Die Replik auf die brisante Andeutung von Mehmet Scholl ließ nicht allzu lange auf sich warten.
„Absoluter Quatsch!“ Tuchel kontert
„Das ist absoluter Quatsch! Wir haben das Spiel genutzt, um ein paar Spielern eine Pause zu geben und auch die Belastungen zu verteilen. Und anderen Spielern auch eine Chance zu geben, die sie verdient haben“, sagte Thomas Tuchel während der Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Duell des FC Bayern gegen Aufsteiger 1. FC Heidenheim (Sa., ab 15:30 Uhr im Liveticker).
Der Trainer des Rekordmeisters fügte an. „Das haben wir gemacht und haben das Spiel leider verloren. Die Verantwortung ist bei mir. Aber es hatte nichts damit zu tun.“
Tuchel winkt zu Scholl-Theorie nur ab
Der Grund für den Wirbel bei den Bayern nach erneuten Experten-Aussagen: Scholl hatte nach dem Aus im DFB-Pokal-beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken eine bemerkenswerte Theorie aufgestellt.
„Ich habe mir überlegt: Steckt da nicht auch eine Trainer-Geschichte hinter?“, fragte der ehemalige Bayern-Profi in der Sky-Sendung „Triple - der Schüttflix-Fußballtalk“. Daraufhin holte Scholl zu einem Monolog aus und erklärte, was er genau meinte.
„Thomas Tuchel hat sehr viel einstecken müssen aufgrund des Ergebnisses, für viele Menschen auch gerechtfertigt. Dann habe ich mir die Chronologie seit Sommer nochmal angeschaut. Ich glaube, verstanden zu haben, wie Tuchel tickt, was er vorhatte, und wie simpel und doch genial es war“, leitete der Europameister von 1996 ein.
Scholl: Tuchel hat mit Sieg in Saarbrücken gerechnet
Scholl, der Tuchel für einen Top-Trainer halte, erklärte: „Ihm traue ich zu, dass er seinen Kader täglich im Training hat und sagt: Da ist auf den Positionen hinter den besten 11, 12, 13, 14 noch etwas zu tun.“ Doch von Uli Hoeneß sei direkt die Antwort gekommen, dass niemand etwas zu fordern habe.
Tuchel habe sich daraufhin gefügt, erklärte Scholl: „Dann ging es so weiter, dass 8:0 in Darmstadt gewonnen wurde und Hoeneß am nächsten Tag gesagt hat: Selbstverständlich erfüllen wir die Wünsche des Trainers, um die Champions League zu gewinnen.“
Anschließend stand das BVB-Spiel vor der Tür. Doch zuvor mussten die Münchner noch nach Saarbrücken reisen - mit etwas müder gewordenen Superstars.
„Tuchel stellt all das auf, was bisher nicht wirklich von Anfang an gespielt hat und lässt die Superstars draußen, damit sie frisch, motiviert und leidenschaftlich für den Kracher gegen Dortmund sind“, erklärte der Ex-Profi.
Scholl sei sich beim Studieren der Aufstellung direkt sicher gewesen, dass es kein schönes Spiel werden und es wahrscheinlich nicht 8:0 ausgehen würde.
„Tuchel hat mit einem knappen oder etwas höheren Sieg gerechnet. Im Prinzip hat er den zweiten Anzug ins Rennen geworfen, dieser hat sich als nicht tauglich erwiesen.“ Scholl selbst habe von Anfang an gesagt: „Die Spieler, die hintendran sind, sind nicht gut genug.“
Scholl sieht Tuchel-Theorie bestätigt
Der zweite Anzug habe nicht mal Saarbrücken besiegt. „Wie sollen die dann helfen, die Champions League zu gewinnen, wenn Spieler verletzt oder gesperrt sind? Jetzt ist der übelste Fall eingetreten. Damit hat Tuchel nicht gerechnet“, erklärte Scholl.
Der Bayern-Trainer habe aber gewusst, dass kein gutes Spiel in Saarbrücken herauskommen konnte. „Es hat seine Theorie bestätigt. Jetzt wurde diese aber unangenehm bestätigt, dass ein Titel futsch ist.“ Dennoch habe Tuchel nachgewiesen, dass die Kaderqualität nicht ausreiche.
„Er hat mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, betonte Scholl und präzisierte, was er meinte: „Er hat die Superstars fit für Dortmund, was man gesehen hat. Dortmund ist von einem Orkan überrannt worden. Der Rest der Mannschaft hat seine Chance bekommen, sie nicht genutzt.“
Daher sieht Scholl den Druck aktuell nicht bei Tuchel, sondern diesen eher bestätigt. „Die Frage ist: Hatte er das auch genauso geplant?“
„Jetzt ist der Druck bei Bayern“
Scholl bezog sich dabei nicht auf das Ausscheiden, sondern auf den Schachzug, der Öffentlichkeit - und damit auch den Bayern-Bossen - vor Augen zu führen, dass die qualitative Kaderbreite, wie von Tuchel in der Vergangenheit mehrmals moniert, nicht ausreiche.
„Wie geht es jetzt weiter? Hoeneß hat gesagt, wir erfüllen dem Trainer die Wünsche. Jetzt ist der Druck erstmal bei Bayern“, betonte Scholl, der bis zu seinem Karriereende 2007 15 Jahre lang das Trikot des Rekordmeisters trug: „Welche Macht kriegt jetzt Tuchel, welche Neuzugänge bekommt er, um das große Ziel Champions League, von dem alle träumen, zu erreichen?“
Tuchels Aufstellung gegen Saarbrücken könne auch eine spontane Idee gewesen sein, es klinge aber alles logisch, sehr intelligent und vorausschauend.
„Bayern wird ihm sicher Wünsche erfüllen und am Kader was tun. Somit liegt der Druck für die Rückrunde wieder bei Tuchel, der dann irgendwann liefern muss“, erklärte Scholl.
Er schloss seine Theorie: „Ich will nicht sagen, er hat das Spiel mit Absicht geopfert. Er hat dieses Spiel nicht unbewusst genutzt, um zu sagen: Leute, ich habe es euch vorher gesagt. Schaut es euch an, und dann könnt ihr reagieren. An dem Punkt sind wir jetzt.“
Tuchel widersprach all dem nun indes vehement.