„Bei uns herrscht Ruhe, es gibt erstmal keinerlei gegenseitige Vorwürfe. Hier diskutiert keiner über den anderen!“ Christian Heidel, Macher des FSV Mainz 05, hat sich nach der Niederlage gegen Bayer Leverkusen klar geäußert. Heidel sitzt seit Weihnachten 2020 wieder am Ruder bei den Rheinhessen.
Bayern bezwungen – dann ging‘s bergab
Damals, als der Verein in allertiefster Krise steckte und Vorgänger Rouven Schröder zurücktrat, übernahm er das Ruder, installierte Martin Schmidt als Sportdirektor und vor allem Bo Svensson als Trainer. Es waren die richtigen Entscheidungen!
Ein Sieg gegen den FC Bayern ist der Beginn eines freien Falls
Seit diesem Zeitpunkt ging es stetig bergauf bei den 05ern. Was Svensson auch anpackte, es klappte. Zumindest bis zum 22. April dieses Jahres. Mainz rundete gegen den FC Bayern München mit einem 3:1-Sieg eine fantastische Serie ab, holte aus zehn Partien 22 Punkte. Plötzlich träumte das Umfeld des FSV von Europa, der ganz große Wurf schien knapp 28 Monate nach der Amtsübernahme des Trios möglich.
Das große Problem: Es war der Beginn eines freien Falls. Mainz hat seit dem Erfolg gegen den FC Bayern saisonübergreifend nämlich kein Bundesligaspiel mehr gewonnen. In elf Partien gab es nur noch zwei Remis – eines davon ausgerechnet am letzten Spieltag bei Borussia Dortmund, das die Meisterschaft zugunsten des FC Bayern entschied. Die Mainzer Bilanz seit dem Bayern-Sieg: 9:32 Tore, zwei Punkte, ein mickriger davon in dieser Saison im Nachbarschaftsduell gegen Eintracht Frankfurt.
Sportlich läuft 2023/24 noch nichts zusammen bei den 05ern. Vier Treffer bedeuten – zusammen mit Frankfurt und Köln - die wenigsten der Liga, 17 Gegentore überbieten nur zwei Mannschaften. Vorne gelingt wenig, hinten ist das Team seit Monaten erstaunlich offen.
Mainz vertraut Svensson weiterhin
Svensson wackelt dennoch nicht. Das Vertrauen in den dänischen Übungsleiter, der zwischenzeitlich auch in der Premier League auf der Liste stand, ist gewaltig. Sollte der frühere Profi nicht aus freien Stücken hinwerfen, sehen sie in Mainz keinen Anlass, sich von ihm zu trennen.
Zu groß sind dessen Verdienste, zu gut passt er auch weiterhin zum Verein. Einen Freifahrtschein hat Svensson damit zwar nicht. Doch Heidel, Schmidt und das gesamte Fan-Umfeld trauen ihm den Turnaround zu.
Und doch steht Svensson vor seiner bislang größten Herausforderung. Natürlich war die Lage im Winter 2021 fast aussichtslos, als der Klub mit sieben Punkten auf Tabellenplatz 17 stehend übernahm und anschließend noch souverän zum Klassenerhalt führte. Aber damals passte vieles zusammen. Svensson hatte nichts mehr zu verlieren und die Neuzugänge Dominik Kohr, Danny da Costa und Robert Glatzel schlugen voll ein, hatten einen entscheidenden Anteil am Erfolg.
Heidel gelingt kein Toptransfer
Im Herbst 2023 fehlt genau diese Mischung aus Leichtigkeit und Toptransfers. Tom Krauß ist hochtalentiert, bislang aber kein Faktor. Marco Richter kam sehr spät von Krisenklub Hertha BSC, muss sich noch zurechtfinden. Philipp Mwene ist angeschlagen, Sepp van den Berg erzielte gegen Bayer ein Eigentor. Heidel wurde nicht ohne Grund noch einmal aktiv, holte Josuha Guilavogui und Anwar El Ghazi aus der Arbeitslosigkeit. Wie schnell sie helfen können? Fraglich.
Zudem ist die Ausfall-Liste groß: Die Leistungsträger Andreas Hanche-Olsen, Silvan Widmer und vor allem Jonathan Burkardt fehlen dem Team. Maxim Leitsch, der als Hoffnungsträger vom VfL Bochum kam, bekam verletzungsbedingt bislang kein Bein in Mainz auf den Boden.
Eigentlich sah sich der Klub auf dem Papier gut aufgestellt, von den Leistungsträgern gingen nur Anton Stach zur TSG Hoffenheim und Aaron Martin ablösefrei nach Genua. Trotz seiner Tore schieden sich bei der Bewertung von Marcus Ingvartsen die Geister. Aktuell vermisst das Umfeld dieses Trio aber sehr.
Kann Svensson seinen nächsten Entwicklungsschritt gehen?
Für Svensson stellt sich die Frage, ob er den nächsten Entwicklungsschritt gehen und Krise bewältigen kann. In Mainz wissen sie ihre Lage stets realistisch einzuordnen. Der Ligaverbleib ist trotz ungebrochener Zugehörigkeit seit 2009 weiterhin keine Selbstverständlichkeit für den Verein, ein harter Kampf gegen gewaltige Konkurrenz. Den Personalaufwand von knapp 52 bis 53 Millionen Euro haben 2022 nur fünf Klubs unterboten.
Dennoch gilt es, den freien Fall zu stoppen. Der Klub ist in seiner Gesamtheit trotz fehlender Ergebnisse weiterhin stabil. Mainz will aber nicht sang- und klanglos zurück in Liga zwei purzeln und muss nun Widerstandskräfte entwickeln. Svensson - er ist nun als Problemlöser gefordert.