Jeder deutsche Fußball-Fan kennt den berühmtesten Spruch von Alfred Preißler, zumindest die zweite Hälfte davon.
Vier Worte für die Ewigkeit
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldener Baum“: Der berühmte Satz der Teufelsfigur Mephisto aus Goethes Faust war offensichtlich die Inspiration für die deutsche Fußball-Legende, als sie über den Sport und das Leben sinnierte.
„Grau is‘ im Leben alle Theorie“, fand auch Preißler, ersetzte allerdings den grün-goldenen Baum mit prosaischer Ruhrpott-Klugheit: „Grau is‘ im Leben alle Theorie, aber entscheidend is‘ aufm Platz.“
Nun weiß man zwar bei so alten Zitaten am Ende doch nie ganz genau, ob sie wirklich so gefallen sind. Aber ganz gewiss ist: Entscheidend is‘ aufm Platz - besser als mit diesen vier (oder fünf?) Worten lassen der Fußball und viele andere Dinge sich schwer auf den Punkt bringen.
Und besser lässt sich auch nicht auf den Punkt bringen, wofür „Adi“ Preißler stand, der große Fußballer und Trainer, der heute 103 Jahre alt geworden wäre und nicht nur den Mythos Borussia Dortmund entscheidend prägte.
Adi Preißler: Vom einfachen Arbeiter zum Fußball-Idol
Preißler, geboren am 9. April 1921 in Duisburg, ist ein einfacher Mann: gelernter Mechaniker, technischer Angestellter, im Zweiten Weltkrieg von Hitlers Wehrmacht eingezogen und auf den Russlandfeldzug geschickt.
Das junge Fußball-Talent hat das Glück, den verbrecherischen Wahnsinn zu überleben (anders als Millionen andere deutsche Soldaten und zig Millionen Menschen in der damaligen Sowjetunion). Seine sportliche Begabung bringt ihm dann in Nachkriegsdeutschland überregionalen Ruhm ein.
Zu Borussia Dortmund verschlägt es Preißler nach Kriegsende erstmals, weil von dort seine spätere Frau kommt und eine gute Entlohnung, damals teils noch in Essensrationen.
1949 schießt Preißler den BVB 1949 mit 25 Toren zum Titel in der Oberliga West und seinem damals ersten Endspiel um die deutsche Meisterschaft – mit 2:3 nach Verlängerung knapp verloren gegen den VfR Mannheim. Ein Jahr darauf vollzieht Preißler einen Wechsel, der damals regional ähnliche Wellen schlägt, wie es später ein Transfer eines BVB-Topspielers zu Schalke oder Bayern getan hätte.
Vom „Superteam“ Preußen Münster zurück zum BVB
Der SC Preußen Münster lockt Preißler, ein ambitionierter Klub, der zu Beginn des Wirtschaftswunder-Jahrzehnts ein „Superteam“ zusammenstellt, das die Universitätsstadt auf den deutschen Fußball-Thron führen soll.
Der Klubobmann und Bauunternehmer Josef „Opa“ Oevermann lockt Preißler – gefördert von einem Verbund lokaler Industrie- und Handelsgrößen – mit einem Handgeld von unglaublichen 10.000 D-Mark und der Verpachtung einer Tankstelle. Preißler stürmt ab sofort an der Seite vier anderer Offensivstars seiner Generation - Josef Lammers, Siegfried Rachuba, Rudi Schulz und Felix „Fiffi“ Gerritzen. Dem mythischen „100.000-Mark-Sturm“.
Auch mit Münster stößt Preißler ins deutsche Finale vor, verliert 1951 aber erneut, vor über 100.000 Fans im Berliner Olympiastadion siegt der 1. FC Kaiserslautern mit 2:1. Ein Jahr danach treiben Heimatgefühle Preißler zurück nach Dortmund - wo er dann schließlich sein großes, bis heute in Ehren gehaltenes Vermächtnis erschafft.
„Drei Alfredos“ schießen Dortmund zum ersten deutschen Meistertitel
Preißler wird beim BVB erneut Teil eines legendären Sturmverbunds mit einem wunderbaren Namen: den „drei Alfredos“ - Alfred Kelbassa, Alfred Niepieklo, Alfred Preißler. Letzterer ist nun unumstrittener Publikumsliebling und Führungsspieler des Teams.
1956 gelingt die Krönung mit einem 4:2-Sieg gegen den Karlsruher SC, alle drei Alfredos treffen. Unter den über 70.000 Zuschauern in Berlin ist auch Hollywood-Superstar Gary Cooper, vor Ort als Gast der parallel laufenden Berliner Filmfestspiele.
Preißler reckt die erste Meisterschale der BVB-Historie in die Höhe und verspricht auch gleich mal: „Freunde, den Kuchenteller holen wir uns nächstes Jahr wieder!“ Machen sie dann auch.
Durch die beiden Titel - und dadurch, dass der BVB damals auch den Lokalrivalen Schalke überflügelt - wird Preißler zur bis heute verehrten BVB-Ikone.
BVB ehrt Andenken bis heute
In der Nationalmannschaft setzte sich Preißler trotz seiner Erfolge und der beeindruckenden Torquote (168 Treffer in 289 Spielen für den BVB) nie durch. Bei Bundestrainer Sepp Herberger kam er nicht an Fritz Walter und Max Morlock vorbei, bestritt nur zwei Länderspiele, war kein Teil der 1954er Weltmeistermannschaft.
In Dortmund schmälerte es seinen Ruhm nicht, umso mehr gehörte sein Heldenmythos ganz ihnen, beziehungsweise fast ganz: Auch Rot-Weiß Oberhausen verehrt Preißler, der dem Dortmunder Lokalrivalen 1969 zu seinem einzigen Bundesliga-Aufstieg führte. 2004 kürte RWO Preißler - nach seiner Spieler- und Trainerkarriere bis 1987 Sportlehrer im Jugenddorf Niederrhein in Moers - zu seinem Jahrhundert-Coach.
Am 15. Juli 2003 starb Adi Preißler im Alter von 82 Jahren, die BVB-Fans ehrten ihn am darauffolgenden Spieltag mit einer Choreographie. Auch die Stadt Dortmund hält das Andenken an sein Idol hoch: Die Zufahrt zum Dortmunder Trainingsgelände im Stadtteil Brackel trägt inzwischen den Namen Adi-Preißler-Allee.