Unbändiger Jubel, unendliche Euphorie! Dieser FC hat gestern das geschafft, wovon nicht einmal die positivsten Rheinländer nach den ersten 20 Minuten geträumt hätten. Die Kölner sichern sich am kommenden Wochenende ein Endspiel in Heidenheim. Gleichzeitig sind sie auf Schützenhilfe der Freiburger angewiesen, um wenigstens noch die Relegation zu erreichen.
BVB-Freundschaft bekommt tiefe Risse
Doch einen Tag nach diesem hochemotionalen Last-Second-Sieg ist die Euphorie der Wut gewichen. Denn der BVB hat mit einer Nicht-Leistung (0:3) gegen Köln-Konkurrent Mainz 05 verpasst, den Kölner eine besser Ausgangssituation zu ermöglichen. Vor allem die Einstellung der Dortmunder Kicker und die große Rotation von BVB-Coach Edin Terzic ließen unzählige FC-, Bochum- und sogar Dortmund-Anhänger wüten. Von „Wettbewerbsverzerrung“ ist die Rede.
Terzic rotiert, weiter BVB-Anzug blamiert sich
BVB-Trainer Edin Terzic wechselte im Vergleich zur Paris-Gala auf insgesamt 10 (!) Positionen. Damit wollten die Dortmunder ihr Stammpersonal für das Spiel des Jahres am 1. Juni in Wembley schonen. Das ist definitiv ihr gutes und verständliches Recht. „Es war schon auffällig. Aber es ist total verständlich nach dieser tollen Nacht in Paris, dass man dann ein paar Leute schont“, meinte auch Ex-Manager Dieter Hoeneß im STAHLWERK-Doppelpass von SPORT1.
Schon am vergangenen Wochenende gönnte Terzic seinen Königsklassen-Helden eine Pause. Dennoch wurde der FC Augsburg von der zweiten Dortmunder Reihe mit 5:1 aus dem Stadion gefegt. Doch auch der zweite Anzug der Borussia zeigt, wie schon das komplette Team in der bisherigen Saison, zwei Gesichter. Im Vergleich zum Sieg gegen den FCA stand gegen Mainz nominell sogar eine stärkere BVB-Mannschaft von Beginn an auf dem Rasen. Nico Schlotterbeck und Salih Özcan rückten für den häufig in der U23 eingesetzten Antonios Papadopoulos und Youngster Kjell Wätjen in die erste Reihe.
Einen Vorwurf aufgrund der Aufstellung kann man Terzic also kaum machen. Es standen nach wie vor gestandene Bundesliga-Profis auf dem Platz, um dessen Qualität viele Mannschaften den BVB beneiden würden.
BVB mit Wettbewerbsverzerrung? „Es hat ein Geschmäckle“
„110%“ wollte man laut den Dortmundern und allen voran Nico Schlotterbeck in den beiden letzten Spielen geben. Fehlanzeige! Die Dortmunder boten den giftigen Mainzern kein Paroli, verloren die meisten Zweikämpfe (sofern sie denn überhaupt in welche kamen) und liefen satte sieben Kilometer weniger. Ex-Profi Maik Franz fand im STAHLWERK-Doppelpass von SPORT1 deutliche Worte und spricht sogar von einer „skandalösen“ Vorstellung: „So aufzutreten ist nicht cool. Und vor allem lassen sie ihren Trainer Edin Terzic im Stich.“
SPORT1-Experte Stefan Effenberg möchte nicht von Wettbewerbsverzerrung wissen, lobt eher den Gegner der Dortmunder: „Es hat ein Geschmäckle. Aber Mainz ist auch keine Laufkundschaft, obwohl sie im Keller stehen.“
Und tatsächlich: Mainz 05 spielt unter Bo Henriksen eine stark verbesserte Rückrunde, verlor keins der vergangenen acht Bundesliga-Spiele und holte 17 von möglichen 21 Heimpunkten.
„Trotzdem musst du da einfach ein anderes Gesicht zeigen. Vor allem, wenn diese Mannschaft dir ein Jahr zuvor die Meisterschaft versaut. Ich als Spieler hätte gesagt: Wir gehen da raus und schießen die im Idealfall in die zweite Liga. Das war letztes Jahr so ein Messerstich. Da haben die Mainzer das gemacht, was man eigentlich jetzt von Dortmund erwartet hätte“, echauffierte sich Franz.
Fanfreundschaft bekommt Risse
Die Fanlager von Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln verbindet eine enge Fan-Freundschaft. Auf der Kölner Südtribüne, dem FC-Heiligtum, hing gestern sogar ein Banner, auf dem stand: „Holt euch dat Ding, Borussia!“ Gemeint ist der Henkelpott.
Doch die Unterstützung war einseitig. Auf dem Rasen in Mainz war bei den Dortmundern davon nichts zu sehen.
Viele BVB-Fans entschuldigten sich sogar im Nachgang des Spiels ihrer Mannschaft über die sozialen Netzwerke bei ihren Kölner „Freunden“. Dortmund-Trainer Terzic meinte jedoch, man wäre „nicht für deren Situation verantwortlich“.
Fairplay? 1. FC Köln macht es dem BVB vor
Und dennoch hat der FC vorgemacht, was Fairplay bedeutet. Rückblick: 27. Mai 2023. Als der BVB am letzten Spieltag gegen Mainz noch die sicher geglaubte Meisterschaft verspielte, hätte der FC fast dazu beigetragen, dass es trotz des Dortmunder Remis noch für die Schale gereicht hätte.
Denn im Duell gegen die Bayern stemmten sich die Rheinländer mit allem dagegen, was sie hatten (1:2). Obwohl es für den FC um nichts mehr ging, bot Ex-Trainer Steffen Baumgart seine beste Elf auf, um sich genau diese „Wettbewerbsverzerrung“ nicht vorwerfen lassen zu müssen. Nicht einmal FC-Urgestein Timo Horn, der 21 Jahre (!) das Tor bei den Domstädtern hütete, durfte zum Saisonabschluss sich auf dem Rasen den Fans und der Bundesliga verabschieden.
Feststeht: Der 1. FC Köln ist am letzten Spieltag auf Schützenhilfe angewiesen und muss selbst zusehen, seine eigenen Hausaufgaben in Heidenheim zu erledigen. Und dennoch: Die Freundschaft bekommt tiefe Risse, ein „Geschmäckle“ bleibt.