Immer wieder zog es ihn nach hinten. Zwar war Leon Goretzka gegen Mainz eigentlich fest auf der Sechser-Position eingeplant, trotzdem rutschte der Bayern-Star instinktiv nach hinten, um das Spiel aufzubauen.
Bayern hat jetzt einen Quarterback
Als würde ihn jemand magisch nach hinten ziehen?
„Ich weiß nicht, ob es magisch war“, sagte Goretzka nach dem 8:1-Spektakelsieg zu SPORT1. „Aber man schaut natürlich schon, dass man seine Räume findet – das gibt uns der Trainer auch mit. Wir sollen in unserer Struktur schon auch selbst Lösungen finden. Und das habe ich eben versucht.“
Er hat es nicht nur versucht, sondern es ist ihm auch gelungen. Auch deswegen gelangen Goretzka dann eben doch einige fast schon magische Momente. Der 29-Jährige konnte es selbst nicht glauben. Zumal es auch ohne seine zwei Tore und zwei Vorlagen ein besonderer Tag für ihn war.
„So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich habe heute speziellen Besuch von Bekannten und Freunden, die ich lange nicht gesehen habe. Die haben gesagt: ‚Wir sind jetzt schon mal hier, dann musst du auch ein Tor machen‘. Ich habe dann gesagt, dass das auf der Position, die ich mittlerweile spiele, eigentlich gar nicht mehr geht. Dass es dann mit vier Scorerpunkten geklappt hat, ist natürlich eine schöne Geschichte“, sagte Goretzka bei Sky.
Von der Notlösung zum perfekten Mittel
Es ist bemerkenswert, wie der Bayern-Star seine neue Rolle annimmt und in ihr aufgeht. Leon, der Quarterback!
War der Ausflug in die Innenverteidigung in der Hinrunde noch der bayerischen Verletztenmisere geschuldet, ist sein Zurückrutschen in die letzte Reihe jetzt das perfekte Mittel für den Rekordmeister, sein Spiel aufzuziehen.
„Er macht das sehr gut. Ich finde, er spielt sehr klar. Er hat ein sehr gutes, hartes Passspiel. Er traut sich, durch die Lücken zu spielen“, sagte Trainer Thomas Tuchel bereits vor der Partie gegen Mainz. Goretzka mache das auf sehr hohem Niveau.
Mittlerweile weiß der Trainer, was er an Goretzka hat. Noch im Sommer im Trainingslager am Tegernsee hatte Tuchel einen Abschied des Nationalspielers noch nicht kategorisch ausgeschlossen. Erst Goretzkas offensive Ansage („Ich liebe den Verein, ich liebe die Stadt, ich liebe die Fans. Es gibt keinen Gedanken, den Verein zu verlassen“) beendete die Spekulationen.
Auch von der ewigen Forderung Tuchels nach einer „Holding Six“, die man getrost als Misstrauensvotum gegenüber Goretzka werten konnte, ließ sich der Nationalspieler nicht durcheinanderbringen. Er stellte sich einfach in den Dienst der Mannschaft: Mittelfeld, Verteidigung – Goretzka spielte alles.
Offenbar brachte sich der 29-Jährige für die neue Rolle nicht einmal bei Tuchel in Position: „Nein, ich habe ihm das nicht angeboten. Er entscheidet, wie wir taktisch vorgehen“, erklärt Goretzka bei SPORT1.
Goretzkas Leistungen helfen ihm bei Nagelsmann
Das dürfte auch den Bundestrainer freuen. Julian Nagelsmann kann nach der Rückkehr von Toni Kroos zur Nationalmannschaft gerade in der Zentrale wieder aus dem Vollen schöpfen.
Im Konkurrenzkampf im Mittelfeld könnte Goretzka seine neue Rolle als Allrounder und Quarterback zugutekommen. „Ich sehe mich immer in der Pflicht, der Mannschaft zu helfen – egal wo ich aufgestellt werde“, sagte Goretzka und gab gleichzeitig zu, dass sich das recht langweilig anhört.
Doch für Kampfansagen an die interne Konkurrenz scheint es noch zu früh zu sein. Goretzka will offenkundig auf dem Platz überzeugen – in neuer Rolle.