Am Samstagabend war zum Topspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart eigentlich alles angerichtet. Zwei starke Mannschaften in Galaform, ausverkauftes Haus, erstmals 58.000 Zuschauer. Es hätte ein stimmungsvoller Abend werden können. Am Ende bleiben hingegen viele Fragezeichen.
Polizeieinsatz schockt Eintracht-Fans
Zusammenstöße zwischen Eintracht-Fans und Polizei
Etwa zwei bis drei Minuten vor Anpfiff schauten alle anwesenden Besucher in die Nordwestkurve. Der Block 40 direkt hinter dem Tor ist die zentrale Stelle des Supports. Er leerte sich urplötzlich, blieb vollständig stumm. Peu à peu gingen Videos und Bilder durch die Welt der sozialen Netzwerke. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Fans und Polizei - und diese hatten konkret schwerwiegende Folgen.
Am Samstagabend gegen 23.53 Uhr war die Rede von 70 verletzten Anhängern, wovon sieben schwerverletzt seien. Die Polizei meldet eine „mittlere zweistellige Anzahl“ an verletzten Beamtinnen und Beamten, wovon vier im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zudem wurden zwei Rettungsfahrzeuge beschädigt, es gab einen verletzten Diensthund.
So blicken die Eintracht-Fans auf die Geschehnisse
Wie ist die Sicht der Fans? „Der 13. Mann“ ist eine vor einigen Jahren ins Leben gerufene Rechtshilfegruppe. Das dort veröffentlichte Statement wird also vom Fanclubverband und den Ultras Frankfurt getragen.
„An diesem Samstag wollte die Frankfurter Polizei unter ihrem brandneuen Einsatzleiter dann wohl ein Exempel statuieren. Uns war schon vor dem Spieltag bekannt, dass ein Großeinsatz geplant ist und Polizeikräfte beispielsweise gar aus dem Urlaub zurückgerufen wurden.“
Die Anzahl an Einsatzkräften, die auch aus anderen Bundesländern kamen, sei demnach ungewöhnlich hoch gewesen – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Partie zwischen den Hessen und Schwaben nicht als Risikospiel galt. Dabei soll es auch keine „Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen“, wie die Polizei um 18.06 Uhr noch auf X (ehemals Twitter) meldete, gegeben haben.
Unbeteiligte waren betroffen
Vor dem Block 40 sei es stattdessen zu einer versuchten Festnahme durch eine zivil gekleidete Person gekommen, mutmaßlich soll keine korrekte Eintrittskarte vorgelegen haben: „Wenige Sekunden später stand bereits die Polizei inklusive Videoüberwachungsmaßnahmen parat und betrat massiv den Bereich vor Block 40.“ Bei der anschließenden 30-minütigen Konfrontation kam es zu „Schlagstock- und Reizstoffeinsatz“. Dies sei auch „ohne Rücksicht auf Verluste“ passiert. Sprich: Auch Unbeteiligte waren betroffen.
Dem Fanklubverband „fehlen angesichts dieser gezielten Eskalation die Worte“. Der Vorwurf in Richtung Sicherheitskräfte: „Mit diesem Gewaltexzess wollte man vor der EM 2024 vielmehr die Muskeln spielen lassen.“ Hier verweist das Schreiben unter anderem auf die Partien St. Pauli gegen Hannover oder Bochum gegen Köln, wo es viele verletzte Anhänger gab. Dieser Frage gilt es bei der Beantwortung vieler kritischer Fragen deshalb ganz genau nachzugehen.
Polizei richtet eine „SOKO2511″ ein
Was sagt die Polizei? Um 23.30 Uhr veröffentlichte die Polizei auf ihrem Presseportal noch einen Bericht. Demnach habe man eine Sonderkommission eingerichtet. Zunächst aber sei der Ausgangspunkt um 17.45 Uhr gewesen. 45 Minuten vor Beginn der Partie „griffen Anhänger von Eintracht Frankfurt den Ordnungsdienst bei einer Zugangskontrolle vor Block zur Nordwestkurve an“ Dabei attackierten sie auch vor Ort befindliche Rettungskräfte.“
Wie ging es weiter laut Polizei? „Als der Ordnungsdienst die Polizei daraufhin um Hilfe rief, solidarisierte sich spontan eine große Zahl von Angehörigen der Frankfurter Risikofanszene und attackierte massiv die Einsatzkräfte.“ Gezielte Würfe mit Flaschen, Pyrotechnik und Eisengittern waren, dies zeigen auch diverse Videos auf X, die Folge.
Die Polizei „setzte zur Abwehr der Angriffe einfache körperlicher Gewalt, Pfefferspray und Schlagstöcke ein“ und „stoppte die Ausschreitungen durch die sofortige Herbeiführung weiterer Einsatzkräfte“. Mehrere Tatverdächtige wurden bereits festgenommen.
Die Sonderkommission „SOKO2511″ soll die Geschehnisse in Höhe des Blocks 40 aufklären. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen „schweren Landfriedensbruchs und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte“.
Eintracht will sich erst noch „ein genaues Bild machen“
Was sagt die Eintracht? Vorstand Philipp Reschke äußerte sich am Samstagabend kurz nach Abpfiff vorsichtig und sichtlich geschockt: „Über den Anlass und Ausgangspunkt gibt es natürlich unterschiedliche Informationen und natürlich auch unterschiedliche Meinungen. Daher wollen wir in den kommenden Stunden, möglicherweise Tagen, jeden Stein umdrehen und jedes Mosaiksteinchen zusammenfügen, um ein genaues Bild davon zu haben, wie es zu diesen Szenen kommen konnte.“
Trainer Dino Toppmöller hatte sich auf ein „tolles Spiel“ gefreut und sagte: „Was passiert ist, will ich nicht bewerten. Aber es ist natürlich ein enormer Vorteil, wenn wir den Support haben. Die Zuschauer waren ein Grund, warum die Eintracht ein Jahr kein Heimspiel verloren hat. Natürlich hat uns diese unfassbare Energie gefehlt.“
Eintracht-Fans sind „geschockt“ von einer „gewollten Eskalation“
Wer ist Henne und wer Ei? Der beschämende Abend im Deutsche Bank Park kennt nur Verlierer. Der Einsatz der Polizei lässt auf eine Unverhältnismäßigkeit schließen. Vor allem ist es verantwortungslos mit Reizspray zu hantieren, vor allem wenn dieses unbesehen in die Blöcke, wo unter anderem auch Jugendliche, Kinder und Familien stehen, gesprüht worden sein soll. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, wäre dies ein Skandal.
„Das hat mich geschockt“, sagte Ina Kobuschinski, Vorsitzende des Fanclubverbands, auf SPORT1-Nachfrage. Sie erklärte: „Wir wollten eigentlich ein schönes Fußballspiel sehen, nachdem wir gelöst von unserem Fan-Weihnachtsmarkt kamen. Und dann kommt es zu dieser gewollten Eskalation.“
Aber auch ein durchaus gewaltbereiter Teil der Eintracht-Fans kann sich nicht vollumfänglich aus der Verantwortung nehmen lassen. Zu krass sind die Videos, in denen auch Eisengitter in Richtung Polizei fliegen. Der Einsatz solcher Mittel ist ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Der 25. November 2023 - er wird alle Beteiligten jedenfalls noch sehr lange beschäftigen.