Als Spieler war Vincent Kompany ein absoluter Anführer auf dem Fußballplatz, bei Manchester City wurde er zur Ikone. Nun haben die Bayern ihn offenbar als Nachfolger für Trainer Thomas Tuchel auf dem Zettel.
Ein Hauch von Pep für die Bayern?
Dass der Belgier heiß gehandelt wird, liegt auf den ersten Blick nicht wirklich auf der Hand. Erst seit 2020 steht Kompany, der rund zwei Jahre für den HSV und über zehn Jahre bei Manchester City spielte, nicht mehr aktiv auf dem Feld.
Als Trainer machte er die ersten Schritte bei seinem Heimatverein RSC Anderlecht und beim englischen FC Burnley, mit dem er erst vor wenigen Tagen aus der Premier League abgestiegen ist. Jetzt soll der 38-Jährige ein ernsthafter Kandidat für den FC Bayern sein.
Die Personalie kommt unerwartet und überrascht viele. Doch schon Trainer-Ikone Pep Guardiola pries seinen Ex-Spieler im März 2023 als künftigen Coach der allerersten Reihe an.
„Eines Tages wird er hier sitzen und Manchester City repräsentieren“, war sich der Spanier damals nach einem Spiel gegen Kompanys Burnley sicher. Es sei Kompanys „Bestimmung, hier Trainer zu werden“.
Wieso hält Guardiola so viel von Kompany und was macht den Belgier so besonders? SPORT1 stellt den 38-Jährigen, der nicht nur im Fußball eine beeindruckende Lebensgeschichte geschrieben hat, vor.
FC Bayern? Was man über Vincent Kompany wissen muss
Ausgebildet wurde der 1,90 Meter große Innenverteidiger beim RSC Anderlecht. Beim belgischen Hauptstadtklub spielte er auch seine ersten Profijahre, ehe es ihn 2006 zum Hamburger SV verschlug, wo er Daniel Van Buyten in der Abwehr ersetzen sollte.
Nach zwei starken Jahren in Hamburg wechselte er 2008 in die Premier League zu Manchester City. Dort sollte er innerhalb seiner insgesamt über zehn Jahre zu einer Klub-Ikone aufsteigen. Der frühere City-Präsident Francis Lee bezeichnete Kompany laut Vereinswebseite später als „den besten Innenverteidiger, der je für den Verein gespielt hat“. 2019 enthüllte der Klub vor dem Stadion sogar eine Statue seines Profis.
Der Belgier hatte die „Citizens“ ab 2011 als Kapitän aufs Feld geführt. Er überzeugte mit physischer Stärke, war Sprachrohr auf dem Platz und verfügte darüber hinaus über eine feine Technik. Insgesamt 360 Spiele für ManCity sollten es am Ende sein. Mit dem Klub gewann er vier englische Meistertitel und zweimal den FA Cup. Daneben sammelte er 89 Länderspiele für Belgien und wurde mit seinem Heimatland 2018 WM-Dritter.
In Manchester lernte er Pep Guardiola kennen, der das Team in seinen letzten drei Jahren dort bereits coachte. Schon da zeichnete sich ab, dass Kompany einmal selbst an der Seitenlinie stehen würde. Er agierte teils als rechte Hand von Guardiola, verriet er Jahre später, und habe in dieser Zeit gewissermaßen im Hintergrund geübt, Trainer zu sein.
Kompany bringt die Guardiola-DNA mit
So überrascht die Anerkennung des spanischen Star-Trainers nicht, die er Kompany bereits 2023 zollte, als er ihn als seinen Nachfolger prophezeite. Ebenso überrascht es nicht, dass Kompany - nun selbst Trainer - einen Stil spielen lässt, der viel Pep-DNA in sich trägt. Er setzt mit seinen Teams auf viele Kurzpässe, Ballbesitz, Positionswechsel und unbedingten Offensivdrang.
2019/20 kehrte Kompany zum RSC Anderlecht zurück, fungierte zunächst als Spielertrainer. 2020 trat er als Aktiver zurück und konzentrierte sich nur noch auf das Traineramt.
Ex-Bayern-Profi Joshua Zirkzee, der 2021/22 vom Rekordmeister an den RSC Anderlecht ausgeliehen wurde und dort unter dem Belgier spielte, lobte den Trainer in den höchsten Tönen. „Er sorgt dafür, dass ich jeden Tag heiß bin“, sagte der Stürmer im Interview mit SPOX. „Es ist großartig, einen Trainer zu haben, der seinen Glauben auf einen Spieler übertragen kann.“
Doch ähnlich wie in seiner Zeit als aktiver Spiel kann Kompany auch ganz andere Saiten aufziehen - und wenn nötig erbarmungslose Härte zeigen. Das musste Zirkzee am eigenen Leib erfahren: In der VOOsport-Dokuserie „Mauve“, die hinter die Kulissen des belgischen Klubs blickte, ist eine Szene zu sehen, in der Kompany nach einem schwachen Spiel und einem späten 2:2-Ausgleichstreffer des Gegners wutentbrannt in die Kabine kommt.
Zuerst schlägt er einen Trikotkoffer zu und zerreißt seine Spieler dann regelrecht. „Hört zu! Keine Missverständnisse! Es gibt eine f****** Seite von mir, die ihr Jungs noch nicht gesehen habt“, poltert Kompany los. Später attackiert er Zirkzee und brüllt: „Zirk, das ist das letzte Mal, dass ich über deine Einstellung spreche! Wenn du ausgewechselt wirst, erwarte ich kein f****** Lächeln, aber ich will eine Einstellung sehen, die perfekt ist. Du warst nicht gut, genau wie all die anderen.“
Sein Team habe seine Zeit verschwendet, sagt der Trainer wütend und resümiert: „Es wäre besser gewesen, die U21 zu schicken.“
Kompany spricht Deutsch und Englisch
Mit Anderlecht wurde Kompany in seinen beiden Saisons zweimal Dritter - 2023 folgte der Wechsel zum FC Burnley. Und der Belgier ließ dort keinen Stein auf dem anderen. Der Klub war gerade sang- und klanglos aus der Premier League abgestiegen. Doch die City-Ikone hauchte dem Team neues Leben ein, verjüngte den Kader und ließ attraktiven Offensivfußball spielen.
Burnley schaffte den direkten Wiederaufstieg. Kompany war mit 37 Jahren der jüngste Trainer der Premier League - und der einzige nicht weiße. Der Trainer gilt als sehr kommunikativ mit seinen Spielern, er spricht mehrere Sprachen fließend, darunter Französisch, Englisch und Deutsch (dass der künftige Coach Englisch oder Deutsch sprechen können muss, ist beim FC Bayern bekanntermaßen Einstellungsvoraussetzung).
Darüber, was ihm bei einem Klub wichtig sei, sagte er vor seiner ersten Burnley-Saison. „Der beste Ausgangspunkt ist eine Mannschaft zu haben, die richtigen Zusammenhalt zeigt. Ich ziehe das dem Talent vor“, sagte Kompany auf dem vereinseigenen Youtube-Kanal.
Zusammenhalt ist für den Belgier schon immer wichtig gewesen, das zeigt auch sein Werdegang abseits des Fußballs. Mehrfach betonte er selbst, dass das viel mit seiner Familiengeschichte zu tun habe.
Kompanys Vater Pierre, ein gebürtiger Kongolese, war ein politischer Oppositioneller, der gegen den früheren Diktator Mobutu Sese Seko in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) aufbegehrte. Hierfür wurde er für über ein Jahr inhaftiert. Nachdem er das Gefängnis verlassen hatte, floh er 1975 nach Belgien, wo 1986 sein Sohn Vincent zur Welt kam.
Vincent pflegt nicht nur zu ihm ein enges Verhältnis, sondern auch zum Rest der Familie - seinem jüngeren Bruder Francois (auch Fußballprofi) und seiner älteren Schwester Christel. Auch zu seiner Mutter, die als Gewerkschafterin ebenso politisch aktiv war wie der Vater. Sie starb 2007 nach langer Krankheit.
Kompany hätte auch Karriere in der Politik machen können
2018 wurde Vater Pierre zum Bürgermeister der Kleinstadt Ganshoren gewählt - und damit der erste schwarze Bürgermeister Belgiens. Gemeinsam mit seinem Bruder zeigte sich Kompany in einem Video auf Instagram emotional, nannte die Wahl „historisch“.
Zudem schrieb er unter das Video: „Wir sind so stolz auf dich, Papa. Du kamst 1975 als Flüchtling aus der DR Kongo. Jetzt hast du das Vertrauen deiner Gemeinde gewonnen und bist der erste schwarze gewählte Bürgermeister in Belgien! Das war längst überfällig, aber es ist ein Fortschritt.“
Der 38-Jährige schaut selbst immer wieder über den Tellerrand hinaus und widmet sich neben dem Fußball auch anderen Projekten. 2014 wurde Kompany zum internationalen Botschafter von SOS-Kinderdorf ernannt.
Er kaufte den kleinen belgischen Klub BX Brüssel, mit dem er den fußballerischen Nachwuchs fördert und benachteiligten Kindern einen Weg aus der Armut bieten will. Zusammen mit dem Bürgermeister von Greater Manchester gründete er 2018 eine Initiative zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit.
Neben seiner Fußballlaufbahn machte Kompany zwei Abschlüsse, darunter einen Master in Business Administration an der Alliance Manchester Business School. Darauf angesprochen, erklärte der damalige Innenverteidiger.
„Ich war schon immer der Meinung, dass Bildung sehr wichtig ist, und dies wurde mir von meiner verstorbenen Mutter von klein auf eingeflößt. Der MBA-Abschluss schien mir wie eine Ehrung für meine Mutter zu sein“, wird er auf der Webseite der Uni zitiert.
Sein Ehrgeiz und seine Einstellung hätten Kompany auch eine Karriere außerhalb des Fußballs ermöglicht - doch jetzt könnte für den 38-Jährigen der nächste Karriereschritt in seinem Sport folgen.
Nicht ausgeschlossen, dass sein Weg ihn dabei zum deutschen Rekordmeister führt - oder irgendwann einmal zurück zu Manchester City.