Am 15. August 2008 konnten weder der Trainerstab um den damaligen Bayern-Coach Jürgen Klinsmann noch die Fans in der Allianz Arena ahnen, dass mit der Einwechslung des 18-jährigen Thomas Müller gegen den HSV in der 80. Minute eine besondere Ära beginnen würde.
Wie endet diese einzigartige Ära?
Über 15 Jahre später ist Müller 34 Jahre alt, hat mit den Bayern zwölf Meisterschaften und zweimal die Champions League gewonnen, in 680 Pflichtspielen 237 Tore geschossen und weitere 261 vorbereitet. Mit der Nationalmannschaft krönte sich Müller 2014 zum Weltmeister.
Doch der gebürtige Oberbayer ist im Spätherbst seiner Karriere angekommen. Im aktuellen Bayern-Kader bleibt ihm meist nur die Reservistenrolle, bei Trainer Thomas Tuchel ist er ganz offensichtlich nicht mehr erste Wahl.
In der Königsklasse kommt in der laufenden Saison Müller nur auf 66 Einsatzminuten, obwohl bereits vier Partien gespielt sind. In der Bundesliga stand der Routinier nur vier Mal von Anfang an auf dem Platz, wurde dagegen sechs Mal eingewechselt und kommt erst auf 329 Einsatzminuten. Den 1:0-Sieg des Rekordmeisters am Freitagabend gegen den 1. FC Köln verfolgte er komplett von der Bank aus, obwohl mit Jamal Musiala Bayerns gesetzter Starter nach einem Muskelfaserriss weiter fehlte und Müller auf der Position sein logischer Nachrücker gewesen wäre.
Müller mit Zukunfts-Ansage
Unter diesen Umständen fragen sich nicht nur die Bayern-Fans, wie es mit dem Publikumsliebling in München weitergehen wird, dessen Vertrag nach Saisonende ausläuft.
Noch vor wenigen Tagen äußerte sich der 126-malige Nationalspieler in der Sport Bild selbst über seine Ambitionen und stelle klar: „Ich will auf jeden Fall über 2024 hinaus ein Jahr weiter spielen - so ist zumindest mein Plan“. Er habe „weiter Spaß daran, auf dem Platz zu stehen. Ich hoffe, das sieht man.“
„Dass es mich ärgert, wenn ich nicht auf dem Platz stehe, ist auch klar“, so der Bayern-Star. „Wir haben aktuell bei uns in der Offensive fast ein Überangebot an Qualitätsspielern. Da muss jeder manchmal schlucken.“
Doch Müller will weiterhin auf Champions-League-Niveau spielen. Sollte es beim Rekordmeister für ihn nicht weitergehen, könne er sich laut dem Bericht auch einen Wechsel innerhalb Deutschlands oder ins Ausland vorstellen. Doch ist das denkbar?
FC Bayern will wohl mit Müller verlängern
Fest steht: Die Bayern wollen ihren Routinier halten. Auch wenn Thomas Tuchel Müller gegen Köln nicht einsetzte, so schwärmte er doch zuletzt in den höchsten Tönen von ihm. „Natürlich wollen wir ihn in unserem Team haben. Es ist selbstverständlich, dass er weiter spielen will. Der ist topfit im Moment, der hat Bock zu trainieren, der hat Bock zu spielen, der ist Fußballer durch und durch. Wieso sollte der nicht weiter spielen auf dem allerhöchsten Niveau?“, so Tuchel auf einer Pressekonferenz.
Über Müllers mögliche Zukunft sagte er: „Jetzt ist gerade mal November, deshalb haben wir die Entscheidung über die Rolle, die er dann haben kann und haben wird, jetzt nicht getroffen. Thomas ist fixer Bestandteil unserer Mannschaft, der ist eine Ikone für den Klub und eine spielende Legende und deshalb bekommt er den maximalen Respekt von uns.“
Dass die Bayern generell mit ihm planen, darüber wurde Bayern-Sportdirektor Christoph Freund am Freitag noch konkreter: „Da wird es Gespräche geben in den nächsten Wochen. Thomas gehört zum FC Bayern München und es muss einfach für alle Seiten passen. Die Situation vom Thomas ist auch eine bisschen andere, als sie vorher war“, sagte er vor dem Köln-Spiel bei DAZN. „Aber er nimmt sie super an und ist ganz wichtig für den Verein und die Mannschaft. Da werden wir in den nächsten Wochen noch Gespräche führen.“
Bayern-Star nimmt Joker-Rolle positiv an
In der Tat geht Müller mit seiner aktuellen Rolle positiv um. Bereits als er in der vergangenen Saison weniger Einsatzzeiten bekam, verbreitete er keine schlechte Stimmung, sondern fungierte teilweise sogar als eine Art Co-Trainer für Tuchel, gab seine Einschätzungen zu Taktik und Einwechslungen ab. Auch in der laufenden Saison sieht man den 34-Jährigen als Motivator und ständigen Antreiber, der gerade den jüngeren Spielern mit seiner Erfahrung weiterhilft - und, wie beispielsweise in der Champions League gegen Kopenhagen, weiterhin als wichtigen Spieler.
Auch andere Umstände deuten eigentlich nicht auf einen Wechsel hin. So scheint das Verhältnis zwischen Müller und Tuchel intakt zu sein, beide schätzen sich.
Nach dem Freitagsspiel zeigte Tuchel Verständnis dafür, dass Fragen zu Müller aufkommen - und begründete seine Nicht-Einwechslung des Routiniers: Er habe die ganze Zeit überlegt, wie er Müller aufs Feld bringen könnte. „Ich habe ein bisschen mit mir gehadert, ich hatte keine zündende Idee“, gab der Coach bei DAZN zu. Tuchel hatte im Spiel komplett auf Wechsel verzichtet und begründete das damit, dass er den Rhythmus und die Kontrolle des Teams nicht habe stören wollen.
Dass er Müller nicht von Anfang an spielen ließ, habe mit taktischen Überlegungen zu tun gehabt, die letztlich für Eric Maxim Choupo-Moting sprachen. Tuchel sei natürlich „bewusst, dass Thomas eine große Rolle bei uns spielt und das tut er auch, auch wenn man das gerade nicht an den Minuten sieht.“
Tuchel lobt Müller für seinen Einsatz und seine Einstellung
Tuchel lobte Müller auch besonders dafür, wie er mit der aktuellen Situation umgehe. Auf die Frage, wie er es als Trainer schaffe, die Personalie Thomas Müller so zu moderieren, antwortete der: „Das liegt an Thomas, das muss ich euch ehrlich sagen. Der ist einfach fantastisch in der Kabine, fantastisch im Training.“ Und weiter: „Natürlich ist das sein Klub und natürlich ist das die Personalie, um die sich dann auch die Fragen drehen, aber das hat nichts mit meiner Motivation zu tun, das ist sein Verdienst.“
Obwohl die Zeichen nicht auf Abschied zu stehen scheinen, wird Tuchel Müller aber kaum mehr Einsatzzeiten versprechen können. Die Vertragsverhandlungen könnten sich schwierig gestalten: Zwar will der Klub auf keinen Fall zulassen, dass es mit der Bayern-Ikone unschön auseinandergeht. Doch Müllers aktuelles Jahresgehalt, das bei rund 20 Millionen Euro liegen soll, wird der Rekordmeister für einen Reservisten kaum weiter ausgeben können.
Für Müller könnte der Wechsel zu einem prestigeträchtigen internationalen Klub eine mögliche Alternative sein. Laut Sport Bild soll Manchester United bei dem Bayern-Star bereits im vergangenen Winter angeklopft haben. Das Interesse der „Red Devils“, die bereits 2015 unter dem damaligen Trainer Louis van Gaal ihre Fühler ausgestreckt hatten, soll weiterhin bestehen.
Macht es Müller wie Schweinsteiger?
Könnte es Müller also wie Bastian Schweinsteiger machen? Das Bayern-Eigengewächs und -Urgestein war 2015 zu United gewechselt und hatte seine Karriere in Chicago ausklingen lassen. Die Hoffnung der Bayern-Bosse, er würde zum Klub zurückkehren und dort eine Führungsrolle einnehmen, erfüllte sich bislang allerdings nicht. Würden die Bayern bei Müller also wieder riskieren, eine Klub-Ikone langfristig zu verlieren?
Ein Verbleib bei den Bayern wäre wohl für beide Seiten die wünschenswerteste Option. Ob sie sich allerdings über die Vertragsdetails und die Rolle Müllers in der nächsten Saison einig werden, bleibt abzuwarten - ebenso, wo und wann Müller zum letzten Mal seine Schuhe für die Bayern schnürt.