitergeht. Luthe wird seine Karriere nach der Relegation beenden. Riemanns Vertrag läuft zwar noch bis 2025. Dass er wirklich so lange bleiben wird, erscheint aber nun fraglicher denn je - derart zerrüttet ist das Verhältnis zwischen der Mannschaft und ihrem Torhüter.