Gregor Kobel wollte die 1:4-Klatsche gegen RB Leipzig abhaken. So schnell wie möglich. Die Mannschaft wolle sich nun eine „So-lala-Saison versüßen“, meinte der Dortmund-Keeper Gregor Kobel im Anschluss an die Partie zu SPORT1.
Die Mängelliste des BVB
Die Qualifikation für die Champions League in der kommenden Spielzeit sollte trotz der herben Niederlage so gut wie sicher sein. Das große, noch verbleibende Ziel des BVB im Saison-Endspurt ist nun klar: Das Königsklassen-Finale in Wembley.
Die Sorgen nach der deftigen Niederlage sind allerdings groß. Julian Brandt beschrieb die Art und Weise als „kompletter Schlag aufs Maul“. Wenige Tage vor dem Halbfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain mit Superstar Kylian Mbappé am Mittwoch beschäftigen drei große, beängstigende Probleme die Mannschaft von Trainer Edin Terzic.
1. Fehlender Fokus und mangelhafte Zweikampfführung
Der BVB legte gegen RB Leipzig los wie die Feuerwehr. Das Tempo, den Spielwitz und den Offensivdrang der Anfangsphase konnten die Gäste aber nicht im Ansatz hochhalten. Gerade nach dem Ausgleich und der Führung für RB schien es, als würden die Dortmunder den Kopf in den Sand stecken und schon andere Gedanken hegen. „Dann gab es den Bruch“, analysierte auch Terzic den Wendepunkt und weiter: „Es reicht nicht, hier nur gute 20 Minuten zu zeigen.“
Die Dortmunder hatten fortan enorme Probleme in den Zweikämpfen. Sowohl bei den Boden- (45%) als auch bei den Luftduellen (45%) hatte der BVB das Nachsehen gegen aggressivere und gierigere Leipziger. Gerade in den entscheidenden Duellen waren die Schwarz-Gelben überwiegend die Verlierer.
Das bevorstehende Königsklassen-Duell soll, laut Spielern wie Kobel, Brandt und Trainer Edin Terzic, nicht in den Köpfen gewesen sein. Umso weniger erklärbar wirkten die Auflösungserscheinungen des BVB, der am Ende mit drei Toren Unterschied sogar noch gut bedient war. Im Hinspiel gegen Paris dürfen sich die Dortmund einen derartigen Einbruch nicht leisten. Sonst platzt der Traum von London schon vor dem Rückspiel in Paris.
2. Probleme im Umschaltspiel
Gerade im Leipziger Umschaltspiel wirkte die BVB-Mannschaft überfordert. Die Defensivreihe bekam kaum Zugriff auf die wendigen, trickreichen und pfeilschnellen Offensivkünstler von RB. „Wir haben sie sehr einfach zu Chancen kommen lassen. Es braucht von uns allen mehr. Nach den ersten 20 Minuten war das heute nichts“, kritisierte Kobel.
Besonders offensichtlich wurden die Schwachstellen in Person von Marius Wolf, der gerade in der ersten Halbzeit oft von Adeyemi im Stich gelassen wurde und bei Salih Özcan. Diese überfallartige Umschaltbewegung nach Ballverlust beherrschen auch die Hochgeschwindigkeitsfußballer von Paris St. Germain um Kylian Mbappé, Ex-BVB-Ass Ousmane Dembelé und Co. par excellence. Gegen die Franzosen könnte die BVB-Hintermannschaft in der Besetzung ähnlich große, wenn nicht noch größere Probleme bekommen.
3. Personalsorgen
Auch wenn Kapitän Emre Can (gegen Leipzig gelbgesperrt) und wohl auch der aktuell noch erkältete Marcel Sabitzer zurückkommen, bleiben die personellen Probleme weiter groß. Zu den Langzeitverletzten Ramy Bensebaini und Sébastien Haller kommt, dass BVB-Trainer Terzic um die Einsätze von Donyell Malen, Ian Maatsen und Mats Hummels zittern muss.
Malen schlägt sich nach wie vor mit seiner Verletzung aus dem Länderspiel gegen Deutschland herum. Bei seinem Einsatz in Mönchengladbach (2:1) traten die bekannten Probleme am Oberschenkel erneut auf. Der Ausfall des Niederländers schmerzt den Dortmundern aktuell, vor allem weil Karim Adeyemi, wie gegen Leipzig, in alte Muster verfiel und komplett teilnahmslos agierte.
Maatsen fehlte gegen RB, genauso wie Can, gelbgesperrt. Eigentlich stand dem Einsatz der Chelsea-Leihgabe gegen Paris nichts im Wege, doch Sebastian Kehl ließ nach dem Spiel aufhorchen: „Da haben wir noch Hoffnung, dass das alles klappt“, gab sich der BVB-Sportdirektor hoffnungsvoll. Der Grund: Der 22-Jährige kämpft mit muskulären Problemen.
Am schwersten würde die Dortmunder aber wohl ein Ausfall von Mats Hummels treffen. Der Weltmeister erlitt nach einem Zweikampf vor dem 1:3 eine Platzwunde am Schienbein. „Wir hoffen einfach, dass es nichts Wildes ist“, erklärte Terzic und zeigte sich zuversichtlich, dass die Blessur „kein Problem sein sollte“.
Sollte Terzic irren, ist sein Team in zusätzlichen Schwierigkeiten: Hummels ist beim BVB so etwas wie der Mr. Champions League. In allen zehn Partien stand der 35-Jährige über die volle Spielzeit auf dem Feld und war einer der Gründe, warum der BVB überhaupt vom Gewinn des Henkelpotts träumen darf.
Hummels-Ersatzmann Niklas Süle konnte nach seiner Einwechslung gegen Leipzig nicht für die nötige Stabilität sorgen. Doch im Fall der Fälle könnte er zum entscheidenden Mann werden. Denn der Innenverteidiger ist so etwas wie ein Paris-Spezialist. Stichwort „Monstergrätsche“, als er am letzten Spieltag der Gruppenphase mit einer spektakulären Aktion gegen Mbappé rettete und somit auch für den Punktgewinn (1:1) sorgte.
Die Mängelliste des BVB ist nach dem ernüchternden Auftritt gegen Leipzig lang. Für die Dortmunder geht es nun, wie schon so oft zuvor, darum ihr fast schon typisches, glanzvolles Königsklassen-Gesicht zu zeigen. Denn das wird am Mittwoch mehr denn je gefordert sein.