Markus Krösche hat sich bei Eintracht Frankfurt zu einem der wichtigsten Sportvorstände der Branche entwickelt. Der 43-Jährige hat viele Themen auf dem Tisch liegen. Bei SPORT1 spricht Krösche exklusiv über den Abgang von Randal Kolo Muani, den neuen Trainer Dino Toppmöller, Superstar Mario Götze - und auch seine eigene Zukunft.
Götze-Zukunft: Das sagt Krösche
SPORT1: Markus Krösche. Hätten Sie als Profi bei Vertragsgesprächen eigentlich gerne dem Manager Markus Krösche gegenübergesessen?
Markus Krösche: Das weiß ich nicht (lacht). Grundsätzlich versucht jede Partei am Verhandlungstisch das Bestmögliche herauszuholen. Ich bin in der Position, für Eintracht Frankfurt das Optimum herauszuholen zu wollen.
SPORT1: Ihr Ruf in der Branche gilt als fair, aber knallhart. „Harter Hund“ fällt da auch mal respektvoll. Was zeichnet Ihre Arbeit aus?
Krösche: Ich versuche den Wert von Ablösesummen und Gehaltswünschen fair zu bewerten. Es geht immer darum, dass man den aktuellen und potenziellen Wert eines Spielers sauber einschätzt. Teilweise gehen die Vorstellungen bei dieser Betrachtung auseinander. Das ist völlig normal in dem Geschäft. Ich habe für mich aber gewisse Beträge und faire Einordnungen im Blick. Dabei bleibe ich dann auch. Dadurch gibt es Situationen, in denen ein Deal nicht klappt. Es gibt aber häufig Situationen, in denen wir uns mit allen Parteien einigen.
SPORT1: Gibt es eine typische Vorgehensweise in den Gesprächen, um potentielle neue Spieler von der Eintracht zu begeistert?
Krösche: Wir erklären den Spielern, was wir mit Eintracht Frankfurt vorhaben, was unsere Ziele sind und wo wir sie auf unserem Weg sehen. Und wir wollen den Spielern aufzeigen, wie wir ihre Entwicklung vorantreiben. Wir wollen ihnen helfen, das nächste Level zu erreichen. Dabei ist es egal, wie alt ein Profi ist. Er kann sich immer weiterentwickeln.
Kolo Muani? „War wirtschaftlich alternativlos“
SPORT1: Sie waren zuletzt mächtig gefordert. Eintracht Frankfurt hat im vergangenen Sommer einen gigantischen Umbruch gemeistert. Wie gefällt Ihnen das neue Gesicht der Mannschaft?
Markus Krösche: Die Automatismen greifen immer besser. Die Jungs verstehen sich untereinander. Wir zählen zu den jüngsten Mannschaften der Bundesliga. Dazu kam mit Dino Toppmöller ein neuer Trainer mit einer neuen Spielidee. Das benötigt eine gewisse Zeit. Aber die Mannschaft hat gut zusammengefunden, einzelne Spieler haben sich weiterentwickelt. Dino macht mit seinem Trainerteam einen super Job. Die Jungs haben die Prinzipien, die er verlangt, verinnerlicht. Es war ein großer Umbruch. Der war auch nötig, weil uns der ein oder andere Spieler verlassen hat. In der letzten Transferwoche gab es durch die Abgänge von Jesper Lindström und Randal Kolo Muani einen größeren Schritt auf der Verkaufsseite. Aber das ist für uns kein Problem, weil wir Spieler dazu geholt haben, die in die Rolle hineinwachsen können. Deshalb bin ich zufrieden mit der Entwicklung.
SPORT1: Der Umbruch sah lange Zeit perfekt aus. Zuerst wurden die Lücken in der Defensive behoben, dann peu à peu im Angriff. Doch dann kam der Deadline Day mit Randal Kolo Muani. Wie blicken Sie zwei Monate später auf diesen Tag zurück?
Krösche: Der Verkauf von Randal Kolo Muani war bei dieser Summe wirtschaftlich alternativlos. Als Eintracht Frankfurt einen solchen Deal abzulehnen, war unmöglich. Für unsere zukünftige Ausrichtung wird dieser Transfer daher sehr wichtig sein. Wir haben zwar keinen direkten Ersatz mehr verpflichten können, aber wir vertrauen auf unsere Spieler und wir glauben an unsere Jungs aus dem Nachwuchsbereich, die ihre Chancen bekommen haben und bekommen werden. Deshalb haben wir uns bewusst gegen den Einkauf eines vertragslosen Stürmers entschieden.
SPORT1: Es war sicherlich Ihr größter Deal. Gönnt man sich dann auch mal eine Belohnung?
Krösche: Nein. Das Geschäft geht sofort weiter. Wenn wir auf das Transferfenster zurückschauen, dann können wir aus sportlicher und wirtschaftlicher Sicht zufrieden sein. Trotz allem haben wir wieder eine schlagkräftige Mannschaft. Es ist wichtig, dass wir eine Balance halten. Auf der einen Seite wollen wir Transfererlöse erzielen, auf der anderen Seite brauchen wir eine Mannschaft mit viel Potenzial. Dieser Spagat ist uns gelungen.
„Keine Freunde von Aktionismus“
SPORT1: Kritiker fragen trotz Megadeals, warum nicht im Vorgriff ein Stürmer geholt wurde? Und da reden wir nicht von der Kategorie Elye Wahi oder Victor Boniface, sondern beispielsweise von einer Leihgabe oder einem Angreifer im Bereich der Zehn-Millionen-Marke?
Krösche: Letztendlich sind für Eintracht Frankfurt auch zehn Millionen Euro viel Geld! Es wird oftmals so abgetan, als wären zehn Millionen Euro für uns Peanuts. Wenn wir so viel Geld ausgeben, dann müssen wir vollständig überzeugt sein, dass uns der Spieler weiterhilft. Wir sind keine Freunde von Aktionismus. In ein größeres Regal zu greifen, wäre nicht möglich gewesen. Wir wären als Klub so wirtschaftlich unter Druck gewesen, dass wir diesen Betrag bei Kolo Muani nicht erzielt hätten. Das haben wir einkalkuliert. Wir hätten das Gefühl haben müssen, dass uns ein solcher Spieler weiterhilft. Wenn wir etwas machen, dann muss das für uns Sinn ergeben.
SPORT1: Tut es Ihnen dennoch weh, Victor Boniface derart bei Bayer Leverkusen durchstarten zu sehen?
Krösche: Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um Boniface zu verpflichten. Er ist sicherlich ein interessanter Spieler und macht es sehr gut in der Bundesliga. Wir haben uns mit ihm beschäftigt, aber ein Transfer war nicht möglich. Wir waren an einem Punkt, da mussten wir nein sagen. Wir machen kein Harakiri.
SPORT1: Haben Sie da jetzt schon Sorge, dass der stark aufspielende Willian Pacho nach nur einer Saison schon wieder den Abflug machen könnte?
Krösche: Sicherlich macht Pacho eine gute Entwicklung. Unser Plan ist aber, dass er länger bei uns bleibt. Wir haben einen großen Umbruch hinter uns. Jetzt sollen sich die Jungs schrittweise entwickeln. Er ist direkt Leistungsträger geworden. Aber er hat noch Themen, an denen er arbeiten kann.
SPORT1: Ein anderer Toptransfer war Robin Koch. Er war bereits Kapitän und ist unumstrittener Leistungsträger. Sein Vertrag bei Leeds läuft 2024 aus, dann endet die Leihe. Sind Sie zuversichtlich, ihn langfristig binden zu können?
Krösche: Da sind wir zuversichtlich. Ich denke, dass der Transfer für beide Seiten der richtige Schritt war. Wir konnten Robin so von unserem Klub überzeugen, dass er sich für uns entschieden hat. Er gibt uns mit seiner Erfahrung die nötige Stabilität. Tuta und Willian hilft diese Erfahrung von Robin. Ich bin zuversichtlich, dass wir viele Jahre sehr viel Spaß an Robin haben werden.“
SPORT1: Vereinslegende Charly Körbel und Experte Mario Basler fordern ihn für das Nationalteam. Sehen Sie ihn dort auch wieder?
Krösche: Ich glaube, dass Robin einer der besten Innenverteidiger ist, die wir derzeit in Deutschland haben. Daher gehört er für mich in die Nationalmannschaft.
Talentschmiede der Eintracht in vollem Gange
SPORT1: Hugo Larsson sollte bis in den Winter hinein zunächst aufgebaut werden. Jetzt ist er mit 19 Jahren schon unumstrittener Stammspieler. Wie kann die Eintracht ein solches Juwel länger an sich binden?
Krösche: Wir haben Hugo erklärt, wie wir ihn sehen und weiterentwickeln wollen. Wir haben den Mut, Talente einzusetzen. Dino arbeitet gerne mit jungen Spielern. Hugo hat in den letzten Wochen eine sehr gute Entwicklung genommen. Er glaubt an den Weg, den wir ihm beschrieben haben und ist gerne bei der Eintracht. Unsere Art und Weise des Fußballs passt zu ihm. Es war für beide Seiten eine gute Entscheidung.
SPORT1: Ansgar Knauff konnte nach 18 Monate Leihe langfristig verpflichtet werden. Er hatte eine schwierige Phase, jetzt erzielt er wichtige Tore. Kann er ein Gesicht von Eintracht Frankfurt werden?
Krösche: Ich traue Ansgar Knauff zu, ein Gesicht der Eintracht zu werden. Mit seiner Energie auf dem Platz und seiner Art und Weise, wie er Fußball spielt, kann er eine Identifikationsfigur sein. Ansgar hatte großen Anteil an unserem Europa-League-Sieg. In diesem Jahr ist er durch ein Tal gegangen. Eine solche Phase gehört aber dazu, wenn man mit jungen Spielern arbeitet. Trotzdem muss man zu ihnen stehen und ihnen bei der Weiterentwicklung helfen. Ansgar hat sich aus dem Tief herausgearbeitet und den nächsten Entwicklungsschritt gepackt.
Zukunftsplanung bei Krösche und Götze
SPORT1: Ihr Vertrag läuft 2025 aus. War das Thema Verlängerung schon Teil der Gespräche?
Krösche: Nein, es gab noch keine Gespräche. Ich habe noch lange Vertrag bei der Eintracht. Entscheidend ist, dass wir den Weg so weitergehen, erfolgreich bleiben und die Entwicklung der Eintracht vorantreiben.
SPORT1: Was macht es mit Ihnen, wenn Sie plötzlich mit Mannschaften der Güteklasse FC Bayern München, FC Liverpool oder Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht werden?
Krösche: Das ist für mich nicht relevant. Für mich zählt Eintracht Frankfurt. Ich fühle mich wohl und arbeite gerne hier. Wenn Stellen frei werden, dann lassen sich gewisse Spekulationen nicht verhindern. Aber ich konzentriere mich auf meinen Job in Frankfurt. Ich stehe jeden Tag gerne auf und gehe gerne zur Arbeit. Wir haben noch viel vor bei einem super Klub mit riesigem Potenzial.
SPORT1: Ein sensibles Thema ist aktuell Mario Götze. Die „jungen Wilden“ drängen in die erste Elf. Er selbst haderte etwas länger als andere mit dem Umbruch. Wie unterstützen Sie ihn in der der aktuellen Phase?
Krösche: Wir unterstützen Mario Götze zu einhundert Prozent. Er ist zum zweiten Mal Vater geworden. Das ist für ihn und seine Familie sehr wichtig. Für uns ist immer klar, dass Familie vor Fußball steht. Mario ist aber ein wichtiger Spieler für uns. Er hat viel Erfahrung, viel Qualität und die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, passt perfekt zu ihm. Leider war er in der Vorbereitung etwas angeschlagen. Mario ist ein absoluter Führungsspieler. Wir sind froh, dass wir ihn haben und er zurück auf dem Platz ist. Er wird einen großen Einfluss bei der Entwicklung der Mannschaft und einzelnen Spielern haben und uns helfen unsere Ziele zu erreichen.
SPORT1: Gibt es bei Mario Götze eine Ausstiegsklausel?
Krösche: Über Vertragsdetails sprechen wir nicht.
Anhaltende Verbundenheit
SPORT1: Kommen wir zu Ihrem Trainer. Die Verpflichtung von Trainer Dino Toppmöller wurde durchaus als Risiko bezeichnet von Außenstehenden. Warum waren Sie so früh davon überzeugt, dass er der ideale Mann ist für die Eintracht?
Krösche: Ich beschäftige mich prinzipiell langfristig mit interessanten jungen Trainern und kannte Dino deshalb schon vor unserer Zusammenarbeit in Leipzig. Mir hat schon in Luxemburg seine mutige Art, Fußball zu spielen, gefallen. Auch die Art, wie er mit jungen Spielern umgeht, hat mir imponiert. In Leipzig konnte ich seine Arbeit aus nächster Nähe verfolgen. Deshalb war ich überzeugt davon, dass er der richtige Trainer für uns ist. Er wächst immer besser in seine Rolle rein. Die Aufgaben verändern sich beim Aufstieg vom Co-Trainer zum Cheftrainer. Er kriegt dabei unsere volle Unterstützung. Dino macht einen super Job mit seinem Trainerteam und hat einen guten Draht zur Mannschaft. Der Mut, junge Spieler auflaufen zu lassen, ist für unseren Weg extrem wichtig. Ich war damals überzeugt von ihm und freue mich über die Entwicklung.
SPORT1: Im Frühjahr drohte der Klub, sich in Machtkämpfen zu zerreiben. Axel Hellmanns Zukunft war offen, Aufsichtsratschef Philip Holzer und er bildeten keine Zukunft mehr, Oliver Glasner verlor bei Pressekonferenz die Nerven. Hatten Sie Sorge, dass alles entgleitet?
Krösche: Ehrlicherweise hatte ich nicht das Gefühl, dass etwas in die falsche Richtung lief. Einige Dinge wurden in der Öffentlichkeit größer gemacht, als sie es waren. Aber natürlich gibt es in einem großen Klub phasenweise Konflikte. Ich hatte dennoch keine Angst, dass bei uns etwas Ungewöhnliches passiert. Das ist auch Eintracht Frankfurt: Die Einheit ist auch in schwierigen Momenten immer da!
SPORT1: Die Entscheidung, Oliver Glasner zu entlassen, war eine unpopuläre. Er war bei den Fans sehr beliebt. Stehen Sie mit ihm weiterhin im Kontakt?
Krösche: Das Ende der Zusammenarbeit mit Oliver Glasner war für alle Beteiligten eine außergewöhnliche Situation. Natürlich halten wir weiterhin Kontakt. Wir haben uns zuletzt zum Geburtstag gratuliert. Zwar haben wir uns noch nicht getroffen. Aber das hat nichts damit zu tun, dass wir ein schlechtes Verhältnis hatten. Oliver und ich waren stets offen und ehrlich zueinander. Die Trennung war dennoch sinnvoll. Trotzdem wird uns der Europa-League-Sieg und das Erreichen des Champions-League-Achtelfinales immer verbinden. Wir hatten eine erfolgreiche gemeinsame Zeit. Der ganze Streit, der interpretiert wurde, stimmte nicht. Deshalb haben wir weiterhin Kontakt und wenn wir uns sehen, dann gehen wir gemeinsam etwas essen und trinken bestimmt auch ein Bierchen zusammen.