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Thomas Schaaf: "Die Persönlichkeit ist unantastbar“ - Leadertalk mit Mounir Zitouni

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Thomas Schaaf: "Die Persönlichkeit ist unantastbar“ - Leadertalk mit Mounir Zitouni

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Schaaf: „Persönlichkeit ist unantastbar“

Thomas Schaaf gehört zu den erfolgreichsten deutschen Trainern der Bundesliga. Im SPORT1-Podcast Leadertalk mit Mounir Zitouni verrät der 62-Jährige sein Erfolgsgeheimnis.
Werder Bremen hat in der Bundesliga einen Fehlstart hingelegt. Dennoch bleibt vor allem Trainer Ole Werner zuversichtlich.
Thomas Schaaf gehört zu den erfolgreichsten deutschen Trainern der Bundesliga. Im SPORT1-Podcast Leadertalk mit Mounir Zitouni verrät der 62-Jährige sein Erfolgsgeheimnis.

Es gibt nicht viele Akteure im deutschen Fußballgeschäft, die diese Erfolge vorweisen können: Deutscher Meister, Pokalsieger und Europapokalsieger als Spieler und dazu Deutscher Meister, dreimaliger Pokalsieger, Gewinner von zwei Vizemeisterschaften sowie Teilnehmer an einem europäischen Finale als Trainer: Thomas Schaaf gehört zu den erfolgreichsten Fußball-Protagonisten, die Deutschland hervorgebracht hat.

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Und dazu: 41 Jahre lang arbeitete Schaaf für denselben Verein, für den SV Werder Bremen. Das macht ihm keiner so schnell nach. Im Gespräch mit dem LEADERTALK-Macher Mounir Zitouni versucht der 62-jährige Trainer, sein Erfolgsgeheimnis zu lüften.

Schaaf spricht über Vertrauen, über den Umgang mit seinen Spielern, beschreibt, wie er stets versuchte, seinen Spielern Freiräume zu lassen, und wie wichtig Unberechenbarkeit für die Arbeit als Trainer war. 51 Minuten lang die Essenz seines Leadership.

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2003/2004 gewann Thomas Schaaf als Trainer mit Werder Bremen das Double - mit Spielern wie Johan Micoud, Mladen Krstajic, Frank Baumann, Simon Rolfes, Ivan Klasnic oder Valerien Ismael.

Die Grundlage für diesen Erfolg legte er vorher: „1999, als ich Bremen übernahm, war der Kader sehr groß und wir mussten erst einmal schauen, einen Kern hinzubekommen, mit dem wir dann unsere Ideen angehen wollten. Schauen, wie die Philosophie, die man hat, mit denen, die zur Verfügung stehen, am besten umsetzbar ist. Wer ist bereit, diesen Weg mitzugehen? Wir haben vor 2003/04 geschaut, wie wir dieses Puzzle zusammensetzen können. Es ist dann ganz wichtig, dass man schaut, welche Spieler der Kern sind. Ein Kern, der mit Leistung, Persönlichkeit, Handeln und Auftreten vorangeht.“

Die Basis für die Zusammenarbeit war für Schaaf von zwei wichtigen Pfeilern gesäumt.

„Man muss eine Vision und eine Idee vorgeben können und die muss auch erkennbar sein. Um das möglichst schnell zu realisieren, braucht man Vertrauen. Der, der einem gegenübersitzt, muss sagen: „Okay, ich begebe mich quasi in deine Hände, ich begebe mich in deine Obhut und versuche dir zu folgen.“

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Doch wie geht das? Vertrauen erzielen, die Spieler mitnehmen? „Es ist ganz wichtig, dass man herausfindet, was für die andere Seite wichtig ist, damit er dir folgen kann … Was hat der Einzelne bisher getan? Wie hat sein Leben ausgesehen? War er behütet? War er stets umsorgt? Musste er sich freikämpfen? Musste er ein eigenes Leben entwickeln? Danach richtet sich: Was will er weiterhin erleben? Was ist für ihn in seinem persönlichen Ranking ganz oben? Was will er unbedingt haben?“

„Für mich ist die Person, die Persönlichkeit erst mal unantastbar“

Was dem 62-jährigen Meistermacher immer am wichtigsten war: der menschliche Umgang mit seinen Spielern. „Für mich ist die Person, die Persönlichkeit erst mal unantastbar. Ich werde eingesetzt, um eine sportliche Leistung zu erzielen, um die Führung einer Mannschaft zu erzielen, da ist mir erst mal die Person so heilig, dass ich sie nicht angreifen darf. Es geht um eine sportliche Beurteilung, es geht nicht um die Person. Ich kann immer nur schauen, dass ich Tipps gebe, dass ich Ratschläge gebe. Ich spreche da immer von einer gelenkten Entwicklung ... Das ist erst mal das Wichtigste: Dass ich nicht die Person angreife, sondern dass ich auch in meiner Kritik sachlich bleibe, nicht verletzend sein darf …“

Dieser Aspekt war Schaaf auch als Technischer Direktor von Werder Bremen wichtig (2018-2021), als Mitverantwortlicher für die Nachwuchsarbeit. „In der Akademie haben wir viele Gespräche geführt. Bevor wir überhaupt über das Fußballerische sprachen, habe ich immer gefragt: Wie geht es dir eigentlich? Die erste Antwort war: ‚Ja, meine Leistung ...´ Und ich sagte, nein, ich will mit dir gar nicht über Fußball reden, sondern ich will dich erst mal als Mensch wahrnehmen. Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?“

Doch dafür muss der Spieler auch etwas zurückzahlen. Schaaf wird deutlich: „Beim Eiskunstlauf gab es früher immer die Pflicht und die Kür. Für mich war im Fußball die Pflicht, sich voll einzusetzen, 100 Prozent zu geben, für das Team da zu sein, seine eigenen Qualitäten für das Team einzusetzen ... Auf der anderen Seite gibt es die Chance, die Kür zu machen: Das, was dich besonders macht, zu zeigen. Diese Möglichkeit gebe ich. Weil man genau das braucht, diese Besonderheit, dieses Außergewöhnliche“, sagt Schaaf.

Daraus ergeben sich für den 62-Jährigen ganz andere Konsequenzen: „Heute reden wir immer wieder darüber, dass wir zu angepasste Spieler haben, zu sehr in einer Schiene sind, dass wir zu viel vorgeben. Deshalb gebe ich lediglich den Rahmen vor, die Grundvision, dass dieses Gebilde funktionieren kann, aber jeder Einzelne muss sich verwirklichen können, sich austoben dürfen. Das, was er besonders kann, muss zum Tragen kommen.“

Doch Schaaf weiß, dass man als Trainer nicht nur fördern darf, sondern es auch um eine Haltung geht, die in der Mannschaft für Respekt sorgt. „Die Spieler müssen wissen, dass ich verlässlich bin. Ich habe immer wieder gesagt, meine Tür ist offen und ihr könnt mit mir über alles reden, was ihr mir sagen wollt. Ich bin immer für euch dabei. Sieben Tage, 24 Stunden. Da stehe ich Euch zur Verfügung. Da muss ich vertrauensvoll und verlässlich sein. Auf der anderen Seite darf man nie ausrechenbar sein. In dem Moment, wo du ausrechenbar bist, hast du verloren.“

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Der Teamgedanke muss auch im Trainerteam gedacht werden. Eine große Herausforderung heutzutage, wie der Ex-Werderaner findet. „Ich habe mit einem Trainer als Spieler angefangen. Das war unvorstellbar. Ein einzelner Mensch, der für alle zuständig war. Ich weiß gar nicht, wie das funktioniert hat. Wenn man heute sieht: Heute haben wir Gruppierungen von 25, 28 Leuten, die in einem Team drumherum sind. Mit Koch, Psychologen, Teammanager, Busfahrer. Die wollen ja auch alle ihre Wirkung haben. Die wollen auch alle befriedigt werden. Die haben natürlich alle Einfluss. Und wenn ich als Leader vorneweg gehe, der eine bestimmte Idee hat, dann muss ich die alle auf diese Schiene bringen.“

Mounir Zitouni (52) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Sportler, Trainer und Führungskräfte in punkto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.