Anthony Modeste ist einer der erfolgreichsten Stürmer in der Vereinsgeschichte des 1. FC Köln. Unvergessen ist sein Brillen-Torjubel mit aufgerissenem Mund. Der Franzose polarisierte aber auch.
Modeste: BVB-Wechsel „kein Fehler“
Sein Wechsel von den Geißböcken nach China sorgte 2017 für mächtig Wirbel, zu Beginn der vergangenen Saison verließ Modeste die Kölner erneut und erfüllte sich einen Traum, als er mit Borussia Dortmund in der Champions League spielte.
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 35-Jährige über FC-Trainer Steffen Baumgart, den BVB und Streik-Profi Randal Kolo Muani.
SPORT1: Herr Modeste, Sie sind derzeit vereinslos, wie geht es Ihnen?
Anthony Modeste: Ich bin bei Fortuna Köln (Modeste kam im Test gegen Düren am Donnerstag sogar zum Einsatz, Anm. d. Red.). Ich danke dem Verein und den Spielern dafür, sie sind eine große Hilfe für meine mentale und körperliche Kondition. Dort läuft es gerade gut, die Fortuna ist ein strukturierter Klub, wir haben alle die gleiche Leidenschaft. Die ganze Gruppe ist super nett und wir verstehen uns ausgezeichnet.
Baumgart? „Er hat meine Nummer“
SPORT1: Eine Rückkehr zum 1. FC Köln kommt offenbar nicht in Frage, da Ihr Verhältnis zu Steffen Baumgart gestört sei, heißt es. Ist das so?
Modeste: Wir sind nicht im Bösen auseinandergegangen, nicht soweit ich weiß. Obwohl wir nicht immer einer Meinung waren, sind wir uns stets mit Respekt und Verbundenheit begegnet.
SPORT1: Würden Sie sich wünschen, dass es nochmal ein Gespräch mit Baumgart gibt?
Modeste: Ein Gespräch? Ich hoffe, dass, wenn Baumgart mit mir hätte reden wollen, er mich das auch hätte wissen lassen. Ich kann zuhören, argumentieren und mich entschuldigen. Er hat meine Nummer. Wir begegnen uns manchmal und alles ist gut. Wenn er mich anrufen will, dann kann er das gerne tun, ich habe ihm immer geantwortet.
Darum wechselte Modeste zum BVB
SPORT1: Sie haben den FC-Verantwortlichen vorgeworfen, dass man Sie rausgeschmissen hat. Vieles erinnert an Ihre Aussagen nach Ihrem Wechsel nach China 2017. Was können Sie darüber sagen?
Modeste: China ist für mich Vergangenheit. Weder Herr Keller (aktueller Geschäftsführer Sport des FC, d. Red.) noch Herr Baumgart (seit 2021 FC-Trainer, d. Red.) waren zu diesem Zeitpunkt im Verein angestellt, sodass es keine Verbindung zwischen ihnen und dem damaligen Transfer nach China gibt. Ich kann ihnen also nicht vorwerfen, wie der Transfer zustande gekommen ist.
SPORT1: Wären Sie gerne ein weiteres Mal zum FC zurückgekehrt?
Modeste: Ich hatte eine tolle Saison in Köln hinter mir und hätte gerne beim FC verlängert. Aber aus irgendwelchen Gründen konnten die Bosse das nicht. Es kam einfach kein Signal für einen neuen Vertrag. Ich kenne die finanzielle Situation des Vereins und weiß, dass Fußball nicht nur der reine Sport ist. Es geht heutzutage um viel Geld. Ein Fußballklub ist ein Unternehmen, das wirtschaften muss. Ich habe wirklich gehofft, bleiben zu können und hätte auch Zugeständnisse gemacht, weil ich weiter Fußball beim FC Köln spielen und länger als ein Jahr (Modestes Vertrag wäre 2023 ausgelaufen) in Köln bleiben wollte.
SPORT1: Können Sie das näher erklären?
Modeste: Beim FC gibt es eine strikte Finanz- und Sportpolitik, das kann ich verstehen. Ich hatte noch ein Jahr beim FC, nach diesem Jahr hätte ich keine Verlängerung bekommen. Ich hätte aber gerne zwei Jahre beim FC gespielt, da ich nicht im Mai 2023 aufhören wollte. Dann kommt plötzlich das Angebot von Dortmund, Köln akzeptiert, ich akzeptiere. Es war ein normaler Transfer. Es war schön für mich, dass ich Champions League spielen durfte und der Klub hat auch noch etwas daran verdient. Ich kann es den Verantwortlichen beim FC nicht verübeln, dass sie einem Wechsel zugestimmt haben.
BVB-Wechsel war für Modeste kein Fehler
SPORT1: Also war der Wechsel zum BVB für Sie wirklich kein Fehler?
Modeste: Ich verstehe, dass man das denkt, weil meine Statistiken in Dortmund anders waren, aber für mich war der BVB kein Fehler. Es war eine tolle Herausforderung für mich, ich habe schließlich in der Champions League gespielt. Und ich habe bis zum letzten Spieltag um den Titel gespielt, wo bitte war da der Fehler? Wer sagt denn, dass meine Saison in Köln besser gewesen wäre? Ich bin ein Mensch, kein Roboter. Ich bin hingefallen, aber ich weiß, dass ich alles gegeben habe, um mein Potenzial auszuschöpfen. Wenn man zu empfindlich auf Misserfolge reagiert, dann sollte man den Beruf wechseln. Jede Woche muss man mit Druck und Misserfolg umgehen.
SPORT1: Wie sehr haben Sie den FC noch im Herzen?
Modeste: Ich habe nie ein Hehl aus meiner Liebe zum FC gemacht. Als ich zuletzt auf diese Frage geantwortet habe, habe ich auch gesagt, dass ich frei bin und so die Tür offengelassen habe. Ich habe keine Angst vor Herausforderungen, egal wie groß sie sind. Der FC war immer besonders für mich. Wenn die Verantwortlichen der Meinung sind, dass es für das Gleichgewicht des Vereins besser ist, wenn ich nicht zurückkomme, akzeptiere ich das. Die FC-Bosse schulden mir nichts. Sie haben einen Kader mit guten Spielern. Am vergangenen Sonntag konnte Köln einen Punkt in Frankfurt holen. Das war ein erstes positives Signal. Ich wünsche dem FC, dass dies der erste Punkt einer guten Serie ist. Ich wünsche mir zudem, dass die Fans und die Spieler zusammenhalten, denn das ist die Stärke des FC. Das ist es, was sie mir beigebracht haben und was funktioniert. Die Mannschaft braucht Vertrauen, jeder einzelne Spieler auch und mit der Unterstützung der Fans wachsen sie über sich hinaus, vor allem in schwierigen Momenten.
So sieht Modeste den Kolo-Muani-Wechsel
SPORT1: In den vergangenen Wochen gab es viel Aufregung um Randal Kolo Muani. Das haben Sie sicher mitbekommen. Wie ist Ihre Meinung zu dem Thema?
Modeste: Ich kenne Kolo Muani nicht persönlich und auch nicht die Hintergründe dieses Transfers. Was ich gelernt habe, ist, zu versuchen, nicht zu viel auf Spekulationen im Vorfeld eines großen Transfers zu geben und mir zu schnell ein Urteil zu erlauben. Leider schenken die Menschen den Gerüchten oft mehr Glauben als den Fakten.
SPORT1: Kolo Muani hat am Ende sogar gestreikt, durfte schließlich doch zu PSG wechseln …
Modeste: Ich werde nicht über die Art und Weise von ihm urteilen, denn ich weiß nicht, welche Gespräche er mit seinem Verein geführt hat und was die wahren Hintergründe sind. Streik wird nie gerne gesehen. Jetzt hängt Kolo Muani dieses Streik-Schild um den Hals. Das tut mir leid für ihn. Er ist jetzt zu PSG gewechselt und ist glücklich damit. Das war vielleicht der Wendepunkt im Leben von Kolo Muani. Ich weiß nicht, was der Verein und er vereinbart haben. Er ist in Paris und Frankfurt wird mit der Rekord-Ablöse (100 Millionen Euro, d. Red.) sehr zufrieden sein. Sie haben weiterhin eine gute Mannschaft. Nur für die Fans ist es natürlich schade.
SPORT1: Was halten Sie davon, dass wichtige Stürmer immer einen Wechsel erzwingen wollen? Lewandowski, Kolo Muani und Dembélé haben alle ihren Wechsel auf diese Weise hinbekommen. Haben solche Topstürmer heutzutage zu viel Macht?
Modeste: Man weiß doch, dass es solche Szenarien bei großen Transfers nicht erst seit gestern gibt. Als ich angefangen habe, waren die Medien weniger reaktionsschnell. Fußballer haben eine kurze Karriere, müssen schnelle Entscheidungen treffen, Gelegenheiten, die sich nicht zweimal bieten, einfach nutzen. Sie haben persönliche Träume und persönliche Ziele. Nur wenige kennen die wahren Hintergründe bei solchen Transfers, also sollte man nicht urteilen.
„Manchmal sind die Worte im Eifer nicht so gut gewählt“
SPORT1: Kolo Muani hatte gedroht, nie wieder das Trikot der Eintracht tragen zu wollen. Ist er mit dieser Aussage nicht zu weit gegangen?
Modeste: Er ist jung, hat einen starken Charakter und ein riesiges Potenzial. Manchmal sind die Worte im Eifer nicht so gut gewählt und die Interessen beider Seiten zu wichtig. Wenn der Verein ihn nicht verkauft hätte, hätte er wahrscheinlich weiter für Frankfurt gespielt. Er hat so viel Talent und weiß, was er will.
SPORT1: Damals gab es auch viel Wirbel um Ihren Wechsel nach China. Wie haben Sie sich gefühlt?
Modeste: Es war ein umgekehrtes Szenario wie jetzt bei Kolo Muani, ich wollte bleiben. Diese China-Geschichte ermüdet alle, sie ist für niemanden mehr interessant.
SPORT1: Wie sehr bereuen Sie, dass Sie nach China gewechselt sind? Sie waren dort nicht wirklich glücklich, oder?
Modeste: Ich lebe nicht in der Vergangenheit. Es gibt Lektionen und Erfahrungen im Leben, die muss man einfach machen. Egal, ob sie bequem oder unbequem sind. In China habe ich Axel Witsel (ehemaliger Spieler von Borussia Dortmund, aktuell Atlético Madrid, Anm. d. Red.) und seine Familie kennengelernt. Bis heute stehen sich unsere Familien sehr nah. Das ist etwas Positives und Schönes aus dieser Zeit.
Modestes größter Karrierefehler
SPORT1: Was war Ihr größter Fehler in Ihrer Karriere und warum?
Modeste: Wenn ich von einem großen Fehler sprechen müsste, würde ich meine Kommunikation in den Medien nennen, da bin ich nicht gut drin. Ich reagiere viel zu sehr mit Emotionen. Aber ich kann mich nicht verstellen. Ich mache Fehler und wenn ich nach Hause komme, sprechen wir darüber. Unsere Familienregel lautet: Unterstützung in der Öffentlichkeit, Kritik im Privaten.
SPORT1: Wie sehr beobachten Sie den BVB und den FC eigentlich noch?
Modeste: Ich lebe noch in Köln und jeder, der diese fußballverrückte Stadt kennt und dort wohnt, verfolgt den FC, so geht es auch mir. Auch schaue ich weiter auf den BVB. Ich liebe den Fußball und verfolge generell alles, was in der Bundesliga passiert, aber auch die anderen Ligen in Europa.
Modeste wünscht BVB Meistertitel
SPORT1: Glauben Sie, dass der BVB dieses Jahr Meister werden kann? Sie sind nicht gut in die neue Saison reingekommen.
Modeste: Das wünsche ich ihnen wirklich. Der Start war nicht wie erhofft, aber sie werden nicht aufgeben und ihr Bestes geben. Im Leben und im Fußball kann alles schnell gehen, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.
SPORT1: Und was wünschen Sie sich?
Modeste: Ich wünsche mir, dass ich nochmal eine tolle Herausforderung bei einem Verein annehmen kann. Ich möchte einfach noch weiter Fußball spielen, denn das ist es, was ich liebe. Ich habe 16 Jahre Profifußball hinter mir, nicht jeder hat die Chance dazu. Ich habe einige Anfragen von Profi-Klubs vorliegen, die ich prüfen werde. Ich werde auf alle Fälle innerhalb der nächsten Woche mit meiner Familie eine endgültige Entscheidung treffen, unabhängig davon, ob in den nächsten Tagen noch weitere Vorschläge eintreffen sollten oder nicht. Ich würde mich auch nicht schämen, wenn ich auf niedrigerem Niveau spielen müsste - wenn es gut wäre für mein persönliches Glück und mein persönliches Gleichgewicht. Ich muss zufrieden sein mit dem, was ich mache.