Man kann im Weserstadion mittlerweile heiraten.
„Traum, unter ihm spielen zu dürfen“
Nicht ganz so einmalig war der Samstag für Leverkusen-Trainer Xabi Alonso – und doch sollte er seinen 42. Geburtstag angemessen feiern dürfen. Nach dem 3:0 (2:0)-Auswärtserfolg in Bremen besangen die rund 4.000 mitgereisten Anhänger ihren Trainer mit einem Geburtstags-Ständchen.
Von „Freude“ darüber war in einer deutsch-englischen Sprachenmelange auf der Pressekonferenz zu hören, kein Wunder nach dem elften Sieg im zwölften Ligaspiel und der Rückeroberung der Tabellenführung. Und doch kamen von einem abermals mahnende Worte: Xabi Alonso.
Es charakterisiert den charismatischen Spanier wohl ziemlich treffgenau, in einer derartigen Hochphase vor einem drohenden Dämpfer zu warnen: „Wir haben auch heute nicht perfekt gespielt. Das ist im Fußball nicht möglich.“
Die Leverkusener führt der in Tolosa geborene Familienvater allerdings nahezu ohne Einschnitte durch die Saison. Die bisherige Bilanz: 18 Spiele, 17 Siege, nur ein Unentschieden gegen den FC Bayern München.
Hofmann huldigt Alonso: „Wurden gut eingestellt“
Würde dem Bayer-Klub nicht der Spitzname „Vizekusen“ vorauseilen, es wäre eine beinahe beängstigende Dominanz im Stile der nahezu namensgleichen Bayern. Der Bundesliga-Startrekord des deutschen Rekordmeisters ist mit unterdessen 34 Punkten nach zwölf Partien immerhin schon eingestellt, der Seriensieger um zwei Zähler distanziert.
Doch woher dieser Wandel? Jonas Hofmann sagte in der Mixed Zone nach dem Spiel: „Wir hatten einen klaren Matchplan, wurden gut eingestellt und ziehen das momentan gnadenlos durch.“ Eine Hommage an Xabi Alonso und dessen Trainerteam, die als erste Betreuer der Vereinshistorie acht Ligasiege in Folge feiern konnten.
Was die Real-Ikone aus Leverkusen machte, gleicht einer herzerfüllenden Fußballgeschichte. Der offensive Lebensgeist ist längst zurück. Nicht nur Star-Stürmer Victor Boniface startete furios in die Saison, auch ist Linksverteidiger Alejandro Grimaldo der torgefährlichste Defensivspieler der Liga.
Ganze 62 Tore stehen bei Leverkusen wettbewerbsübergreifend auf dem Konto (mehr als drei im Schnitt pro Partie!), das Spielsystem Alonsos mit spielfreudiger Angriffs-Ausrichtung spricht Bände.
Dass selbst bei derartigen Auswüchsen ein murrender Alonso an der Seitenlinie im Weserstadion zu sehen war, ist nicht selbstverständlich. Die Erklärung folgte aber wie prompt auf der Pressekonferenz: „In Momenten, in denen ich einen Fehler sehe, kann das passieren. Wir analysieren immer, um uns zu verbessern und die Fehler nicht wieder zu tun.“
Dieser unentwegte Perfektionismus spart auch die Defensive nicht aus, selbstverständlich bei einem Spanier, der einst in der Nationalmannschaft den Wegputzer hinter der Tiki-Taka-Offensivmaschinerie aus Andres Iniesta und Xavi gab.
Nur 14 Gegentore, weniger als eines pro Partie, spiegeln in der Statistik wider, welch solide Abwehrarbeit Leverkusen leistet. Dabei spielen mit Piero Hincapié und Odilon Kossounou gar nicht die großen Namen in der Innenverteidigung, Nationalverteidiger Jonathan Tah durfte sich am Samstag gar schonen, für ihn spielte Robert Andrich – ebenfalls Neu-Nationalspieler.
Bayern, Real Madrid, San Sebastián, Leverkusen
Ein weiterer Pluspunkt für Alonso: Nicht nur tragen die namhaften Neuzugänge die Mannschaft, auch kitzelt der Spanier aus der bisherigen Mannschaft das Maximum heraus. Gelernt hat er das, wo nochmal?
Die bisherigen Trainerstationen sind gehörig kurz, erst 2017 beendete Alonso selbst seine Spielerkarriere beim FC Bayern. Danach folgten Stationen in Real Madrids Jugend und der zweiten Mannschaft von San Sebastián, nahe seinem Heimatort.
Dass Leverkusen 2022 einen vergleichsweisen großen Namen trotz der nicht überbordenden Erfahrung einsetzte, war kein Neues: Andrea Pirlo, Xavi, Wayne Rooney versuchten es an anderer Stelle ebenfalls früh. Dass Leverkusen aber nur 13 Monaten nach dessen Inthronisierung derart gut dastehen würde, ahnten wohl die Wenigsten.
Selbst arrivierte Spieler wie Granit Xhaka, der einst selbst noch im Gladbacher Trikot noch auf dem Feld gegen Alonso spielte, können sich kaum mehr vor Lobliedern retten: „Ich lerne jeden Tag von Xabi. Es macht unheimlich Spaß. Für mich ist es wie ein Traum, unter ihm spielen zu dürfen.“
Es bleibt wohl lediglich eine Frage der Zeit, bis noch größere Vereinsnamen auf Alonso aufmerksam werden – inklusive seiner Ex-Königlichen. Dort soll durch die Übernahme des brasilianischen Traineramtes von Carlo Ancelotti im Sommer wohl ein Platz auf dem Trainerstuhl frei werden.
„Er kann in der Zukunft auf jeden Fall Trainer von Real Madrid werden“, sagte Ancelotti selbst nun über Alonso: „Er bringt alle Qualitäten mit, um ein guter Trainer zu sein. Ich mag ihn und ich mag die Art und Weise, wie er sein Team coacht. Er ist einer meiner Lieblingstrainer.“
Es würde wundern, wenn Florentino Pérez nicht im Rheinland anklopfen würde, trotz der vorläufigen Vertragsverlängerung Alonsos bis 2026.
Zunächst aber dürfen sich die Leverkusener Fans an ihrem Trainer erfreuen, der sie bereits jetzt zu einem ernstzunehmenden Bayern-Konkurrenten erhob und zu denen Alonso eine „besondere Verbindung aufgebaut hat“, wofür er sehr dankbar sei.
Seinen Geburtstag wollte er dann aber doch eher ruhig ausklingen lassen: „Zuhause mit der Familie – sie haben mich ja heute noch nicht gesehen. Und mit einem Sieg kann man seinen Geburtstag natürlich am besten feiern.“