Wenn der Schiri abpfeift und der BVB gewinnt, gibt es kaum einen schöneren Ort in Fußball-Deutschland als den grünen Rasen des Westfalenstadions. Einige Dortmunder marschieren dann direkt zur Gelben Wand, andere holen sich ihre Kinder zum Kicken aufs Feld. Und Karim Adeyemi? Kaut erst einmal glücklich ein Maoam-Bonbon.

„Ich gönne mir sie eigentlich immer direkt nach dem Spiel. Zumindest, wenn ich es mir verdient habe, dann auf jeden Fall“, sagte Adeyemi im August bei Brinkhoff‘s Ballgeflüster. Und was, wenn er sich das Bonbon nicht verdient hat? „Wenn wir kein gutes Spiel gemacht haben und ich von meiner Leistung nicht überzeugt war, dann nicht“. Entwaffnend kindliche Worte, die zeigen, wie jung der am 18. Januar 2002 in München geborene Adeyemi noch immer ist.

Seit Adeyemis Kaubonbon-Ansage kommt der Flügelflitzer auf fünf Bundesliga-Einsätze, zwei Champions-League-Spiele, null Tore, null Vorlagen - und demzufolge wohl auf null Maoams. Bauchlandung statt Höhenflug für den Nationalspieler, den Dortmunds Klub-Radio-Kommentator Norbert „Nobby“ Dickel in der Talkrunde noch wohlwollend als „schnellste Rakete der ganzen Bundesliga“ angekündigt hatte.

Dortmunds neuer Sündenbock

Dem Lob von Dickel folgte prompt der Tadel von Co-Trainer Armin Reutershahn, der bei dem Event genau neben dem Spieler saß. Adeyemi fehle „manchmal ein wenig die Seriosität“ im Training, er sei in Europa deshalb „noch kein Topspieler“, könne aber einer werden, glaubt Reutershahn.

Statt den 2002 geborenen Leistungsträger zu schützen, schießt mittlerweile gefühlt ganz Dortmund auf ihn ein. Sogar Edin Terzic, der Empathiker unter den Fußball-Lehrern, sprang lieber seinem Co-Trainer als seinem Schützling zur Seite. „Karim hat das definitiv nicht zum ersten Mal gehört“ sagte Terzic, der Reutershahn in seiner Kernkritik an Adeyemis Einstellung zumindest nicht widersprach.

Besorgte Hobby-Therapeuten orakeln dagegen bereits, ob Adeyemis Formtief mit Loredana zu tun hat. Also der bekannten Deutsch-Rapperin, mit der sich der Dortmunder erstmals im Sommer glücklich auf einem Moped gezeigt hatte.

Loredana, 28, ist Mutter eines vierjährigen Kindes und außerdem Pop-Star, grummeln einige BVB-Fans online: Dies sei nicht zuträglich für Adeyemis Schlaf, Regeneration und Spritzigkeit. Eine bizarre Analyse, wo der BVB doch einige formstarke Familienväter auf dem Platz hat. Nicht zuletzt Marco Reus, der zu Hause eine vierjährige Tochter hat und gerade das zweite Kind erwartet.

Sammer teilt noch heute gegen Bellingham aus

Fan-Spekulationen gehören zum Geschäft dazu, gerade beim großen BVB. Doch auch aus dem Klub selbst kommt Kritik an Adeyemi.

Davon kann wohl auch Jude Bellingham ein Lied singen. Den damals 19-Jährigen (!) kritisiert Dortmund-Berater Matthias Sammer noch heute, weil Bellingham es in der Vorsaison gewagt hatte, auf dem Spielfeld seine Mitspieler zu tadeln und sich nach Einzelaktionen von den Fans feiern zu lassen.

Bellingham bejubeln sie nun im Bernabéu, während Adeyemi beim BVB ziemlich alleine dasteht. Der neue Sündenbock von Dortmund, eben.

„Adeyemi pennt hinten komplett“, sagte etwa DAZN-Experte und Mats-Bruder Jonas Hummels nach dem 0:0 gegen AC Mailand, als eine große Milan-Chance nochmal eingeblendet wurde.

Adeyemi? „Du kannst Fehlpässe spielen. Aber ...“

Adeyemi hatte in der Schlussphase Theo Hernández ziehen lassen. „Das ist ein Verhalten, je öfter ich das sehe, umso mehr schaudert mich das“, sagte Hummels. „Das ist der eigene Sechzehner. Und auch wenn er Offensivspieler ist: Adeyemi muss in den Ball einfach reingehen“, ergänzte der jüngere der Hummels-Brüder.

Wenige Wochen zuvor war der BVB schon vollkommen chancenlos mit 0:2 bei PSG untergegangen: Eine erschreckende (Nicht-)Leistung des BVB im Pariser Prinzenpark, bei der unter anderem der 30-Millionen-Euro-Zugang Felix Nmecha negativ auffiel.

Sammer knüpfte sich bei Amazon Prime unter anderem Adeyemi: „Was mir überhaupt nicht gefällt, ohne es namentlich zu benennen: da vorne die beiden (Donyell Malen und Karim Adeyemi, die Redaktion). Du kannst Fehlpässe spielen. Aber komm doch wieder sofort in die Grundordnung. Was mir total missfällt: Wenn du einen Fehler machst und sagst: Ich muss erst mal eine Minute in mich gehen.“

Fürs „in sich gehen“ haben die Dortmunder um ihr Problemkind Karim ab dem kommenden Montag voraussichtlich zehn Tage lang Zeit. Denn wenn Deutschlands neuer Bundestrainer Julian Nagelsmann seinen Debüt-DFB-Kader um sich schart und in die USA aufbricht, wird Adeyemi vermutlich zu Hause bleiben.