Wer am Dienstagmittag die Homepage des FC Bayern besuchte, konnte den Eindruck gewinnen, Matthijs de Ligt sei ein wichtiger Baustein im mannschaftlichen Gefüge des Rekordmeisters: Ganz oben im Titelbild tauchte der Niederländer auf. Das Foto zeigte ihn hochkonzentriert und voller Action.
De Ligt: Die Ungeduld wächst
Ein besseres Sinnbild für die Situation von de Ligt war allerdings die Szene, die sich Beobachtern ein paar Stunden später am Flughafen bot: Der 24-Jährige stieg als letzter Spieler in den Sonderflug nach Rom zum Champions-League-Spiel bei Lazio Rom. Und auch in der Startelf sucht man den Niederländer vergebens. (JETZT im LIVETICKER)
Klar ist: De Ligt ist aktuell hinten dran. Er ist unter den Innenverteidigern des Rekordmeisters nur Nummer 4 – hinter Minjae Kim, Dayot Upamecano und Eric Dier.
Es waren jene drei, die im Topspiel in Leverkusen die Abwehrkette bilden durften. De Ligt blieb nur die Zuschauerrolle – obwohl er sich nach eigener Aussage als „topfit“ betrachtet.
Stellt sich die Frage, wie lange der Niederländer das noch mitmacht. Bereits jetzt ranken sich um den Abwehrspieler Abschiedsgerüchte. Manchester United soll nur einer der Interessenten sein.
Freund kennt de Ligts Unzufriedenheit
„Es war natürlich eine Enttäuschung, dass er (in Leverkusen – Anm. d. Red.) nicht gespielt hat. Er hat hohe Ansprüche und wir sind grundsätzlich sehr froh, dass wir ihn bei uns haben“, sagte Sportdirektor Christoph Freund über de Ligt kurz vor dem Abflug nach Rom.
Das Wörtchen „grundsätzlich“ dürfte eine gewichtige Rolle spielen. Denn in der Tat ist man grundsätzlich auf de Ligt angewiesen, andererseits hat man nicht den Eindruck, dass Tuchel komplett auf ihn setzt.
Zu wenig Wertschätzung für einen Mann, für den die Bayern einst 67 Millionen an Juventus Turin überwiesen hatten und der unter Julian Nagelsmann noch eine deutlich bedeutendere Rolle spielte?
De Ligt schwärmt von Ex-Trainer
Da wirkt es fast schon sehnsüchtig, wenn de Ligt in einem aktuellen Interview mit der Gazzetta dello Sport von seinem Ex-Trainer Maurizio Sarri schwärmt. Der Italiener ist mittlerweile Coach von Lazio.
„Mit ihm bin ich ein viel besserer Spieler geworden“, sagte de Ligt über Sarri.
Es ist für alle Seiten eine verzwickte Situation. Der Vertrag des Niederländers läuft noch bis 2027. Mit 24 Jahren ist er zudem viel zu jung, um sich als Nationalspieler dauerhaft auf der Bank wiederzufinden. Gleichzeitig wollen die Bayern-Verantwortlichen de Ligt keinesfalls schon unter „Missverständnis“ oder gar „Fehleinkauf“ verbuchen – auch weil de Ligt des Öfteren verletzt ausfiel.
Tuchel muss de Ligt etwas bieten
Alles steht und fällt mit Thomas Tuchel. Der Bayern-Trainer sagte auf der Pressekonferenz in Rom auf SPORT1-Nachfrage: „Ich persönlich habe in meinem Büro kein Ranking von 1 bis 4. Matthijs ist einer von vier Innenverteidigern. Alle kämpfen um die Plätze. Jeder hat jede Woche die Chance zu spielen.“ Für Bayern München sei das eine normale Situation und könne sich jederzeit ändern.
Für Verwunderung sorgte dann aber Tuchels Erklärung, warum er dem Niederländer gegen Leverkusen nicht das Vertrauen geschenkt habe. Von „topfit“ sprach der Trainer in Bezug auf de Ligt nicht.
Vielmehr sprach Tuchel davon, dass er sich bei seinem Schützling nur zu 95 Prozent sicher gewesen sei, dass dieser fit sei. Schließlich habe sich de Ligt aufgrund von Rückenschmerzen im Hotel noch behandeln lassen. Der Trainer erklärte, dass er in diesem Punkt nicht habe zocken wollen.
Tuchel spürt offenkundig, dass er dem Niederländer eine Perspektive bieten muss und lobt de Ligt in den höchsten Tönen: „Er ist ein natürlicher Kämpfer. Wir werden auf ihn zählen und ihn brauchen“, so Tuchel.
De Ligt ist schnell unzufrieden
Der Verteidiger selbst hatte schon nach dem Supercup gegen RB Leipzig im Sommer öffentlich angedeutet, wie deutlich sein Anspruch auf einen Platz in der Stamm-Mannschaft des FC Bayern ist.
Damals hatte er betont, dass er aufgrund seiner langen Verletzungspause Verständnis für weniger Einsatzzeiten habe.
Gleichzeitig machte er aber klar, dass er in der Innenverteidigung eine Stammformation für wichtig halte – natürlich mit ihm. Gerade jetzt vor dem Achtelfinale in der Königsklasse dürfte de Ligt besonders wehmütig, ja vielleicht sogar wütend sein.
Denn vor knapp einem Jahr, wurde er mit seiner spektakulären Rettungsaktion gegen PSG in der Allianz Arena zum Helden der Fans. Das Foto des brüllenden und sich freuenden de Ligt wirkte damals beinahe ikonisch.
Diese Zeiten sind eindeutig vorbei – gefühlt schon mehrere Jahre. De Ligt ist hinten dran – und das nicht nur beim Einsteigen in den Flieger - aber Tuchel macht ihm immerhin Hoffnung.