Innerhalb von einem Jahr ist Marius Wolf vom Verkaufskandidaten zum Nationalspieler aufgestiegen. Exklusiv bei SPORT1 spricht der 28 Jahre alte BVB-Star über seinen Aufstieg, das Meister-Trauma, die Zusammenarbeit mit einem Psychologen und Harry Kane.
Exklusiv: BVB-Star Wolf mit Ansage!
SPORT1: Herr Wolf, konnten Sie das Meister-Trauma mittlerweile verarbeiten?
Marius Wolf: Ich war im Urlaub und habe dort etwas Abstand nehmen können. Und diesen Urlaub habe ich wirklich gebraucht. Nach der großen Enttäuschung war der echt nötig.
SPORT1: Konnten Sie die bittere Enttäuschung also verkraften?
Wolf: Im Urlaub wurde man immer wieder von verschiedenen Leuten darauf angesprochen, ganz so einfach war es also nicht. Wir werden es ohnehin nie ganz vergessen können. Es kribbelt aber schon wieder bei uns allen. Wir haben total Bock auf die neue Saison. Die Unterstützung der Fans am letzten Spieltag hat uns enorm viel Kraft und Energie gegeben.
SPORT1: Haben Sie Sorge vor einem Titel-Knacks?
Wolf: Nein, ich glaube nicht, dass wir einen Knacks bekommen. Wir wissen alle, dass wir eine Riesenchance verpasst haben. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, wo wir herkamen und dass wir im Winter noch Sechster waren. Wir haben in der Rückrunde von allen Teams in den Top-5-Ligen die meisten Tore geschossen und Punkte erzielt. Daran wollen wir anknüpfen. Wir können und wollen es den Leuten zeigen!
„Wir wollen da weitermachen, wo wir aufgehört haben“
SPORT1: Mit welchen Worten hat Trainer Edin Terzic die Mannschaft zum Start der Vorbereitung begrüßt?
Wolf: Er hat es ganz treffend formuliert: Edin hat nicht gesagt, dass wir neu anfangen, sondern dass wir genau da weitermachen wollen, wo wir aufgehört haben. Das haben wir auch in der Mannschaft unmittelbar nach dem Spiel gegen Mainz in der Kabine schon so gesagt. Wir ziehen uns an den positiven Dingen hoch.
SPORT1: In Marcel Sabitzer, Felix Nmecha und Ramy Bensebaini hat der BVB drei Neuzugänge bekommen. Haben die Spieler schon Ihren Einstand gegeben?
Wolf: Noch nicht, aber das wird noch kommen. Sie haben ein paar Tage Eingewöhnungszeit und dann müssen sie ein Ständchen singen. Ich musste damals schließlich auch singen.
SPORT1: Welches Lied haben Sie gesungen?
Wolf: Marmor, Stein und Eisen bricht (lacht). Das kann ich in- und auswendig. Bei Hertha und Köln habe ich es clever gemacht, da bin ich durch meine späten Leihen nämlich ums Singen rumgekommen.
Wolf schwärmt von BVB-Neuzugang Nmecha
SPORT1: Wie bewerten Sie die Verpflichtung von Felix Nmecha. Kann er in die Fußstapfen von Jude Bellingham treten?
Wolf: Jude können wir nur als Team ersetzen. Klar ist aber, dass Felix schon jetzt eine brutale Qualität hat. Er ist ein junger Spieler, der sich aber noch enorm weiterentwickeln kann. Wir erhoffen uns einiges von ihm.
SPORT1: Wie haben Sie eigentlich vom Kapitäns-Rücktritt von Marco Reus erfahren?
Wolf: Ich habe das im Urlaub mitbekommen. Marco wird sich etwas dabei gedacht haben. Er will die Binde weitergeben, damit andere Spieler noch mehr Verantwortung übernehmen können und wird als Teil des Mannschaftsrats weiter extrem wichtig für unser Team sein. Vielleicht kann er sich in der neuen Saison dadurch etwas mehr auf sich konzentrieren, noch befreiter aufspielen und ich bin mir sicher, dass er seinen Teil zum Erfolg der Mannschaft beitragen wird - so wie er es in der Vergangenheit auch immer getan hat.
„Wenn man hart an sich arbeitet, bekommt man irgendwann seine Chance“
SPORT1: Kommen wir zu Ihnen und Ihrer Auf-und-ab-Karriere. Sie sind ein echtes Stehaufmännchen. In Ihrer Karriere mussten Sie etliche Rückschläge verkraften. In Hannover wurden Sie aussortiert, Sie wurden oft verliehen, haben zudem eine Herz- Operation hinter sich und jetzt das Titel-Drama mit dem BVB. Sie mussten sich immer wieder aus schwierigen Situationen rauskämpfen. Woher kommt diese Eigenschaft?
Wolf: Ich bin einfach so gestrickt. Im Fußball geht es wie im normalen Leben zu. Es geht nicht immer bergauf. Rückschläge wird es immer geben. Wichtig ist nur, dass man nicht aufgibt und weiter an sich glaubt. Es war nicht immer einfach für mich, auch hier beim BVB. Als es den Trainerwechsel von Lucien Favre zu Marco Rose gab, war für mich aber klar: Ich möchte nach Ablauf meiner Leihe wieder zurück zum BVB und meine Chance nutzen. Wenn man hart an sich arbeitet, bekommt man irgendwann seine Chance. So war es auch bei mir.
SPORT1: Unter Rose haben Sie eine starke Entwicklung genommen, auch unter dem aktuellen Trainer sind Sie fest eingeplant. Was zeichnet Ihrer Ansicht nach Edin Terzic aus?
Wolf: Edin ist nicht nur ein hervorragender Trainer, dazu ist er ein BVB-Fan durch und durch. Das merkt man auch in seinen Ansprachen. Die sind mitreißend und pushen uns zusätzlich. Seine Beziehung zum BVB ist einzigartig. Er lebt für diesen Verein. Da packen auch wir als Spieler vielleicht nochmal ein, zwei Prozent obendrauf. Und: Edin ist extrem glaubwürdig.
SPORT1: Im April 2022 haben wir über eine mögliche Nominierung in die Nationalmannschaft gesprochen. Sie haben abgewunken und gesagt, dass das viel zu weit weg sei und wir besser nicht drüber reden sollen. In den anderthalb Jahren haben Sie es nun geschafft. Sie dürfen sich seit März Nationalspieler nennen und haben schon fünf Länderspiele bestritten.
Wolf: Das klingt nicht schlecht, oder? Ich bin unheimlich stolz. Ich wollte immer Gas geben und mich zeigen. Ich habe damals überhaupt nicht daran gedacht. Es ist aber umso schöner, dass es geklappt hat. Im November wurde ich am Herz operiert. Es war zwischendurch echt schwer, noch daran zu glauben. Ich war einfach froh, dass ich überhaupt noch trainieren konnte. Ans Spielen habe ich gar nicht mehr gedacht. Es ist unglaublich und umso schöner, dass ich jetzt da bin, wo ich bin.
Wolf nahm sich psychologische Hilfe
SPORT1: Sie haben Ihre Herz-OP angesprochen. Bei Ihnen wurde damals ein Vorhofflimmern festgestellt. Werden Sie seitdem öfter kontrolliert als die Kollegen?
Wolf: Wir werden ohnehin ständig gecheckt. Seit diesem Vorfall achte ich aber viel mehr auf meinen Körper und höre noch genauer in ihn rein. Ich spüre und fühle plötzlich Signale, die ich vorher gar nicht bemerkt habe. Das war für den Kopf nicht einfach. Man muss lernen, damit umzugehen und damit zu leben. Das hat viel Zeit gebraucht und die braucht es auch immer noch. Für den Kopf ist das enorm schwierig. In dieser Zeit habe ich mir psychologische Hilfe geholt. Da gehe ich sehr offen mit um, denn das hat mir extrem viel gebracht.
SPORT1: Wie muss man sich die Arbeit mit dem Psychologen vorstellen?
Wolf: Ich glaube, dass kann man nicht pauschal erklären. Ich kann nur für mich sprechen: Anfangs war ich mir unsicher, ob ich diese Art von Unterstützung brauche. Aber die Phase meiner Erkrankung war nicht einfach für mich und ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass mir diese Gespräche mit einem Psychologen helfen. Deshalb habe ich die Arbeit mit ihm auch nicht aufgegeben. Aber nicht, weil ich das Gefühl habe in gewissen Themen Hilfe zu benötigen, sondern, weil ich die Art unserer Gespräche einfach mag.
SPORT1: Ihr ehemaliger Mitspieler bei Eintracht Frankfurt und Kumpel Kevin-Prince Boateng hat Ihre Berufung in die Nationalmannschaft schon früh prophezeit. Im Februar 2018 hat er gesagt: „Wenn Wolf nicht Nationalspieler wird, höre ich auf!“
Wolf: Wir haben über diesen Satz schon gescherzt (lacht). Es war ja sein letztes Jahr, das hat also ganz gut gepasst. Zum Glück musste er nicht vorher aufhören.
Wolf hofft auf Zukunft in Dortmund
SPORT1: Ihr Vertrag bei Borussia Dortmund läuft im nächsten Jahr aus. Sind Sie nach Mats Hummels, Marco Reus, Julian Brandt und Emre Can der nächste Spieler, der sein Papier verlängert?
Wolf: Bei mir persönlich ist, wie wir gerade ja besprochen haben, viel passiert im letzten Jahr. Deshalb habe ich mich mit diesem Thema noch nicht beschäftigt. Ich bin hier, habe noch ein Jahr Vertrag, will Gas geben und Dortmund helfen. Dann wird man sich hinsetzen und drüber sprechen.
SPORT1: Würden Sie denn gerne bleiben?
Wolf: Dass ich mich hier sehr wohl fühle, ist kein Geheimnis. Dass ich es beim BVB geschafft habe Nationalspieler zu werden, auch nicht. Natürlich kann ich vorstellen weiter in Dortmund zu bleiben. Aber wie gesagt: Es gab noch keine Gespräche.
SPORT1: Uns ist zu Ohren gekommen, dass Sie mit dem Gedanken spielen, nach Ihrer Karriere vielleicht Spielerberater zu werden.
Wolf: Das weiß ich noch nicht. Was ich weiß, ist dass ich auf jeden Fall auch über mein Karriereende hinaus im Fußball arbeiten will. Das ist das, was mir am meisten Spaß macht. Vor zwei Jahren habe ich mal gesagt: Trainer könnte ich niemals sein! Aufgrund der hohen Verantwortung und der vielen Dinge, die drumherum zu bewältigen sind. Mittlerweile bin ich aber schon so weit, dass ich sage: Co-Trainer kann ich mir zumindest vorstellen. (lacht) Das ist aber alles noch viel zu früh. Erstmal habe ich als Spieler mit dem BVB noch große Ziele.
Auch deutsche Spieler in die Wüste?
SPORT1: Viele Stars wechseln in diesem Sommer nach Saudi-Arabien. Kylian Mbappé soll ein unmoralisches 700-Millionen-Euro-Angebot von Al-Hilal abgelehnt haben. Wie blicken Sie auf diese Entwicklung?
Wolf: Diese Summe ist natürlich der absolute Wahnsinn! Wenn du so eine enorme Menge Geld angeboten bekommst, denkst du schon nach. Ich möchte aber auch gar nicht über andere urteilen. Wenn ein Spieler das macht, wird er seine Gründe haben.
SPORT1: In den letzten Jahren ist noch kein deutscher Starspieler in die Wüste gegangen. Glauben Sie, dass das künftig passieren wird?
Wolf: Ich würde nicht ausschließen wollen, dass der ein oder andere von uns auch schon eine Anfrage aus Saudi-Arabien gehabt hat. Aus allen europäischen Top-Ligen wechseln gerade Spieler dorthin. Allein deshalb halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass bald vielleicht auch ein deutscher Spieler dort aufschlägt.
„Harry Kane ist einer der besten Stürmer auf der Welt“
SPORT1: Eine abseitige Frage: Sie sind ein Auto-Fan, haben selbst sehr besondere Autos. Welcher BVB-Spieler hat eigentlich den schönsten Fuhrpark?
Wolf: Ich habe da schon einige Mitspieler, die schöne Autos fahren, aber meine gefallen mir auch ganz gut (lacht). Ich bin schon ein großer Auto-Fan Ich habe früher schon, als ich klein war, viel mit Autos gespielt. Das liegt an meinem Opa, der früher Autos vom Schrottplatz geholt und dann aufgepäppelt hat. Er hat mit meinem Vater eine schöne Sammlung, zu der auch Motorräder gehören. Wir waren vorhin bei dem Thema, was nach der Karriere passieren könnte: Ich kann ich mir auch gut vorstellen, nach der Karriere etwas mit Autos zu machen. Eine kleine Werkstatt zuhause, an der man bastelt und rumschraubt - das hätte schon was.
SPORT1: Die Bayern stehen vor einer Verpflichtung von England-Star Harry Kane. Wie fänden Sie das?
Wolf: Natürlich wäre das ein Zeichen an die Liga. Harry Kane ist einer der besten Stürmer auf der Welt. Wenn die Bayern ihn verpflichten können, wäre das ein großer Name für die Bundesliga. Ich fände es geil, wenn man sich gegen ihn messen dürfte, weil er zu den besten Stürmern der Welt gehört.