Beim Blick auf die aktuelle Bundesliga-Tabelle lacht das Vaterherz. Der VfB Stuttgart von Trainer Sebastian Hoeneß belegt nach sieben Spieltagen Rang zwei - Vater Dieter Hoeneß, der den 41-Jährigen berät, ist darauf „natürlich sehr stolz“, wie er bei SPORT1 betont.
„Uli nennt die Dinge beim Namen“
Trainer Hoeneß hatte die Schwaben im März dieses Jahres übernommen, den Klub erst vor dem Abstieg in die Zweite Liga gerettet und führte den VfB jetzt nach oben.
SPORT1 traf Dieter Hoeneß, der als Spielerberater einst unter anderem Ex-Bayern-Star Benjamin Pavard betreute, in seiner Agentur und sprach mit ihm über den Erfolg des Sohnes, Bruder Uli und seinen Spieler Josip Stanisic.
Erfolg in Stuttgart macht Hoeneß stolz
SPORT1: Herr Hoeneß, Ihr Sohn ist bisher der Trainer der Saison. Wie stolz macht Sie das?
Dieter Hoeneß: Ich bin natürlich sehr stolz und es freut mich für ihn, weil seine Arbeit auch die verdiente Wertschätzung erfährt. Zum Erfolg gehören allerdings nicht nur der Trainer, sondern vor allem auch Spieler, die die Impulse des Trainers auf dem Platz umsetzen. Das funktioniert im Moment großartig, nicht nur in Bezug auf die Ergebnisse. Die Mannschaft spielt mutig und offensiv, einfach guten Fußball. Aber bei allem Lob weiß mein Junge natürlich auch, dass es im Fußball auch andere Zeiten gibt.
SPORT1: Was sind die Gründe, dass es so gut funktioniert? Ihr Sohn hat den VfB im März auf einem Abstiegsplatz übernommen.
Hoeneß: Eigentlich war es eine Mission Impossible, die er da übernommen hat. Damals war der VfB Tabellenletzter, und es gab wenig Zuversicht in Stuttgart. Trotzdem waren wir überzeugt, dass es genau der richtige Schritt ist. Die Spielertypen passen zu Sebastians Vorstellung von Fußball. Und er hat früh erkannt, dass einige Spieler unter ihren Möglichkeiten bleiben. Mit kleinen Anpassungen hat er das eine oder andere bewirkt. Dass es natürlich so gut läuft wie jetzt, war damals nicht zu erwarten. Zumal der VfB im Sommer auch noch wichtige Spieler wie Kapitän Wataru Endo oder Konstantinos Mavropanos verkaufen musste. Auch Tiago Tomás musste abgegeben werden, weil der VfB die Kaufoption nicht stemmen konnte. Es ist dann jedoch gelungen, gute Spieler dazu zu holen, wie zum Beispiel Torwart Alex Nübel, Deniz Undav oder Angelo Stiller. Sie machen das richtig gut.
Shootingstar Guirassy? „Was er macht, ist unfassbar“
SPORT1: Ist Serhou Guirassy auch wegen ihres Sohnes in dieser starken Verfassung?
Hoeneß: Er hat in der vergangenen Saison schon gezeigt, dass er ein guter Spieler ist, aber jetzt profitiert er sicher davon, dass die Mannschaft offensiver und besser spielt. Geschickte Pässe und gute Flanken helfen Guirassy, ganz klar. Was er macht, ist unfassbar. Guirassy hat eine fantastische Quote. Es passt einfach vieles zusammen. Da hat mein Sohn sicher einen wichtigen Anteil daran. Es herrscht ein toller Spirit in der Mannschaft und die Begeisterung in Stuttgart ist gerade riesengroß.
SPORT1: Gibt es immer mal einen Austausch zwischen Ihrem Sohn und Ihnen? Fragt er Sie um Rat?
Hoeneß: Wir tauschen uns regelmäßig aus. Er braucht von mir keine Ratschläge, wenn es um taktische Dinge oder um die Aufstellung geht. Das weiß er besser als ich. Aber er Fußball hat viele Facetten und er schätzt es, auf meine Erfahrung und Einschätzung zurückgreifen zu können. Was er damit macht, ist alleine seine Entscheidung.
SPORT1: Sebastian hat Bayern II einst zum Drittliga-Meister gemacht. Könnte er auch mal die erste Mannschaft trainieren?
Hoeneß: Fragen Sie mich in fünf oder sechs Jahren nochmal (lacht). Aber im Ernst: Sebastian fühlt sich in Stuttgart pudelwohl. Er hat sich in der kurzen Zeit nicht nur beim VfB, sondern auch privat im Ländle sehr gut eingelebt.
Uli Hoeneß? „Manchmal etwas hart, aber eben die Wahrheit“
SPORT1: Lassen Sie uns kurz über ihren Bruder Uli sprechen. Was halten Sie von seiner reaktivierten Abteilung Attacke?
Hoeneß: Er nennt die Dinge beim Namen. Das ist vielleicht manchmal etwas hart, aber es eben die Wahrheit.
SPORT1: Eigentlich wollte er sich ja etwas zurücknehmen, doch seit einiger Zeit steht er wieder im Fokus und äußert sich zu vielen Themen?
Hoeneß: Das ist der Situation geschuldet. Wenn die Personalfragen beim FC Bayern abgeschlossen sind, werden Uli und Kalle wieder etwas mehr im Hintergrund stehen. Dann wird es auch nicht mehr notwendig sein, das Eine oder Andere zu kommentieren.
Zurück zur Hertha? „Oh nein“
SPORT1: Denken Sie ab und zu darüber nach, nochmal ins operative Geschäft bei einem Verein einzusteigen? Bei der Hertha wird ja immer mal wieder jemand gesucht.
Hoeneß: Oh nein. Gelegenheiten hätte es genug gegeben, aber ich habe mich ganz bewusst dagegen entschieden. Alles hat seine Zeit. Ich habe zwei kleine Firmen gegründet, suche mir die Projekte raus, die mir Spaß machen. Ich kann mit jungen Leuten arbeiten und habe einen wunderbaren Weg gefunden. Spieler wie Josip Stanisic zu begleiten, macht einfach Spaß. Ich bin glücklich so wie es jetzt ist.
SPORT1: Sie haben Stanisic angesprochen, den ihre Agentur vertritt. Was sagen Sie bisher zur Leihe nach Leverkusen?
Hoeneß: Er kam unmittelbar vor Beginn der Saison und es war klar, dass er nicht sofort wird spielen können. Ein kleines Problem bei Josip war, dass er vor dem Spiel gegen die Bayern einen grippalen Infekt bekommen hat. Er war eigentlich für die Startelf vorgesehen. Das hat ihn ein bisschen zurückgeworfen. In der Zwischenzeit hat er zwei Europapokal-Spiele durchgespielt. Josip ist ein guter, fleißiger Junge. Er ist auf einem guten Weg. Man muss auch dazu sagen, dass Bayer Leverkusen eine Top-Mannschaft ist, die bisher bis auf das 2:2 gegen die Bayern jedes Spiel gewonnen hat. Da gab es keinen Grund, Wechsel vorzunehmen. Es werden weitere Startelf-Einsätze für Josip folgen. Jetzt kommen die englischen Wochen. Ich weiß, dass Xabi Alonso sehr daran interessiert war, dass Josip zu Bayer Leverkusen kommt.
SPORT1: Ihre Agentur berät auch Aleksandar Pavlovic vom FC Bayern II. Was ist das für ein Junge und was kann man in den nächsten Jahren von ihm erwarten?
Hoeneß: Ich habe gerade Josip als Typ sehr gelobt. Das gilt auch für den Aleks. Er ist ein unheimlich motiviert und talentierter junger Spieler, der in den vergangenen Jahren eine tolle Entwicklung gemacht hat. Er ist ein Sechser, Achter, der ein hohes Spielverständnis hat. Er war in den letzten Monaten schon regelmäßig im Profikader. Auch ihn hat eine Infektion etwas zurückgeworfen. Aber er ist jetzt wieder fit und voll dabei. Alex hat eine erfolgreiche Karriere vor sich.
Pavard „fehlt momentan in der Defensive bei Bayern“
SPORT1: Hinter Ihnen hängt das Trikot von Benjamin Pavard, den Sie damals vom VfB Stuttgart zum FC Bayern vermittelt haben. Jetzt spielt er bei Inter Mailand. Wie sehen Sie seinen Weg?
Hoeneß: Wir haben damals den Transfer zum FC Bayern begleitet und ich bedauere, dass er nicht mehr in der Bundesliga spielt. Benji hat fast durchweg eine tolle Performance gezeigt. Momentan fehlt er in der Defensive bei den Bayern. Ich war auch überrascht, dass der Wechsel zu Inter Mailand dann so schnell über die Bühne ging. Es ist schade, aber es war sein ausdrücklicher Wunsch, Deutschland zu verlassen.
SPORT1: Wurde Pavard oft zu Unrecht kritisiert?
Hoeneß: Ich wiederhole mich da. Er hat durchweg solide, überdurchschnittliche Leistungen beim FC Bayern gezeigt, mit nur sehr wenigen Tiefpunkten. Es gab eine kurze Phase, in der er einen kleinen Leistungseinbruch hatte, aber Benji war ein Gewinn für den FC Bayern, hat dort einen großartigen Job gemacht. Er hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass der FC Bayern diese unglaubliche Saison mit sechs Titeln gespielt hat.
SPORT1: Letzte Frage: Christoph Daum muss immer noch den Krebs besiegen. Er wird am 24. Oktober 70. Sie wurden 1992 mit ihm zusammen beim VfB Stuttgart Meister. Wie denken Sie zurück?
Hoeneß: Christoph hat in seiner Karriere Höhen und Tiefen erlebt. Wir haben damals gemeinsam einen tollen Höhepunkt erlebt, waren der erste gesamtdeutsche Meister 1992. Nach 38 Spielen ist es uns damals gelungen, oben zu stehen. Nach dem letzten Spieltag waren wir erstmals in der gesamten Saison auf dem ersten Tabellenplatz und damit auch Deutscher Meister. Während der 90 Minuten waren mal Eintracht Frankfurt und dann der BVB Meister. Am Ende haben wir dann den Titel geholt. Es war ein unglaublich dramatisches Erlebnis. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Ich wünsche Christoph zu seinem 70. Geburtstag natürlich alles Gute, insbesondere Gesundheit. Und vor allem, daß er wieder komplett gesund wird.