Viele Teams haben es mittlerweile versucht. Insgesamt 26, um genau zu sein. Darunter natürlich auch die eigentlich besten Deutschlands. RB Leipzig wie der VfB Stuttgart sogar schon zweimal, Borussia Dortmund zumindest einmal und am vergangenen Samstag auch der FC Bayern München zum zweiten Mal - doch alle sind an dem Vorhaben, die erste Mannschaft zu sein, die Bayer Leverkusen in dieser Saison schlägt, gescheitert.
Schafft Leverkusen Einmaliges?
Sowohl im DFB-Pokal als auch in der Europa League sind die Rheinländer dadurch nicht nur voll dabei, sondern auch mit guten Titelchancen ausgestattet. Und speziell die jüngste Leistung gegen die Münchner (3:0) bewies, dass selbst in der Bundesliga das Potential vorhanden ist, das bayerische Meister-Abonnement zu beenden. „Es war schon ein großer Sieg gegen einen sehr guten Gegner. Den dürfen wir schon feiern“, freute sich Josip Stanisic erst, doch mahnte dann: „Die Saison ist noch lang. Und es sind leider Gottes für uns nur fünf Punkte Vorsprung.“
Klar, das Meisterrennen ist längst nicht entschieden. Mit bisher 17 Siegen, vier Remis und keiner Niederlage könnte die Bundesliga-Saison für die Werkself aber kaum besser laufen. Trainer Xabi Alonso lässt einen beweglichen, variablen und physisch starken Fußball spielen, den er auf seinen breiten Kader perfekt zugeschnitten hat. Das funktionert so gut, dass Bayer auf dem Weg zum möglichen Titel gar zwei irre Bestmarken aufstellen könnte - den Punkterekord der Bundesliga verbessern und als erstes Team überhaupt komplett ungeschlagen bleiben.
Bayer wie Arsenals „Invincibles“?
Doch ist das Erreichen dieser Rekorde nur wilde Theorie? Nicht unbedingt - obwohl die Bestmarken selbstredend extrem hohe Hürden sind. Den aktuellen Punkterekord haben die Bayern inne, die in der Saison 2012/13 unter Jupp Heynckes schier wahnsinnige 91 Zähler holten. Interessant: Damals hatte der Rekordmeister nach 21 Spieltagen aber sogar einen Punkt weniger als Alonsos Leverkusener, fuhr dann in den letzten 13 Saisonspielen satte zwölf Siege und ein Unentschieden ein. Für Bayer sind maximal 94 Punkte bei noch möglichen 13 Erfolgen drin.
Ungeschlagen ist in der langen Geschichte der Bundesliga nie eine Mannschaft durch die gesamte Saison gekommen. Die Bayern waren 2013/14 unter Pep Guardiola am dichtesten dran und hielten ihren Lauf bis zum 29. Spieltag aufrecht. Ein knappes 0:1 in Augsburg war schließlich ihre erste von letztlich zwei Niederlagen. Auch Leverkusen hatte es einst weit geschafft, verlor in der Spielzeit 2009/10 erst am 25. Spieltag mit 2:3 in Nürnberg. Wegen vier weiteren Pleiten und überhaupt nur zwei Siegen in den letzten zwölf Partien wurde Bayer am Ende aber lediglich Vierter - auch eine deutliche Warnung für die laufende Saison.
Was in Deutschland noch nie gelang, ist allerdings nicht völlig unmöglich, wie ein Blick nach Europa zeigt. Es gab nämlich schon Meister, die während der gesamten Saison unbesiegt blieben. Wenngleich nur sehr wenige. In den Top-Ligen vollbrachten es der AC Mailand 1991/92, Juventus Turin 2011/12 und das wohl bekannteste Beispiel: Arsenals „Invincibles“. Jenes Team mit Spielern wie Patrick Vieira, Freddie Ljungberg, Thierry Henry und Trainer Arsene Wenger, das in der Saison 2003/04 ohne Niederlage die Meisterschaft in der Premier League holte.
Die Gunners spielten damals einen erfrischenden, unterhaltsamen und unbekümmerten Fußball. Durch clevere Läufe in die Tiefe und fähige Passspieler wurde Arsenal immer wieder gefährlich und überrumpelte die allermeisten Gegner. Eine intelligente, flexible Mannschaft mit kompletten, überall auf dem Feld eigenständigen Akteuren - das erinnert unweigerlich an die Leverkusener, deren Spielweise zurzeit ähnlich elanvoll und effizient ist.
Leverkusen durch den Afrika-Cup sogar gestärkt?
Was ein nicht unwesentliches Argument für eine Fortführung der Monster-Serie von inzwischen 31 ungeschlagenen Spielen ist: Leverkusen hat den Afrika-Cup, seit Monaten als entscheidenden Punkt seiner Saison ausgemacht, vollkommen schadlos überstanden. Vielmehr geht die Werkself trotz insgesamt vier abgestellter Profis sogar stärker aus dieser Phase raus, fuhr seit dem Jahreswechsel fünf Siege sowie ein Remis ein - und hob das ohnehin hohe Niveau innerhalb des Kaders weiter an.
Denn die vermeintlich zweite Reihe hat ihre Chance exzellent genutzt, ist jetzt ebenfalls in Top-Form. Allen voran Piero Hincapié, der die Vorbereitung im Sommer aufgrund eines Mittelfußbruchs verpasst und dadurch seinen Stammplatz verloren hatte, agierte zuletzt wieder auf höchstem Level. Auch Stanisic beeindruckte am Samstag beim 3:0-Erfolg gegen den FC Bayern nachhaltig. Gleiches gilt für Nathan Tella, der es nicht ins finale Aufgebot Nigerias schaffte, dafür aber in Leverkusen endlich eine zentralere Rolle spielt.
Seit Freitag trainiert mit Odilon Kossounou auch der letzte Nominierte als frisch gebackener Afrika-Cup-Sieger wieder in Leverkusen, wo er als absoluter Leistungsträger neben Abwehrchef Jonathan Tah eigentlich gesetzt ist. Die Konkurrenzsituation hat sich nochmal verschärft. Doch hilft Alonso gerade diese Kaderbreite, um die hohe Belastung in den anstehenden englischen Wochen zu stemmen und Leverkusen tatsächlich ohne Niederlage durch die Bundesliga-Saison zu führen?