Die Spitze der deutschen Schiedsrichter wirbt trotz der jüngsten Fehlentscheidungen in der Bundesliga unter Beteiligung des Video-Assistenten für mehr Verständnis für die Unparteiischen.
Sind deutsche Schiris zu schlecht?
„Es sitzen Menschen vor den Bildschirmen“, sagte Peter Sippel, der Sportliche Leiter der Bundesliga-Schiedsrichter, am Sonntag im STAHLWERK Doppelpass bei SPORT1: „Wir müssen aber dazu kommen, Fehler weiter zu minimieren.“
Konkret wurden in der Talkrunde zwei Szenen aus den vergangenen Spieltagen besprochen, in denen die Unparteiischen und auch die jeweiligen Video-Assistenten nach schweren Fouls auf eine Rote Karte verzichtet hatten. Es ging um das Foul des Freiburgers Vincenzo Grifo am Bochumer Christian Gamboa und den Tritt von Augsburg-Verteidiger Mads Pedersen gegen Wolfsburgs Patrick Wimmer.
Deutsche Schiedsrichter: Effenberg stellt die Qualitätsfrage
Beide Male war Referee Daniel Schlager involviert, wie SPORT1-Experte Stefan Effenberg anmerkte. Als es um die Grifo-Szene ging, stellte der ehemalige Nationalspieler eine brisante These auf: „Und da war ja Schlager im Keller: Das nicht zu erkennen, ist dann vielleicht auch eine Qualitätsfrage.“
Man könne die Wiederholung „jedem zeigen. Einem Acht- oder Zehnjährigem ist klar: Oh, das ist ein böses Foul. Das muss ein topausgebildeter DFB-Schiedsrichter sehen und sich melden und auf Rote Karte plädieren.“
Effenberg richtete weitere klare Worte an Sippel und die deutschen Schiris: „Dafür bildet ihr aus, dafür entwickelt ihr euch weiter, dafür macht ihr die Schulungen. Das darf nicht passieren, das ein Schiedsrichter sich das dreimal anschaut und dann gegen eine Rote Karte entscheidet. Das geht nicht. Geht nicht.“
Wenn eine Aktion wie die von Grifo ohne Platzverweis bleibe, weil es sowohl im VAR-Keller als auch auf dem Platz nicht erkannt werde, „dann stimmt ja zweifach was nicht.“
Effenberg mahnt „Nachschulung“ an - und bietet Hilfe
Sippel gab daraufhin zu bedenken, dass der VAR in wenigen Sekunden bis zu 26 verschiedene Kameraperspektiven überprüfen müsse. Ein Faktor, den Effenberg aber nicht gelten lassen wollte: „Darüber müssen wir doch jetzt nicht reden, über einen Winkel. Wo ist der Fuß? Man sieht ja in beiden Fällen, wie das Sprunggelenk wegknickt.“
Grifo hatte Freiburg nach seinem Foul, für das er Gelb sah, noch zum Sieg geschossen. „Das sind spielentscheidende Dinge“, meinte Effenberg.
Der einstige Profi appellierte abschließend mit eindringlichen Worten an die deutschen Schiedsrichter: „Das mit der offenen Sohle, da bitte ich euch wirklich, da vielleicht nochmal nachzuschulen. Auch mit dem Herren Schlager, ich kann das auch mit ihm persönlich machen.“
Sippel erklärte, dass man beim DFB darüber nachdenke, Schiedsrichter künftig nur noch auf dem Feld oder vor dem Bildschirm einzusetzen, um „Spezialisten“ zu schaffen. Es gebe allerdings auch Argumente, die gegen einen solchen Schritt sprächen.
Bei der umstrittenen Handspielregel will Sippel erkannt haben, dass „wir liberaler werden“ und die natürliche Körperhaltung mehr in den Vordergrund gestellt wird. Mit Blick auf Platzverweise für grobe Foulspiele muss laut Sippel wieder vermehrt die „Gesundheitsgefährdung in den Vordergrund“ rücken: „Wir müssen die Spieler schützen.“
Bei aller berechtigten Kritik will Sippel aber „nicht an der grundsätzlichen Qualität unserer Schiedsrichter zweifeln“.