Jerome Boateng bekam beim FC Bayern vor zwei Jahren keinen neuen Vertrag, weil er aus Sicht der Verantwortlichen nicht mehr gut genug war. Uli Hoeneß meinte damals: „Als Freund rate ich ihm, den Verein zu verlassen.“
Ein fragwürdiger Akt der Verzweiflung
Jetzt, Anfang Oktober 2023, ist Boateng plötzlich wieder eine ernsthafte Option für den Rekordmeister und trainiert angesichts der personellen Notlage in der Abwehr von Thomas Tuchel an der Säbener Straße mit – um sich für ein Kurzzeit-Engagement bis zum Saisonende zu bewerben.
Sollten sich die Münchner tatsächlich dazu entscheiden, den seit Juli vereinslosen Boateng zurückholen, es wäre ein fragwürdiger Akt der Verzweiflung!
FC Bayern: Fehleinschätzung bei Kaderplanung?
Die Verantwortlichen würden sich nicht nur ihre krasse Fehleinschätzung in Bezug auf die Kaderplanung – in erster Linie die fatale Entscheidung, die zuverlässigen Benjamin Pavard und Josip Stanisic ohne Ersatz ziehen zu lassen – eingestehen. Sie würden auch für Unruhe im Verein sorgen.
Gegen Boateng läuft noch immer ein Prozess wegen Körperverletzung. Ihm wird angelastet, seine Ex-Freundin während eines Karibik-Urlaubs im Jahr 2018 heftig attackiert und beleidigt zu haben.
Wenngleich bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, wären die Verantwortlichen gut beraten, eine potenzielle Verpflichtung auch aus moralischen Gründen zu hinterfragen - so wie Boatengs Halbbruder Kevin-Prince, der sich schon vor zwei Jahren klar mit den Worten distanzierte: „Ich verabscheue Gewalt gegen Frauen!“
Abgesehen davon gibt es auch aus sportlicher Sicht kaum Argumente, die für den mittlerweile 35-Jährigen sprechen.
Keine Frage: Boateng zählte in seiner „Prime“ zu den besten Verteidigern, die der FCB jemals hatte. Er wurde als Stammspieler zweimal Triple-Sieger, er war auch ein essenzieller Bestandteil des deutschen Weltmeister-Teams 2014. Boateng ist ein verdienter, hoch dekorierter Fußballer.
Doch er hat seine besten Zeiten längst hinter sich. Nicht ohne Grund nahm er bei seinem letzten Klub Olympique Lyon nur eine Nebenrolle ein. In der vergangenen Saison brachte er es wettbewerbsübergreifend auf nur 430 Einsatzminuten.
Boateng wäre ablösefrei zu haben
So schwierig die personelle Situation im Tuchel-Kader sein mag, so ordentlich die Rahmenbedingungen eines Boateng-Transfers (keine Ablöse, keine Eingewöhnungszeit - denn er kennt den Verein und noch viele Spieler) sein mögen: Die Bayern werden nicht die ganze Saison verspielen, wenn sie mit ihrem bestehenden Personal bis Januar weitermachen und sich währenddessen am eigenen Nachwuchs bedienen.
In acht Wochen öffnet das Winter-Transferfenster. Die eigentliche Aufgabe der Verantwortlichen sollte darin bestehen, pünktlich zum Start ins neue Jahr zwei neue Top-Spieler zu präsentieren: einen Verteidiger und einen defensiven Mittelfeldspieler.
Boateng wäre, so sehr man ihm ob seiner fußballerischen Errungenschaften für den Verein und auch der Nationalmannschaft Tribut zollen muss, keine Verstärkung. Sonst hätte der FC Bayern ihm nicht schon vor zwei Jahren die Tür gezeigt.