Klartext von einem, der beim FC Bayern ganz nah dran ist und es wissen muss: Holger Seitz hat als Trainer der zweiten Mannschaft dem deutschen Rekordmeister ein positives Zeugnis in puncto Durchlässigkeit in den Profibereich ausgestellt.
Bayern-Coach: Zu viel auf Pep-Fußball gesetzt
„Meine Aufgabe ist es, jeden einzelnen Spieler zu begleiten und besser zu machen und ihn darauf vorzubereiten, was im Profifußball notwendig ist, um sich durchzusetzen“, sagte Seitz im Interview mit ran.
Dass in der laufenden Saison unter anderem Frans Krätzig und Aleksandar Pavlovic den Sprung in den Kader von Thomas Tuchel geschafft haben und weitere Talente nach Möglichkeit folgen, begründete der 49-Jährige denn auch mit der eigenen Herangehensweise an die Talente: „Hart, aber ehrlich. Das wollen die Jungs auch haben. Ich habe das Gefühl, dass um die Spieler herum alles häufig zu positiv gesehen wird.“
Lob für Tuchel
Seitz‘ Erfahrung sei, „dass die Trainer die Einzigen sind, die wirklich ehrlich mit den Jungs umgehen. Die Jungs müssen auch mit Dingen zurechtkommen, die das Leben nicht ganz so einfach machen. Als Trainer muss man ihnen Zeit geben, mit ihren Problemen selber fertig zu werden. Man sollte ihnen nicht jeden Stein aus dem Wege räumen, der vor ihnen liegt.“
Was dazukomme: „Wir haben mit Thomas Tuchel einen Trainer, der die Jungs auch bringt. Das hat er gezeigt.“ Krätzig und Pavlovic „profitieren unheimlich davon, mit den Besten der Besten zu trainieren. Ich sehe noch nicht die Problematik, was die Spielzeit angeht. Mittel- und langfristig ist es aber sicher so, dass Aleks und Frans mehr Spielzeit bekommen müssen, um in ihrer Entwicklung voranzukommen“.
Gleichwohl spreche „nichts dagegen, wenn Spieler mal einen Umweg nehmen - wie damals David Alaba - , um am Wochenende Spielzeit zu bekommen“.
„Am Ende war Jamal schon besonders“
Was die kometenhafte Entwicklung am Bayern-Campus von Jamal Musiala angeht, hob Seitz vor allem Miroslav Klose hervor, der in seiner Zeit als Jugendtrainer der Bayern „wichtige Impulse gegeben“ habe: „Dann war auch Sebastian Hoeneß ein wichtiger Faktor. Und am Ende war Jamal schon besonders. Er war dann so gut, dass er das Vertrauen vom Cheftrainer bekommen hat. Es ist ein besonderer Weg, den Jamal genommen hat.“
Ebenso sei der Durchbruch von Alphonso Davies absehbar gewesen: „Es war bereits bei der Verpflichtung klar, dass er relativ schnell in den Profikader integriert wird. Ich kann mich an das erste Spiel von Alphonso in Schweinfurt erinnern. Das war schon unglaublich. Jeder weiß ja, was für einen Speed er hat. Was beim Alphonso und auch beim Jamal sofort aufgefallen war, ist, dass sie unwahrscheinlich geile Typen sind, die dir in die Augen schauen, die aufrecht stehen, die charakterlich einfach top sind. Für mich ist elementar wichtig, dass man klar im Kopf ist.“
Umso bedauerlicher war für Seitz wiederum der Abgang von Kenan Yildiz (zu Juventus Turin; Anm. d. Red.): „Wir mussten ihn ziehen lassen, weil er sich gemeinsam mit seiner Familie und seiner Berater-Agentur für einen anderen Weg entschieden hat. Das hat schon wehgetan, weil er sehr lange bei uns ausgebildet worden ist. Wenn uns dann Spieler verlassen, wenn es im oberen Bereich spannend wird, tut es weh. Aber das Recht haben die Spieler. So ist das Geschäft. Und so wie es jetzt für ihn läuft, hat er sicherlich einiges richtig gemacht.“
Angesichts der Probleme des deutschen Fußballs mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Nationalmannschaft erklärte Seitz: „Wir haben gerade eine herausragende U-17 Weltmeisterschaft gespielt. Trotzdem, glaube ich, hätten wir in der Ausbildung der jungen Talente ein paar Dinge anders machen müssen.“
„Guardiola war da ein Faktor“
Es habe Zeiten gegeben, „da haben wir einfach zu viel über mannschaftstaktische Ansätze gesprochen. Es gab zu wenig Fokus auf die elementaren Dinge des Fußballs - sei es das Passspiel, das Kopfballspiel oder die Zweikämpfe. Das hat jahrelang an Bedeutung verloren“.
Dabei übte Seitz auch Kritik an einem früheren Bundesliga-Chefcoach der Bayern: „Wir haben uns zu sehr an die Art und Weise orientiert, die ganz oben gespielt wurde. Pep Guardiola war da ein Faktor. Um dieses Spiel umsetzen zu können, müssen erst einmal ein paar grundlegende Dinge ungesetzt werden. Das ist in der Ausbildung der Talente verloren gegangen. Aber jetzt haben wir wieder die richtige Richtung getroffen.“