Welch hohe Aufgabendichte das neue Amt als BVB-Kapitän mit sich bringt, konnte Emre Can während der USA-Tour gleich mal erleben.
BVB: Kabinen-Details enthüllt
Der 29 Jahre alte Defensiv-Star saß zunächst in San Diego vor dem Testspiel gegen den Zweitligisten Loyal auf der Pressekonferenz, musste später in Las Vegas als Klub-Gesicht und Aushängeschild im „High Roller“-Riesenrad das neue Cup-Trikot vorstellen und auf Englisch zu den anwesenden Fans und Sponsoren sprechen und wenige Tage danach hatte der frühere Juve- und Liverpool-Star vor dem Match gegen Chelsea (1:1) auch noch in Chicago einen Termin im Studio Von TV-Sender ESPN.
Das Amt des Spielführers bringt nun mal etliche Aufgaben abseits des Fußballrasens mit sich. Marco Reus kennt das und hat das in den vergangenen fünf Jahre ausgeführt. „Mein inneres Bauchgefühl hat gesagt, dass es der richtige Zeitpunkt ist“, begründete Reus im clubeigenen Podcast seinen Kapitäns-Rücktritt. „Die Mannschaft hat einen Schritt gemacht. Es haben sich neue Spieler hervorgehoben und neue Hierarchien gebildet. Deshalb habe ich mich dazu entschieden.“
Spannende Details aus der BVB-Kabine
Reus hat die neuen Hierarchien innerhalb der BVB-Truppe angesprochen. SPORT1 kennt spannende Details aus der Kabine und erklärt die neue Machtstruktur.
In erster Linie soll die Hierarchie in Zukunft deutlich flacher und breiter aufgestellt sein, wie im Übrigen auch in einer neuen Ausgabe des SPORT1-Podcast „Die Dortmund-Woche“ erklärt wird. Auch deshalb wurde der Mannschaftsrat von fünf auf sechs Personen erweitert. Neben Can und Reus zählen zudem die Kapitän-Stellvertreter Gregor Kobel und Niklas Süle sowie Julian Brandt und Sébastien Haller zu den wichtigsten Ansprechpartnern von Trainer Edin Terzic.
„Unser Kader bietet verschiedene Möglichkeiten, wir haben unterschiedliche Charaktertypen und Erfahrungen“, findet Sportchef Sebastian Kehl.
Adeyemi schwärmt von Reus
Klar ist: Reus zählt weiterhin teamintern zu den beliebtesten BVB-Profis. Vor allem jüngere Spieler, wie zum Beispiel Karim Adeyemi, schauen zum 48-fachen Nationalspieler hinauf. Als Reus nach dem Training in San Diego aus einem quasi unmöglichen Winkel von hinter dem Tor aus mit einem Kunstschuss traf, schrie Nico Schlotterbeck anerkennend: „Reus, das ist Qualität!“
Adeyemi schwärmt: „Für viele ist es noch schwierig, dass Marco nicht mehr offiziell der Captain ist. Für mich persönlich bleibt er immer der Captain. Weil er viele Jahre für den Verein gespielt hat. Wir sind aber glücklich, dass Emre sich bereit fühlt und wir vertrauen ihm. Wir wissen, dass er ein Leader ist.“
Can ergreift in der Kabine das Wort
Can hat definitiv Leader-Qualitäten. Die Wahl der BVB-Bosse um Coach Terzic, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Kehl, den Nationalspieler als neuen Kapitän bestimmt zu haben, findet auch Reus „top“. Can habe „schwierige Jahre hinter sich bei uns - bis vor einem halben Jahr“, meint der Mittelfeld-Star. „Er hat unfassbar gute Spiele gemacht und eine geile Entwicklung genommen. Von seiner Persönlichkeit her ist er ein sehr starker Mensch. Es ist eine gute Wahl. Ich freue mich drauf. Er kriegt die volle Unterstützung.“
In der Kabine ergreift Can seit seinem Wechsel im Januar 2020 von Juventus Turin in den Pott schon Wort, daran änderten auch seine teilweise durchwachsenen Leistungen nichts. So legte sich der gebürtige Frankfurter durchaus auch mit dem phasenweise aus der Reihe tanzenden Jung-Star und Heißsporn Jude Bellingham oder Ex-Trainer Marco Rose in der Kabine an.
Als Wortführer gelten teamintern auch die beiden Vize-Kapitäne Kobel und Süle. Kobel ist der große Rückhalt der Mannschaft und zurzeit vielleicht der beste Keeper der Liga. In der Kabine wird der Schweizer auch mal laut, gilt nach außen aber eher als ruhiger und lockerer Typ. Süle hat seit seinem ablösefreien Wechsel vom FC Bayern vor einem Jahr auch vor und nach Spielen schon oft zur Mannschaft gesprochen. Nach dem verpatzten Meisterfinale hat der Abwehr-Star die Truppe auf die neue Saison eingeschworen.
In Brandt und Haller sind zudem zwei nach außen eher stille, aber für die Mannschaft enorm wichtige Typen in der Hierarchie aufgestiegen.
Hummels fühlt sich total befreit
Mats Hummels ist, anders als in den Vorjahren, nicht mehr Teil des Teamrats. Der Weltmeister von 2014 trat freiwillig aus dem Gremium zurück, mit der internen Begründung, die Verantwortung gerne an andere Spieler weitergeben zu wollen (SPORT1 berichtete). Hummels, der wohl in sein letztes Jahr als BVB-Profi geht, will sich nochmal voll auf den Fußball konzentrieren und seine vielleicht letzte Bundesliga-Saison voll genießen.
Nach SPORT1-Informationen fühlt sich der Ex-Bayern-Star total befreit und erleichtert, nicht nach jedem Spiel sprechen zu müssen. Der Abwehr-Star hat sich selbst ein Redeverbot erteilt und möchte in den nächsten Wochen öffentlich zunächst keine Interviews geben. Ihm gefällt es grundsätzlich nicht, dass mitunter Sätze oft aus dem Zusammenhang gerissen und in manchen Medien oder auf anderen Social-Media-Plattformen geteilt werden.
Klar ist aber auch, dass Hummels trotz seines Rücktritts aus dem Teamrat in der Kabine ein großes Mitspracherecht hat. „Er braucht nicht die Binde oder ein anderes Amt, um Verantwortung zu übernehmen“, so Kehl.
Umstrukturierung braucht Zeit
Neben Hummels gelten auch Schlotterbeck, Neu-Nationalspieler Marius Wolf und Star-Zugang Marcel Sabitzer als Führungsspieler, die intern ihre Meinung sagen und vorangehen wollen.
„Wir haben einen Mannschaftsrat ausgesucht, der gut zusammengepasst mit unterschiedlichen Typen, die alle ein Ziel verfolgen: erfolgreich sein!“, so Kehl.
Die Umstrukturierung und Machtverschiebung in der BVB-Kabine wird allerdings etwas Zeit brauchen. Es wäre nicht das erste Mal: In den letzten Jahren musste Borussia Dortmund bereits mehrere solcher Umbrüche bewältigen. So mussten auch schon Nachfolger für wichtige Wortführer wie Lukasz Piszczek, Marcel Schmelzer, Manuel Akanji, Axel Witsel oder Thomas Delaney gefunden werden.