Das sah seltsam aus: Joshua Kimmich hat beim späten Sieg des FC Bayern im Topspiel für Aufsehen gesorgt. Der Nationalspieler, der beim 2:1 gegen RB Leipzig als Rechtsverteidiger aufgeboten wurde, ging in der 35. Spielminute nach einem Foul von Lois Openda zu Boden. Im Fallen schnellte dabei sein Fuß nach oben, er traf seinen Gegner am Unterleib.
Kimmich? „Grenze zur Tätlichkeit“
Schiedsrichter Sascha Stegemann entschied auf Freistoß Bayern. Trotzdem sorgte die Szene für erhobene Augenbrauen. TV-Experte Lothar Matthäus wollte Kimmich bei Sky kein Nachtreten unterstellen, sprach aber von einem „Nachziehen“ des Beins.
Auch Ex-Bundesliga-Profi Erik Meijer sah eine Aktion „an der Grenze zur Tätlichkeit“: „Das ist eine typische Aktion für jemanden, der den Ball verliert, der nicht zufrieden ist mit seiner persönlichen Situation, der nicht auf der Position spielt, auf der er eigentlich spielen möchte. Er fühlt sich nicht als Rechtsverteidiger Nummer vier“, sagte der Niederländer im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1.
Kimmich brauche „das Bein nicht hochheben. Heutzutage gibt es 15 Kameras. Früher wäre man damit noch davongekommen“, sagte Meijer weiter. Und SPORT1-Experte Stefan Effenberg ergänzte: „Das hat wehgetan. Es ist eine untypische Bewegung von Kimmich. Er wird ein bisschen rumgerissen, aber der Fuß geht dann noch hoch.“
In der Wiederholung war indes zu sehen, dass Kimmichs Augen bereits im Fallen geschlossen waren, zudem hielt er sich sofort die von Openda nach hinten gezogene Schulter - an der er sich vor einigen Wochen eine Verletzung zugezogen hatte.
Angriffe über Kimmich-Seite
Kimmich nahm im Bundesligaduell mit RB Leipzig - wenn auch Verletzungen seiner Teamkollegen geschuldet - die Rolle des Rechtsverteidigers ein.
Nach rund 20 Minuten war deutlich, dass Leipzig diese Umstellung als eine mögliche Schwachstelle im Bayern-Team ausgemacht hatte. Wie eine Sky-Statistik zeigte, kamen ganze 88 Prozent der RB-Angriffe über Kimmichs Seite. Mit fortlaufender Spieldauer änderte sich dieses Bild, Leipzig wurde den Bayern auch durch die Mitte gefährlich.
Lothar Matthäus begrüßt die Entscheidung von Thomas Tuchel dennoch und sieht in ihr gar ein Zukunftsmodell.
„Kimmich kann diese Position Weltklasse spielen, wenn er sie annimmt. Ich gehe davon aus, dass er sie annimmt, denn er ist ein erfolgsorientierter Spieler“, sagte Matthäus bei Sky. „Ich glaube, dass er so intelligent und schlau ist, dass er sich in den Dienst der Mannschaft stellen wird. Und deswegen wird es eine Position, die er nicht nur heute, sondern wohl auch in Zukunft bekleiden wird.“
Matthäus blickte dabei auch auf die Situation in der deutschen Nationalmannschaft, die seit Jahren keine konstante Lösung auf den Außenverteidiger-Positionen hat. Bundestrainer Julian Nagelsmann kündigte zuletzt an, dass er in der Nationalmannschaft mit Kimmich als Rechtsverteidiger plane.
„Ich glaube, Thomas Tuchel hat sich jetzt nicht nach Julian Nagelsmann gerichtet. Bayern und die Nationalmannschaft haben Probleme auf der Position (...). Gerade weil es im Mittelfeld eine große Qualität gibt und Bayern hinten rechts Probleme hat. Er hat mal hinten rechts erfolgreich angefangen, warum sollte es jetzt nicht wieder funktionieren“, führte der Sky-Experte aus.
Diese Spieler fehlen den Bayern rechts hinten
Mit Noussair Mazraoui fehlt den Bayern derzeit der etatmäßige Rechtsverteidiger verletzungsbedingt. Konrad Laimer, der diese Position in der Vergangenheit auch schon begleitet hatte, ist nach seinem Muskelfaserriss in der Wade noch nicht wieder bei 100 Prozent.
Auch deshalb blieb Thomas Tuchel keine andere Wahl, Kimmich nach hinten rechts zu beordern. Die neue Rolle traue er dem 29-Jährigen problemlos zu.
„Selbstverständlich. Er ist Vollprofi und der einzige im Kader, der diese Position schon gespielt hat. Das ist gar keine Frage“, sagte Tuchel bei Sky.