Ermedin Demirović hat sich in den vergangenen Monaten heimlich zu einem Helden der Bundesliga gemausert. Kämpfte der FC Augsburg in der letzten Saison noch um den Klassenerhalt, stehen die Fuggerstädter in der aktuellen Spielzeit dank 14 Toren und 9 Assists ihres Kapitäns nun auf einem einstelligen Tabellenplatz.
FCA-Kapitän lässt Zukunft offen!
Vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg, wo der vierte Sieg in Folge her soll, spricht die „Augsburger Lebensversicherung“ im exklusiven SPORT1-Interview über die aktuelle Saison des FCA, großen Fußballträume und was es bedeutet, seinen Namen direkt hinter dem von Harry Kane auf der Scorer-Liste zu lesen.
SPORT1: Herr Demirović, in der vergangenen Saison haben Sie mit dem FC Augsburg nur mit Mühe und Not den Klassenerhalt geschafft, in der aktuellen Spielzeit steht Ihre Mannschaft gerade auf Tabellenplatz 9. Was gelingt dem FCA in diesem Jahr, was in der Vergangenheit nicht gelungen ist?
Demirović: Da geht es vor allem um das Selbstbewusstsein, das die Mannschaft jetzt hat. Alle Spieler merken jetzt, wie schön es sein kann, guten Fußball zu spielen. Mit dem Trainerwechsel haben wir auch nochmal zusätzlichen Auftrieb bekommen. Wir arbeiten von Woche zu Woche sehr gut und sind auf einem sehr guten Weg. Es macht momentan sehr viel Spaß.
„Mehr als Grottenfußball mit langen Bällen“
SPORT1: Nach der letzten Saison haben Sie angekündigt, dass Augsburg höhere Ziele anstrebt als nur den Klassenerhalt. Als Beispiel haben Sie die Qualifikation für die UEFA Europa Conference League in den Mund genommen. Aktuell liegt Augsburg nur einen Punkt hinter den Plätzen 7 und 8. Ist das gerade in Ihren Köpfen, dass Sie noch auf die internationalen Plätze springen könnten?
Demirović: Nein. Wir wissen alle, wo wir herkommen und wie schwer es am Anfang der Saison war. Natürlich stehen wir gerade sehr gut da, aber wir versuchen als Mannschaft erstmal, unsere Pflichtaufgaben zu erledigen und dann schauen wir, was passiert. Nach dem 34. Spieltag der letzten Saison habe ich gesagt, dass wir eine ruhige Saison spielen wollen und das machen wir momentan.
SPORT1: Woher haben Sie schon vor der Saison das Vertrauen genommen, dass der FCA in diese Regionen in der Tabelle vorstoßen kann?
Demirović: Ich war immer der Meinung, dass Augsburg viel mehr hat als den Grottenfußball mit langen Bällen, von dem immer gesprochen wird. Wir haben auch im letzten Jahr schon viele junge talentierte Spieler dazubekommen und im Sommer gab es dann nochmal einige Veränderungen. Ich glaube, dass man auch besser Fußball spielt, wenn man die Ziele höhersteckt, weil man sich dann nicht so schnell zufriedengibt, wenn man am Ende auf Platz 15 steht. Das sollte in den Köpfen sein. Wir sind eine sehr junge Mannschaft mit vielen hungrigen Spielern, die vieles in ihrer Karriere erreichen wollen und da ist Augsburg meiner Meinung nach der richtige Schritt für jeden Spieler.
Vergleiche mit Harry Kane: „Im ersten Moment ist man baff“
SPORT1: Sie haben einen großen Anteil am sportlichen Aufstieg des Klubs. In der Torjäger-Liste belegen Sie aktuell Platz 4, in der Liste der Top-Scorer steht der Name Demirović sogar auf der 3. Position hinter Harry Kane und Serhou Guirassy. Was bedeuten Ihnen diese Zahlen?
Demirović: Im ersten Moment ist man natürlich baff, weil man das gar nicht so richtig glauben kann. Vor zwei Jahren hat noch keiner darüber geredet, wer Ermedin Demirović ist. Jetzt läuft es natürlich gerade sehr gut. Ich glaube, da merkt man, dass sich harte Arbeit am Ende des Tages immer wieder auszahlt.
SPORT1: Schauen Sie ab und zu mal rein in diese Listen, um zu gucken, wo Sie dort stehen?
Demirović: Ich glaube, da sind zwei, drei Spieler vorneweg, die man nicht mehr einholen kann. Trotzdem macht es mir Spaß. Natürlich bekomme ich das oft geschickt von Familien oder Freunden, die es selbst gerade nicht glauben können, wo man da gerade steht. Für mich ist es natürlich besonders mit so großen Namen auf einer Liste zu stehen, aber im Vordergrund steht eigentlich immer nur der Mannschaftserfolg und da profitiert man als Stürmer dann auch davon.
Zukunft des Kapitäns beim FCA ungewiss
SPORT1: Durch Ihre Leistung in diesem Jahr haben Sie auch außerhalb von Augsburg Interesse geweckt. Erst im Januar haben Sie ihre Berateragentur gewechselt, Ihr Vertrag läuft noch bis 2026. Wo sehen Sie ihre Zukunft im Sommer?
Demirović: Ich fühle mich wohl in Augsburg, das habe ich oft gesagt und das weiß auch jeder. Momentan macht es Spaß, dass es gut läuft und viele Leute darüber reden. Das ist natürlich auch eine Anerkennung für die Arbeit der letzten Jahre. Was genau in der Zukunft passiert, weiß ich nicht. Aber ich gebe immer 100 Prozent und dann schauen wir, was in der Zukunft so kommt.
SPORT1: Wäre es für Sie eine Option, erneut ins Ausland zu gehen?
Demirović: Das kommt drauf an, wer mich überhaupt irgendwann mal haben will. Man weiß nie, wie es läuft in der Zukunft. Aber natürlich ist die Premier League auch immer etwas gewesen, was man schon als kleiner Junge im Auge hat. Die Premier League könnte zu meinem Spielstil passen. Wann und ob das passiert, weiß ich aber nicht, deshalb mache ich mir da auch keinen Druck.
SPORT1: Es ist erst ihr zweites Jahr in Augsburg. Trotzdem wurde Ihnen zu Saisonbeginn das Kapitänsamt übertragen. Wie besonders ist dieses Amt für Sie?
Demirović: Die Binde ist nicht nur eine Binde. Die erfüllt mich mit Stolz. Es fühlt sich unglaublich an, sie vor jedem Spiel über den Arm zu streifen. Ich habe das Gefühl, ich bekomme dann immer nochmal einen neuen Energieschub. Wenn man sie trägt, dann möchte man natürlich auch als Spieler vorangehen. Es ist auf jeden Fall eine extrem schöne Rolle.
SPORT1: Es sind auch einige jüngere Spieler Teil der Augsburger Mannschaft. Haben Sie das Gefühl, dass diese auch zu Ihnen hinaufblicken?
Demirović: Ich versuche immer, als Vorbild voranzugehen, weil ich weiß, wie es ist, als junger Spieler in eine Profimannschaft zu kommen. Aber zu mir muss niemand aufschauen. Ich habe es damals im Ausland (Spanien, Anm. der Redaktion) erlebt, wie schwer das sein kann. Wir haben hier viele junge Spieler und auch viele, die die Sprache nicht sprechen. Daher versuche ich natürlich, ein bisschen zu helfen, weil ich eben weiß, wie es ist, wenn dir keiner hilft.
Demirović „seit Monaten nervös“ vor EM-Playoffs
SPORT1: In einigen Monaten steht in Deutschland die Europameisterschaft an. Aktuell sind Sie mit Bosnien-Herzegowina noch nicht qualifiziert. Das könnte sich mit dem Playoff-Turnier Ende März ändern. Was würde es Ihnen als gebürtiger Hamburger bedeuten, bei der EM dabei zu sein?
Demirović: Für mich wäre es das Allergrößte, was ich erreichen kann. Ich bin seit Monaten ein wenig nervös vor dem Playoff-Spiel, weil ich genau weiß, was auf dem Spiel steht. Das wäre für Bosnien etwas sehr Besonderes und natürlich auch für mich, weil ich eben in Deutschland geboren bin und mit dem Land sehr viel verbinde. Es wäre natürlich umso schöner, wenn die ganze Familie dem Heimatland Bosnien im zweiten Heimatland Deutschland zuschauen könnte. Dafür werde ich alles geben und freue mich extrem auf diese Spiele.
SPORT1: War es für Sie jemals eine Option, für Deutschland zu spielen oder war von Anfang an klar, dass Sie für die bosnische Nationalmannschaft auflaufen?
Demirović: Ich habe sehr früh für mich gewusst, dass ich irgendwann für Bosnien spielen möchte, wenn die Möglichkeit besteht. Irgendwann kam es dann so, dass ich in der U17 oder U18 zwischen Deutschland und Bosnien wählen konnte. Ich habe mich früh für Bosnien entschieden, weil ich da noch ein bisschen mehr Herz und eine größere Beziehung zu empfinde.
SPORT1: Sie haben in der Nationalmannschaft unter anderem auch schon mit Edin Dzeko zusammengespielt. Ist er auch ein Vorbild für Sie?
Demirović: Ja, das war er tatsächlich schon immer. Ich verfolge ihn schon seit seiner Bundesligazeit. Als kleiner Junge hat man so einen Stürmerkollegen immer im Blick und deswegen freut es mich sehr, mit meinem Vorbild nun selbst auf dem Platz zu stehen und mir Tipps von ihm abzuholen.
Champions League „ein Kindheitstraum“
SPORT1: Sie sind erst 25 Jahre alt, haben also noch ein paar Jahre in ihrer Karriere vor sich, wenn es gut läuft. Gibt es einen großen Fußball-Traum, den Sie sich unbedingt noch erfüllen wollen?
Demirović: Ich glaube, jeder kleine Junge möchte mal an einer WM, an einer EM und eben mit dem eigenen Verein an der Champions League teilnehmen. Das wäre irgendwann ein Ziel für mich. Wann das passiert, weiß ich nicht. Ob es passiert, weiß ich auch nicht. Aber das ist ein Kindheitstraum, den ich mir mal erfüllen möchte.