Am Samstag war Alejandro Grimaldo in gewisser Maßen zweigleisig unterwegs. Ging der Spanier doch nicht nur seinem eigentlichen Beruf als Fußballer nach, sondern fungierte nebenbei auch als Feuerwehrmann. So beschrieb es jedenfalls Bayer-Kapitän Lukas Hradecky, der sich beim Auswärtsspiel in Hoffenheim (3:2) selbst eine große Mitschuld daran gab, dass Leverkusens zehnter Sieg in Serie zwischenzeitlich arg ins Wanken geraten war.
Der beste Transfer der Saison?
Zur Pause hatte die Werkself noch alles im Griff, führte mit 2:0. Dann spielte der Keeper einen bösen Fehlpass in die Füße von TSG-Mittelfeldspieler Anton Stach, der den Ball aus knapp 40 Metern ins verwaiste Tor hob. Nur zwei Minuten später gelang Wout Weghorst gar der Ausgleich. Hradecky gestand, „das Feuer“ beim Gegner selbst „angezündet“ zu haben. „Aber wir haben bewiesen, dass wir dagegen halten können und Feuerwehrmann Grimaldo hat dann das Feuer ausgemacht.“
Die Erklärung: Als Bayer das Spiel mit Anbruch der Schlussphase gerade wieder unter Kontrolle brachte, wurde ebenjener Grimaldo an der Sechzehnerkante von Victor Boniface bedient und schlenzte das Leder mit viel Gefühl genau ins linke obere Eck. Ein herrlicher Siegtreffer. Auch im ersten Durchgang traf er mit seinem linken Fuß, nachdem Jonas Hofmann einen Eckball flach in den Rückraum spielte. Es war nicht der erste Doppelpack des Spaniers. Schon beim 5:1 gegen Qarabag Agdam in der Europa League hatte er zweimal getroffen.
Wettbewerbsübergreifend steht der technisch versierte Linksverteidiger nach 15 Pflichtspielen für Leverkusen nun bei zwölf Scorerpunkten - sieben Toren und fünf Assists. Eine Quote, von der so mancher Stürmer nur träumen kann. Und Zahlen, die „mein Gefühl widerspiegeln“, sagte Grimaldo in einem Interview mit der Marca. „Ich fühle mich sehr wohl, habe mich an den Stil der Mannschaft angepasst und bin sowohl körperlich als auch geistig in guter Verfassung.“
Grimaldo: Durch Alonso werde ich jeden Tag besser
Grimaldo, eher ein verkappter Spielmacher als ein Verteidiger und daher äußerst schwer zu greifen, bemüht sich, seine Position stets flexibel zu interpretieren. „Ich fühle mich auf dem Platz sehr reif. Das bedeutet, dass ich in wichtigen Situationen des Spiels gut aufgestellt bin und mehr Möglichkeiten habe, Tore zu erzielen.“ Selbstbewusst untermauerte der Bayer-Star, dass er sich „im besten Moment“ der Karriere befinde.
Als Schlüsselfaktor für den Traumstart in Deutschland sieht Grimaldo seinen Landsmann - Trainer Xabi Alonso, der schon beim Wechsel zu Bayer maßgeblichen Anteil hatte, wie er im Juli gegenüber SPORT1 erzählte. „Wenn man einen Coach von Xabis Niveau hat, wird man jeden Tag besser. Er redet viel mit mir und weiß, wie man Figuren perfekt platziert. Er zeigt mir, wie ich mich auf den Positionen, die ich spiele, wohlfühlen kann“, schwärmte der ablösefrei von Benfica Lissabon gekommene Neuzugang. Alonso kenne „meine Stärken und sorgt dafür, dass ich sie ausnutze.“
Aufgrund dessen haben die Rheinländer nun eine Dauerbaustelle geschlossen. Zwar soll Grimaldo von Leverkusen ein Handgeld von rund sieben Millionen Euro erhalten haben, doch allein durch den Verkauf von Vorgänger Mitchel Bakker zu Atalanta Bergamo hat Bayer rund zehn Millionen Euro eingenommen. Ein zweifellos überragendes Geschäft. Denn neben all den offensiven Qualitäten überzeugt er defensiv mit einem ebenso aktiven Stil, beweist eine hohe Lauf- und Sprintbereitschaft, setzt die Gegner energisch unter Druck.
Bemerkenswert ist aber vor allem seine starke Schusstechnik. Zwei direkte Freistoßtore - gegen München und Mainz - hat der 28-Jährige bereits erzielt. Und trotzdem könne der Spanier auch hierbei noch von Alonso lernen. „Er hat einen der besten Abschlüsse, die ich je gesehen habe“, meinte Grimaldo und verriet, dass sein Trainer die fußballerischen Qualitäten selbst lange nach der aktiven Laufbahn beibehalten habe.
„Das ist eine verrückte Sache. Es ist unglaublich, er ist bereit zu spielen! Er sieht körperlich gut aus. Wir haben gescherzt, dass er immer noch gut genug ist, um Stammspieler zu sein“, erzählte Grimaldo. Alonso gehe im Training „immer mit und lebt es“. Dass Bayer bislang ohne Niederlage durch die Saison gekommen ist, sei in erster Linie der Verdienst des Übungsleiters.
Nationalmannschaft? Grimaldo wartet „auf diesen Anruf“
Bleibt das leidige Thema mit der spanischen Nationalmannschaft. Während Grimaldo für die Werkself längst unverzichtbar ist, wurde er dort zur Verwunderung vieler Beobachter noch nie nominiert. „Ich bin schon seit Jahren in sehr guter Form und warte auf diesen Anruf“, stellte der Außenverteidiger nachdrücklich klar.
Ob es daran liegt, dass Leverkusens neuer Unterschiedsspieler im Gegensatz zu den Konkurrenten wie Alejandro Balde (FC Barcelona) oder Fran García (Real Madrid) nie in La Liga gespielt hat und deswegen immer etwas außerhalb des Radars unterwegs ist? Möglicherweise. Ging Grimaldo doch als Jugendlicher vom FC Valencia nach Barcelona, durchlief die berühmte Nachwuchsschule La Masia und spielte anschließend nur dreieinhalb Jahre für die Zweitvertretung Barcas, ehe er 2015 zu Benfica wechselte.
Übrigens: Dass Grimaldo eines Tages gerne nach Barcelona zurückkehren würde, verheimlichte er nicht: „Ich bin dort als Spieler groß geworden und ich bin sehr froh, dort meine Ausbildung machen durfte.“ Allerdings mache er sich wenig Hoffnungen, dass sich sein Wunsch erfüllen könnte. „Die Wahrheit ist, dass Barca kein Interesse an mir hatte. Es gab Gespräche, aber darüber hinaus ist nichts passiert.“ Angesichts dieser Entscheidung dürfte sich bei den Katalanen der ein oder andere Funktionär konsterniert an den Kopf fassen.
Nun trumpft der wohl größte Transfercoup des Bundesliga-Sommers in Leverkusen zu einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis auf und hat einen riesigen Anteil an Bayers Höhenflug - der bereits am Donnerstag in der Europa League gegen Qarabag Agdam (ab 18:45 Uhr im Liveticker) um ein Kapitel reicher werden könnte.