Gerne wird die Frage diskutiert, was entscheidender für den Erfolg einer Mannschaft ist: die taktische Ausrichtung oder die Qualität der Spieler? Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo in der Mitte. Das wurde umso deutlicher beim Sieg des FC Bayern am Samstagabend bei Borussia Dortmund.
Taktikanalyse: Tuchels perfekter Plan
Obwohl der Münchner Cheftrainer Thomas Tuchel ob des personellen Engpasses wenig Handlungsspielraum bei der Aufstellung hatte, schickte er eine schlagkräftige erste Elf aufs Feld. Darüber hinaus hatte der 50-Jährige den nahezu perfekten Plan, um die Schwächen des BVB für sich und seine Mannschaft zu nutzen.
Tuchel war bewusst, dass Dortmund anfällig gegen hohes Pressing ist. Deshalb formierte er die vorderen Offensivkräfte recht mittig, um sowohl die beiden BVB-Innenverteidiger als auch die zwei Sechser zu neutralisieren. Denn: Der Dortmunder Spielaufbau sollte nicht durchs Zentrum erfolgen, sondern auf die Flügel geleitet werden.
Dort wiederum ergaben sich individuelle Vorteile für den FC Bayern. Gerade der momentan enorm formstarke Leroy Sané konnte einige Male Marius Wolf düpieren. Unterstützung erhielt Sané zudem von Leon Goretzka, der trotz seiner Handverletzung eine starke Partie absolvierte. Wolf wiederum konnte selten auf den Support von Marcel Sabitzer oder Salih Özcan zählen. Und selbst wenn: Dortmund war den Bayern in diesem Spielfeldbereich individuell unterlegen!
Brandt und Reus vom Spielgeschehen ausgeschlossen
Natürlich spielten den Bayern die zwei frühen Treffer in die Karten, da die Gäste im Anschluss mit umso mehr Selbstbewusstsein auf ihre Pressingtaktik und die harte Arbeit gegen den Ball vertrauen konnten.
Dortmunds vielversprechendste Individualisten, namentlich Julian Brandt und Marco Reus, waren die meiste Zeit vom Spielgeschehen ausgeschlossen. Dortmund brachte den Ball nur sehr selten in die offensiven Zwischenräume, da die Angriffsversuche meist schon zuvor gestoppt wurden. So waren Brandt und Reus dazu verdammt, selbst gegen den bayrischen Spielaufbau ins Pressing zu gehen.
Tuchels Plan und Terzics Antwort
Allerdings hatte BVB-Trainer Edin Terzic für diese Spielsituationen eine weniger ausgeklügelte taktische Herangehensweise als Tuchel präpariert.
Bayern kam am ehesten ins Schwimmen, als in den zweiten 45 Minuten zeitweilig tiefer verteidigt wurde. Dortmund konnte in diesen Phasen den Ball leichter nach vorn befördern und endlich die Offensivspieler besser einbinden. Postwendend gab es Torchancen für Reus und Co., die jedoch nicht genutzt wurden. Reus etwa scheiterte wie so oft in Duellen gegen Bayern an Manuel Neuer in einer entscheidenden Situation.
Damit war die Niederlage für den BVB gewissermaßen nach knapp einer Stunde, aber erst recht nach dem dritten Münchner Tor besiegelt.
Sicherlich gab es ganz zu Recht Fragezeichen hinsichtlich der Verfassung dieser Bayern-Mannschaft. Doch aufgrund der Rückkehr von Goretzka wie auch Dayot Upamecano war die Spielfeldmitte qualitativ hochwertig besetzt. Gerade im Mittelfeld schien Dortmund mit der zahnlosen Doppelsechs Özcan und Sabitzer komplett unterlegen.
Den Rest tat die taktische Ausrichtung Tuchels, der genau wusste, wo die Schwächen des BVB lagen und wie er gerade den momentan hervorragend aufgelegten Sané in Szene setzen konnten. So kam es zu einem weiteren deutlichen Sieg des FC Bayern im sogenannten „Klassiker“.