Wer die Bedeutung des Dortmunder Sieges in München ermessen will, sollte einen Blick auf die Social-Media-Kanäle des BVB werfen. Schon kurz nach Abpfiff am Samstagabend waren dort Fotos diverser Dortmunder Profis zu sehen.
Bayerns Lichtblick Rechtsaußen
In Siegerposen ließen sie sich vor dem an der Decke des Spielertunnels angebrachten Bayern-Logo ablichten. Für viele Fans des Rekordmeisters eine Provokation. Für viele Münchner Spieler vermutlich auch.
Dass die Dortmunder so ausgelassen feiern konnten, hatten sich die Bayern-Stars selbst eingebrockt. Doch die richtigen Worte fand kaum einer der Stars - mit zwei Ausnahmen: Neben dem unverwüstlichen Thomas Müller ergriff vor allem Joshua Kimmich tapfer das Wort.
Klare Ansagen von Kimmich
Und seine Ansagen hatten es wahrlich in sich. „Eigentlich hat es von der ersten bis zur letzten Minute an allem gefehlt. Ich hatte nie das Gefühl, dass wir unbedingt gewinnen wollen“, sagte Kimmich nach der Partie. Und weiter: „Unabhängig von der Tabellensituation würden mir genügend Gründe einfallen, warum es wichtig ist, Spiele zu gewinnen und gut zu spielen. Anscheinend war das heute nicht der Fall.“
Es ist bemerkenswert, wie sich Kimmich zurück in seine angestammte Leader-Rolle gekämpft hat. Nachdem es durch seine Umpositionierung auf die rechte Außenverteidigerposition und die durchwachsene Leistung in Freiburg ruhig um den 29-Jährigen geworden war, kehrte Kimmich jetzt zurück in den Fokus. Gegen Dortmund war er einer der wenigen Lichtblicke (SPORT1-Note: 3).
Und: Er nimmt die Rolle als Führungsspieler wieder an. Kimmich ist kritisch gegenüber Mitspielern, aber auch gegenüber sich selbst.
Kritik und Selbstkritik
„Ich bin der Meinung, dass wir so nicht auftreten können. Und dass uns das auch nicht vorwärtsbringt“, erklärte der Nationalspieler auf Nachfrage von SPORT1 und bescheinigte der Bayern-Mannschaft eine „blutleere“ Vorstellung.
Wie die offenen Worte im Mannschaftskreis ankamen, ist nicht überliefert. Fakt ist aber: Viele andere Spieler drückten sich lieber vor einer klaren Analyse und dem Ansprechen von Fehlern.
Kimmich scheint zu spüren, dass es für die Bayern-Stars langsam, aber sicher ans Eingemachte geht. Die öffentlichen Ansagen - man könnte auch von Drohungen sprechen - von Sportvorstand Max Eberl werden immer häufiger und lauter.
Zuletzt warnte der 50-Jährige vor einem Abrutschen auf Platz 3 in der Bundesligatabelle und bekannte nochmals öffentlich, dass jeder einzelne Spieler hinterfragt werde.
Gerade für Kimmich, dessen Vertrag 2025 ausläuft, ein interessanter Aspekt. Mit ihm stehen zeitnah erste Gespräche bezüglich seiner Zukunft an. Nur im kommenden Sommer könnten die Bayern für ihn noch eine stattliche Ablösesumme kassieren.
Kimmichs Entwicklung wird bemerkt
SPORT1-Informationen zufolge steht Kimmich tatsächlich unter Beobachtung der Bosse, aber auch nicht mehr als andere Spieler. Dass er sich auf der Außenverteidigerposition gut eingelebt hat, Ehrgeiz zeigt und auch öffentlich das „Mia san mia“ verkörpert, dürfte den Verantwortlichen im Klub nicht entgangen sein.
Kimmich selbst jedenfalls forciert einen Wechsel aktuell nicht und befindet sich in einer relativ komfortablen Verhandlungsposition. Vielseitigkeit und brennender Wille sind seine Markenzeichen - auch wenn letzteres die Mitspieler manchmal auch verärgern kann, wie Julian Nagelsmann noch vor kurzem bestätigte. „Mit dieser Art geht er manchmal auf die Nerven“, sagte der Bundestrainer, lobte diese Eigenschaft aber ausdrücklich.
Insofern können Kimmichs Kollegen nur gewarnt sein. Der Bayern-Star hat sich offenkundig nicht nur auf seiner neuen Position zurechtgefunden, sondern will sich mit Elan auch neben dem Platz positionieren: wieder als Leader.