Erster Auftritt nach dem Trainer-Beben! Thomas Tuchel hat Einblicke in sein bevorstehendes Aus beim FC Bayern gegeben. Auf der Pressekonferenz zum Bundesliga-Spiel gegen RB Leipzig am Samstag stand der Coach den Journalisten Rede und Antwort. Er machte dabei einen weitgehend abgeklärten Eindruck.
So erklärt Tuchel sein Bayern-Aus
Am Mittwoch hatte der deutsche Rekordmeister verkündet, dass man sich im Sommer von Tuchel trennen werde - ein Jahr vor dem eigentlichen Vertragsende. SPORT1 hat die PK zum Nachlesen:
+++ PK endet mit Lacher! +++
Tuchel spricht noch einmal über die angespannte Personalsituation und sagt dann: „Ich weiß weder, wie ich in die Frage reingekommen bin, noch wie ich wieder rauskomme.“ Der Pressesaal ist amüsiert, die Pressekonferenz ist beendet.
+++ „Das finde ich ein bisschen heuchlerisch“ +++
Auf die Nachfrage zur Abwägung bei seinen Entscheidungen geht Tuchel etwas aus dem Sattel: „Das hat gar nichts mit Bayern zu tun. Das ist mit einem Spieler in Paris, Dortmund und in London nicht anders. Ein Spieler, der lange im Verein ist, der noch lange Vertrag hat ... das du diesen in deine Arbeit mit einbeziehst, also so arbeite ich immer.“
Nachfrage: Auch bei der Aufstellung? Es sei doch völlig egal, wie lange ein Spieler Vertrag habe: „So kann man es auch sehen. Ich denke schon, dass es eine Rolle spielt. Das ist ganz normal. Jeder kriegt auch eine individuelle Behandlung. Ob er jetzt als Newcomer, als 18-Jähriger, oder als 30-Jähriger spielt, das ist schon eine andere Form des Umgangs. Ob da Thomas Müller auf der Bank sitzt, oder Rapha Guerreiro. Wie sind da die Nachfragen?“
Nach neuerlicher Nachfrage eines Reportes: „Das ist doch genau das Thema. Du beschreibst etwas, was absolut in der Realität von euch überhaupt nicht zurückkommt. Ihr seid doch die Allerersten, die darauf gehen. Die den Unterschied machen, wer ausgewechselt wird. Dann wird eine Woche Sondersendungen gemacht. Ist es dann nicht sehr naiv zu fragen: Wer war gut, wer fliegt raus? Das finde ich jetzt ein bisschen heuchlerisch, so um die Ecke zu kommen.“
+++ Wie geht es für Tuchel persönlich weiter? +++
„Das ist super-einfach. Ich werde darauf jetzt keinen Einfluss drauf nehmen, was im Sommer passiert. Das hat für mich noch nie funktioniert, während eines Jobs über andere Dinge nachzudenken oder zu planen. Dieser Job funktioniert nur zu 100 Prozent. Ich habe eine Idee, aber die Idee muss in der Schublade bleiben. Sonst funktioniere ich nicht. Ich habe einen hohen professionellen Anspruch an mich selbst. Bis zum Ende ist es 100 Prozent Bayern München.“
+++ Die Gründe für die Misere?+++
„Die Verantwortlichen kennen meine Analyse. Es ist eine sehr selbstkritische Analyse, aber definitiv nichts für die Öffentlichkeit.“
+++ Die Zielsetzung nach der Entscheidung +++
„Wir spielen noch um zwei Titel, so einfach ist das.“
+++ Tuchel über Beziehung zu seinem Team +++
„Ich glaube, dass es ganz normal ist, dass in einer Gruppe von 20 Spielern manche einen engeren Draht zum Trainer haben. Manche haben keinen so engen Draht. Grundsätzlich ist der Umgang von Respekt geprägt. Immer von Erwartungen an den Sportler, aber auch den Menschen. Wenn es da ein Zerwürfnis geben würde, dann würde heute jemand anderes hier sitzen. Wir haben Klarheit geschaffen, um nicht mehr jede Woche in die selbe Falle zu tappen: Bleibt er noch Trainer oder nicht? Es ist eine Entschuldigung weniger, ein Störgeräusch weniger.“
+++ Was im Sommer mit Bayern-Star passiert, ist für Tuchel nicht mehr relevant +++
„Die Entscheidungen sind natürlich von einer größeren Freiheit geprägt. Du brauchst deine Entscheidung nicht mehr abwägen, was das für eine Langzeitwirkung hat. Die Entscheidung kann jetzt ... alles zu 100 Prozent wie ein Pokalspiel gecoacht werden. Von Spiel zu Spiel. Startformationen, Auswechslungen haben für mich persönlich jetzt keine Langzeitwirkung mehr. Wie wirkt sich das aus auf die Chemie? Wie wirkt sich das aus auf den Spieler? Was passiert in der Vorbereitung, will der Spieler dann im Sommer gehen? Das fällt alles weg.“
+++ Kurzes Personal-Update +++
Gnabry, Davies, Boey, Mazraoui, Coman, Upamecano (gesperrt) fehlen, Konrad Laimer kann im Kader stehen.
+++ Tuchel über Identifikation mit Bayern +++
„Ich glaube, da gehört ein bisschen mehr dazu, als vereinzelte Fan-Meinungen, ob ich nicht warm geworden bin. Ich glaube nicht, dass Sie (im Verein) viele Stimmen finden werden, die bestätigen, dass wir hier nicht warm geworden sind. Das empfinde ich definitiv nicht so. Es ist das Gegenteil. Ich kann die Sichtweise verstehen, weil nicht jeder sieht, wie wir mit der Mannschaft umgehen. Dann ist es eine Übersprungshandlung, „jumping to conclusions“. Dann ist es, ‚ach der ist nicht warm geworden‘. Ok, wenn es so einfach ist: Dann wird ja spätestens im Sommer alles gut.“
+++ „Lame Duck“? Tuchel hat keine Angst vor Autoritätsverlust +++
„Das würde mehr über den Spieler aussagen, als über meine Autorität, würde ich sagen.“
+++ Würden Sie den Bayern-Job wieder übernehmen? +++
„Macht keinen Sinn, zurückzublicken. Jetzt ist es nicht mal ein Jahr. Es fühlt sich schon auch für mich so an, als wäre es zum ersten Mal so, dass die Entwicklungsschritte nicht konstant erkennbar sind. Wir haben extrem viele Punkte geholt. Wir hatten eine extreme Verletzungssituation. Wir sind selbstbewusst genug, von uns überzeugt zu sein. Wir waren überzeugt, die Mannschaft auf das nächste Level zu bringen. Das ist uns nicht gelungen, deshalb wird das ab Sommer jemand anderes machen.“
+++ SPORT1-Nachfrage: Sind sie enttäuscht von den Spielern, Herr Tuchel? +++
„Ich bin enttäuscht von mir. Von dem, wie wir im Moment spielen. Aber ich bin nicht persönlich enttäuscht von Spielern. Ich bin ihr Trainer. Wir haben hohe Ansprüche an die Spieler, die werden sich auch nicht ändern. Wir haben in unserem Rahmen alles gegeben. Es ist noch nicht zu Ende. Die Wirkung hat nicht die gewünschte Wirkung erzielt, die ich mir erhofft habe. Deshalb ist die Entscheidung für das Saison-Ende getroffen. Das impliziert, dass es nicht das eine Zerwürfnis gibt. Ich denke, dass die Verantwortlichen sehr wohl sehen, was hier jeden Tag passiert. Mit wie viel Energie wir versuchen, die Mannschaft zu beeinflussen.“
+++ Wie ist es bei der Mannschaft angekommen? +++
„Ich hatte nie das Gefühl, dass es ein größeres Problem gibt zwischen Mannschaft und Trainerteam. Wir haben ein sehr diffuses Bild, ich habe das mehrfach geschildert. Wir haben eine krasse Diskrepanz zwischen Training und Spiel. Und dann steht der Trainer am Ende in der Verantwortung. Wir haben auf einem guten Niveau trainiert, wie immer. Wir haben ja noch ein paar Ziele. Wir spielen in der Meisterschaft um den maximalen Erfolg und haben auch in der Champions League noch ein Rückspiel.“
+++ Tuchel über Verhältnis zu Kimmich +++
„Josh ist ein extrem wichtiger Spieler, ist ein Führungsspieler. Ich denke, dass auch er in den letzten Spielen nicht an seine Topform rankommt. Aber mehr gibt es nicht zu sagen. Wir kämpfen für gemeinsame Ziele und das wird sich nicht ändern.“
+++ Wollte Tuchel das Aus selbst? +++
„Ich bin mir nicht sicher, ob es die Option gab, dass ich das entscheide. Ich bin ja Angestellter vom Verein. Wie gesagt, es war ein kurzes Gespräch am Dienstag, wir haben nicht lange gebraucht. Ich sehe das sehr professionell und sehr nüchtern. Das ist professioneller Sport auf höchstem Level. Da kommt es letztlich nicht darauf an, was ich will. Da findet man eine gemeinsame Lösung. Ich denke nicht, dass ich das einzige Problem bin, ich bin aber in der Verantwortung. Damit habe ich kein Problem.“
„Hoffentlich bringt uns das eine Freiheit. Sie (die Entscheidung) bringt auf jeden Fall eine Freiheit für den Trainer, wie man agiert. Und sie bringt es hoffentlich auch für die Mannschaft, um sich ein bisschen freier zu fühlen.“
+++ Wie schwer wird die Aufgabe nun? Wie geht man es an? +++
„Es ist ziemlich einfach. Weil wir Fußball lieben. Für mich hat es noch nie eine Rolle gespielt, ob ich einen Fünfjahres-Vertrag oder einen Fünfwochen-Vertrag habe. Ob der hochdotiert war, ob er nicht hochdotiert war, das spielt keine Rolle. Die Umstände sind neu, aber wenn man sich ein bisschen Mühe macht, darüber nachzudenken - so geht es mir zumindest - ist es eigentlich egal.“
„Ob ich die Entscheidung nachvollziehen kann, ob ich sie gut finde, ob ich happy bin, spielt alles keine Rolle. Ich liebe den Job. Und ich werden den Job selbstverständlich mit der gleichen Energie machen, wie zuvor. Es gibt Klarheit und Klarheit bringt Freiheit. Und das ist immer gut, sowohl zum Spielen als auch zum Trainieren.“
+++ Tuchels erste Worte nach dem angekündigten Aus +++
„Wie kam es dazu? Wir haben am Dienstag gesprochen, dann die Mannschaft informiert und dann schon euch. Zu den Gründen: Wir sind unzufrieden mit der Art und Weise, wie wir spielen, mit der Punkteausbeute und den drei Niederlagen in Folge. Ich denke, es ist kein eindeutiges Bild. Wenn es ein eindeutiges Bild wäre und es einen eindeutigen Schuldigen gäbe - in dem Fall den Trainer - dann säße heute jemand anders hier. Das impliziert die Entscheidung auch.“
„Ich stehe aber in der Verantwortung, jemand muss die Verantwortung nehmen. Das ist so im professionellen Sport, und darauf haben wir uns geeinigt.“