Seit gut einem halben Jahr ist Thomas Tuchel nun Trainer des FC Bayern - eine Zeit mit Höhen und Tiefen und diversen Nebengeräuschen.
Holt Tuchel die Vergangenheit ein?
Aktuell sind es vor allem Aussagen von Uli Hoeneß, die für Unruhe rund um den FCB und seinen Trainer sorgen. Nachdem der 71-Jährige im BR zunächst die Entscheidung der Ex-Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, Nagelsmann zu entlassen, als „nicht unbedingt klug“ bezeichnet hatte, nahm er sich bei RTL Tuchel zur Brust.
Bayern-Ehrenpräsident Hoeneß kritisiert Tuchel
Als „unklug“ bezeichnete Hoeneß die Traineraussagen zur Transferpolitik: „Weil ich nicht mein eigenes Team schlecht aussehen lasse, indem ich sage, wir sind zu dünn besetzt, wir sind dies, wir sind jenes. Wenn Sie jedes Wochenende sehen, was wir auf der Bank sitzen haben, nur Nationalspieler, dann haben wir keinen dünnen Kader.“
Nicht zum ersten Mal in seiner Trainerkarriere sieht sich Tuchel mit Spannungen zwischen sich und den Verantwortlichen seines Arbeitgebers konfrontiert.
Tuchel polarisiert auf allen Stationen
Trotz seiner großen Erfolge und seines Rufs als Bessermacher gilt der besessene Taktik-Guru als komplizierter Charakter, der auf allen seinen vorherigen Stationen FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, Paris Saint-Germain sowie FC Chelsea polarisierte und regelmäßig mit Vereinsverantwortlichen aneinandergeriet. Holt ihn bei Bayern jetzt die Vergangenheit ein?
Schon zu Mainzer Zeiten (2009 bis 2014) erlebte Tuchel eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst als Held abgefeiert, der Mainz erstmals in die Europa League führte, wurden nach Tuchels frühzeitigem Abschied pikante Details zum Verhältnis des Star-Trainers mit seinen Spielern und dem Präsidenten öffentlich.
„Thomas Tuchel hat die Mannschaft verraten“, polterte der damalige Mainz-Präsident Harald Strutz nach Tuchels überraschendem Rücktritt bei der Allgemeinen Zeitung Mainz. Der unter Tuchel aussortierte Torwart Heinz Müller bezeichnete seinen Ex-Trainer im kicker als „Diktator“ und sprach von mehreren Respektlosigkeiten, die sich dieser gegenüber der Mannschaft erlaubt hätte.
Zwist zwischen Watzke und Tuchel
Unschön und vorzeitig endete auch Tuchels Engagement in Dortmund (2015 bis 2017), wo es zwischen ihm und BVB-Boss Hans-Joachim Watzke zum Bruch gekommen war.
Rund um den Bombenanschlag auf den Dortmunder Bus am 11. April 2017 sei „auch zwischen dem Trainer und mir einiges kaputtgegangen“, hatte Watzke in der Sky-Doku „Der Anschlag - Angriff auf den BVB“ erklärt: „Es wäre sonst wahrscheinlich nicht zur Trennung gekommen.“
Tuchel prangerte damals öffentlich die Entscheidung der UEFA an, das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League seiner verängstigten Kicker gegen Monaco bereits einen Tag später nachholen zu müssen. Intern soll er allerdings kein Wort darüber verloren haben.
Auf seiner nächsten Station in Paris (2018 bis Dezember 2020) sorgte ein Zerwürfnis zwischen Tuchel und Sportdirektor Leonardo für die vorzeitige Trennung. „Wir haben einen sehr klaren und geraden Kurs verfolgt. Und wenn ein Mann von dieser Linie abweicht, ist es unsere Pflicht, schnell zu unserer Linie zurückzukehren“, erklärte der ehemalige Sportdirektor damals bei France Football.
Was Tuchel vorgeschlagen habe, hätte in Leonardos Augen nie so richtig gepasst. Auslöser für den Zoff mit Leonardo sollen Transferforderungen des deutschen Trainer-Stars gewesen sein, die wohl immer wieder für Reibung mit der Klubführung sorgten.
Rausschmiss ein Jahr nach größtem Triumph
Und bei Chelsea (Januar 2021 bis September 2022)? Nachdem er die kriselnden Engländer in Windeseile zu einem Spitzenteam geformt und 2021 sensationell zum Triumph in der Königsklasse geführt hatte, wurde Tuchel ein durchwachsener Saisonstart 2022/23 zum Verhängnis.
„Er ist offensichtlich äußerst talentiert und jemand, der mit Chelsea großen Erfolg hatte“, spielte Chelsea-Besitzer Todd Boehly am Rande einer Business-Veranstaltung auf Tuchels Champions-League-Sieg mit den Blues an. Doch auch der rettete den Deutschen nicht vor einem Rauswurf bei den Blues.
Zu weit auseinander gingen die Meinungen zwischen der neuen Klub-Führung und Tuchel. „Unsere Vision für den Verein war es, einen Trainer zu finden, der wirklich mit uns zusammenarbeiten wollte“, führte Boehly aus, „die Realität ist, dass wir uns nicht sicher waren, ob Thomas es genauso sah wie wir.“
Wird das Eis für Tuchel nun auch bei Bayern bereits dünner, zumal Hoeneß in Sachen Neuzugänge ankündigte, dass es im Winter die „große Transferoffensive mit Sicherheit nicht geben“ werde?
Nachdem Hoeneß seinem Unmut Luft gemacht hatte, gab es für Tuchel immerhin auch noch ein paar aufmunternde Worte: „Wir haben ja jetzt mit Thomas Tuchel einen Trainer, mit dem wir sehr, sehr zufrieden sind.“